Integration: „Diese Beeinträchtigung hat kaum oder wenig Relevanz“
MARCHTRENK. In Österreich müssen Arbeitgeber, die 25 oder mehr Mitarbeiter haben, auf je 25 Arbeitnehmer mindestens einen begünstigten behinderten Menschen einstellen. Viele Betriebe kaufen sich davon aber lieber frei. Nicht so der Lebensmittelhändler Spar mit Zentrale in Marchtrenk.
Spar hat die kostenlose Unterstützung durch das Betriebsservice OÖ bei der Integration von behinderten Menschen in Anspruch genommen und beschäftigt seit diesem Jahr zwei besondere neue Mitarbeiter. „Wir haben vorher schon immer wieder Angestellte mit Beeinträchtigung gehabt, sind aber nicht konkret auf sie zugegangen“, erzählt Heike Rauch, Leiterin der Abteilung Personalentwicklung und Ausbildung. Vor einem halben Jahr hat Spar aber die Zusammenarbeit mit dem Betriebsservice gestartet.
Netzwerk für Recruiting
Das Betriebsservice wird vom Sozialministerium-Service gefördert und hilft bei Fragen zu Förderangeboten bei schon bestehenden Mitarbeitern mit Beeinträchtigungen und allen rechtlichen Rahmenbedingungen. Es hilft mit seinem breiten Netzwerk beim Recruiting und bietet Teams oder Führungskräften auch Workshops zur Vorbereitung auf die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen an.
Gespräch vor Ort
„Wenn ein Unternehmen auf uns zukommt, schauen wir uns die Stelle an und überlegen, ob die Besetzbarkeit realistisch ist“, erklärt Petra Hofer vom Betriebsservice OÖ. „Wir schauen uns den konkreten Arbeitsplatz vor Ort an, führen ein Gespräch mit dem Unternehmen und erarbeiten dann gemeinsam ein Stellenprofil mit Gestaltungsspielraum“, so Hofer. Sind die Anforderungen klar, wird der Posten an alle Organisationen, die mit Menschen mit Beeinträchtigung arbeiten, ausgeschickt, das reicht von der Caritas und promente über die JKU, alle Arbeitsassistenzen und viele andere bis zum Verein chronisch Kranker. Unter allen Rückmeldungen trifft das Betriebsservice dann eine Vorauswahl und gibt diese an das betreffende Unternehmen weiter. Eine etwaige Kontaktaufnahme erfolgt dann über das Unternehmen selbst.
Zwei neue Mitarbeiter
Seit einem halben Jahr nun schickt Spar alle Stellenausschreibungen, die in Frage kommen könnten, an Petra Hofer, die die Informationen über die zu besetzende Stelle dann an ihr Netzwerk weitergibt. Bisher konnte Spar schon zwei Posten in der Zentrale entsprechend besetzen. Am Empfang wird man nun von einer netten Dame, die an einer Gehörbeeinträchtigung leidet, freundlich begrüßt. Sie hat auch die Telefonvermittlung über.
Gehörlos – kein Problem
Einen zuverlässigen, neuen Mitarbeiter gibt es auch im Lager. Er ist gehörlos, verfügt über einen Staplerschein, fährt mit einem Schlepper und ist als Kommissionierer tätig. Am ersten Tag gab es noch eine Begleitung durch die Arbeitsassistenz für Menschen mit Hörbeeinträchtigung, die auch am Arbeitsplatz mit dabei war und nach wie vor für einen Austausch zur Verfügung steht.
„Gute Erfahrungen“
„Wir sind sehr zufrieden“, freut sich Personalerin Heike Rauch. Die ersten Mitarbeiter, die Spar dank der Unterstützung durch das Betriebsservice gefunden hat, „haben sich sehr gut integriert und wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Deshalb möchten wir das auch vorantreiben“, so Rauch. Gründe dafür gibt es zwei: Spar will Leuten eine Chance geben und Barrieren abbauen. „Momentan funktioniert es viel leichter, als wir uns gedacht haben“, gesteht Rauch und stellt fest, dass die Beeinträchtigung der gehörlosen Mitarbeiter kaum oder gar keine Relevanz für deren Tätigkeit hat.
Schwere Mitarbeitersuche
Zweitens ist es derzeit, nicht nur für Spar, schwierig, Arbeitskräfte zu finden. Mitarbeiter über das Betriebsservice zu finden, bietet dem Lebensmittelhändler demnach eine zusätzliche Möglichkeit und Chance. Spar geht es aber auch um Bewusstmachung und darum, den Blickwinkel zu erweitern. Der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. „Wir sehen, dass man Berührungsängste verliert“, freut sich Rauch über die unerwartete Bereicherung. „ Alle kommen gut zusammen und speziell mit unserem gehörlosen Mitarbeiter lernt man, dass es auch andere Kommunikationswege gibt: Lippenlesen, Mails schreiben – es sind andere Kanäle ausgeprägt, derer wir uns gar nicht bewusst sind.“
Nur in Wels und Wels-Land
Derzeit sucht Spar nur für die Zentrale und ausgewählte Filialen in Wels und Wels-Land Menschen mit Beeinträchtigung und je nach Einschränkung könnten diese in der Regalbetreuung, an der Kassa oder auch im Feinkostverkauf eingesetzt werden, meint Rauch. „Wenn das gut läuft, dann möchten wir die Einstellung von Menschen mit Beeinträchtigung auch auf ganz Oberösterreich ausweiten.“
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