Der langjährige ärztliche Direktor des Therapiezentrums Ybbs ist verstorben.
Uns erreichte die traurige Nachricht, dass Hofrat Dr. Kurt Sindermann in den Morgenstunden des 7. Jänner 2020 plötzlich verstorben ist.
Damit ist ein wahrhaft großer Mann von uns gegangen, dessen Verdienste um die Wiener Psychiatrie und das Therapiezentrum Ybbs gar nicht genug gewürdigt werden können.
Bereits 1984 - 35-jährig - übernahm er die Stelle als ärztlicher Direktor im damaligen „PKH Ybbs“, für dessen psychiatrische Dauerpatientinnen und Dauerpatienten er Spätrehabilitationskonzepte entwickelte. Ihm ist zu verdanken, dass es im Zuge der Psychiatriereform, deren Motor er in Ybbs war, zu einer raschen (und für viele überraschend harmonischen) Öffnung der Anstalt kam und viele Betroffene in extramurale Wohnformen integriert werden konnten. Damit sank die Anzahl der verbliebenen Patientinnen und Patienten, deren Lebensqualität durch diese und andere Maßnahmen enorm gesteigert werden konnte. Vergitterte Fenster, verschlossenen Türen, Netzbetten gehörten alsbald der Vergangenheit an.
In ständiger Kooperation mit dem Psychiatriebeauftragten der Stadt, Dr. Stefan Rudas, diesem in Freundschaft verbunden, entwickelte Sindermann moderne sozialpsychiatrische Arbeitsmodelle. Aus dem PKH wurde 1989 das „Pflege- und Therapiezentrum Ybbs“, später das „Therapiezentrum Ybbs“ – Bezeichnungen, die schon früh das große dahinterstehende Anliegen signalisierten: „Psychotherapie ist integraler Bestandteil der Psychiatrie und MUSS im Zuge der FachärztInnenausbildung gelernt werden!“ (Zitat Sindermann)
Als Psychiater, Psychotherapeut und ab 1990 auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Psychiatrie trat er bis zuletzt als Meinungsbildner bei verschiedensten Fragestellungen auf, unter anderem der Differenzierung geistiger Behinderung von psychischer Erkrankung (auch als Basis für oberstgerichtliche Entscheidungen) oder etwa der Verankerung psychotraumatologischer Methodik in psychiatrisch-psychotherapeutische Konzepte.
Als zunächst Leiter der Ausbildung, ab 1996 medizinisch-wissenschaftlicher Leiter der Ausbildung an der Psychiatrischen Krankenpflegeschule in Ybbs bekannte er sich schon früh als Förderer und Unterstützer der Emanzipation des Pflegeberufes.
Ebenso in den 1990er Jahren war er Mitbegründer der Österreichischen Vereinigung für Psychiatrie, deren erklärte Ziele unter anderem die Fächertrennung von Neurologie und Psychiatrie und Aufwertung der Psychiatrie und Gleichstellung als klinisches Fach sowie die untrennbare Gemeinschaft von Psychiatrie und Psychotherapie war. Nach Erreichung dieser Ziele wurde letztlich die ÖGPP (österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie) gegründet, die für viele positive Veränderungen stand, nicht zuletzt für die Ausbildungsreform zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin.
Als Mitbegründer des Vereins Struktur gemeinsam mit Otto Lesch und Georg Psota brachte er Behandlungskonzepte für eine durchaus bis dato therapeutisch vernachlässigte Gruppe Alkoholkranker, den sogenannten Lesch-Typ-IV, ins Sozialtherapeutische Zentrum in Ybbs.
Als ärztlicher Leiter des psychiatrischen Krankenhauses reformierte er nicht nur Konzepte, sondern auch grundsätzliche Haltungen, indem er salutogenetische Gesichtspunkte anstelle simpler Symptomreduktion in den Fokus der therapeutischen Arbeit rückte.
Die Verleihungen von Ehrenzeichen (jeweils Stadt Ybbs in Bronze und Gold, zuletzt das große Silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien) sehen wir als Zeichen der Würdigung seines Engagements und Schaffens – werden aber dem Menschen Kurt Sindermann dennoch noch lange nicht ganz gerecht.
Sehr geehrter Herr Hofrat Sindermann, lieber Kurt!
Du warst Humanist, Menschenkenner, Intellektueller, Reformer und Philosoph – aber nicht nur das: Du warst auch ein hervorragender Humorist und Karikaturist, leidenschaftlicher Sänger und Genussmensch.? So wirst Du uns immer in lieber Erinnerung bleiben!
Prim.a Dr.in Hannelore MonscheinÄrztliche Direktorin / Medizinisch Verantwortliche TZY
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13.01.2020 11:19
R.I.P HF. Primar. Facharzt. Dr. Kurt Sindermann von ihren Da
sowas darf nicht Sterben, sowas kommt nie wieder, er war Göttlich, wer soll das alles noch mal Lernen was Dieser Mann konnte und tat für alle seine Mit Menschen. Ich habe kurz vorher noch eine e-mail bekommen, was gegen BSAB Amt % Behinderungen Einstufung war, und das war Typisch von unseren KuSi. Ich kann mich die Worte der Frau Dr. Mondschein nur anschließen, man kann was er Geleistet hat mit keiner Auszeichnung EHREN
10.01.2020 17:11
Trauer um Dr. Kurt Sindermann
Sehr geehrter Herr Dominic Schlatter, danke für diesen Artikel und das auf Youtube reingestellte Video von vor 6 Jahren in Erinnerung an den Helfer im Leben viele Menschen, so auch in meinem. Wir werden sie schwer los lassen können. Wenn es möglich ist, soll man doch die auf Youtube nicht mehr auffindbaren Vorträge über den Humor in der Psychiatrie oder was auch immer noch irgendwo gespeichert irgendwo auf einem Computer herum liegt, auf Youtube stellen zur Erinnerung, denn ich würde das auch gerne noch einmal sehen. Und mein aufrichtiges Mitgefühl für alle trauernden Hinterbliebenen. Mit freundlichen Grüßen Kurt Hofer