Leserbrief: Ein Fall für die Generalsanierung - Das österreichische Gesundheitswesen
WELS. Tamara Topolanek hat sich mit einem Leserbrief an die Tips Redaktion gewandt. Eine Freundin ist erkrankt und der Hausarzt ist auf Urlaub. Es beginnt eine Odyssee.
Was ich erlebt habe, übertrifft meine kühnsten Befürchtungen. Es ist einfach beschämend.
Die Kurzfassung:
Meine Freundin ist krank – Kreislauf im Keller, eventuell etwas Falsches gegessen, etwas Fieber, Schwäche – vielleicht aber doch ein Virus? Ein Arzt muss her – 1. um Hilfe zu leisten, 2. für eine Krankschreibung. Der Hausarzt XY ist auf Urlaub und hat online keine Vertretung angegeben: „Wählen Sie 1450!“ 1450 erklärt mir, dass wir zu einem „umliegenden niedergelassenen Arzt“ gehen sollen.
Versuch 1: Ein PVZ, das sicher nicht genannt werden will, weist uns ab: „Wir sind nicht zuständig und haben keinen Vertrag mit dem Arzt XY.“ Ich rufe wieder 1450. 1450 erklärt mir, dass ich doch auf der Seite der Ärztekammer einen anderen Arzt finden kann oder soll. Es tue ihm leid, das System sei besch…, aber er sei dafür leider nicht verantwortlich und könne das nicht ändern. Sollte die Freundin in der Zwischenzeit kollabieren, könne ich ja die Rettung rufen. Ich telefoniere und telefoniere. Die umliegenden niedergelassenen Ärzte sind auf Urlaub oder heben nicht ab oder haben keine Ordinationszeiten. Die Lage ist schwierig. Manche lassen es einfach klingeln oder haben Anrufbeantworter in der Dauerschleife, obwohl sie gerade Ordinationszeiten haben.
Versuch 2: Ich fahre zur Ordination des urlaubenden Hausarztes XY. Da klebt ein Zettel an der Tür – er hat doch eine Vertretung – aber leider nirgends hinterlegt. Wir fahren zum vertretenden Arzt. Die Ordination ist leer. Wir bekommen einen Termin für 11.20 am kommenden Tag. Jetzt sei das nicht möglich – obwohl keine Patienten da sind und meine Freundin sich kaum mehr auf den Beinen hält. Wir suchen seit über zwei Stunden einen Arzt, der sich zuständig fühlt.
Versuch 3: Eine Allgemeinmedizinerin ohne Kassenvertrag schreibt meine Freundin übers Telefon krank – kostet 38 Euro. Persönliches Erscheinen kostet 55 Euro. Sie hat dafür aber keine Kraft mehr.
Passiert ist das alles am Dienstag, 5. August in Wels.
Meine Freundin zahlt Krankenversicherung, arbeitet, ist jung, hat einen akademischen Abschluss. Wie mit ihr umgegangen wird, spottet jeder Beschreibung. Österreichs Gesundheitssystem ist ein Fall für eine Generalsanierung. Eine Schande ist das, echt.
Leserbriefe an: redaktion-wels@tips.at
Meinungen in Leserbriefen müssen sich nicht mit denen der Redaktion decken.
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