AMSTETTEN. Tamara Shaipova (68) stammt aus Tschetschenien. Sie widerspricht den pauschalen Vorurteilen gegenüber Tschetschenen
Tschetschenen, vor allem junge männliche Tschetschenen, haben in Österreich ein schlechten Ruf. Völlig zu Unrecht, meint Tamara Shaipova, die im Jahr 2007 mit zwei Enkelkindern aus Tschetschenien nach Österreich geflohen war. Bereits im Jahr 2004 war ihr Sohn nach Österreich geflohen, der sich in Amstetten selbstständig gemacht hatte. So kam Tamara Shaipova nach Amstetten. Sie war Lehrerin und hatte an der Universität Geschichte und politische Bildung studiert. Mittlerweile spricht sie sehr gut Deutsch.“Natürlich gibt es auch gewalttätige Tschetschenen“, erklärt Shaipova, „aber kriminelle Elemente gibt es in allen Kulturen. Was mich kränkt, das sind die Vorurteile gegen allen Tschetschenen. Die Behauptung, Tschetschenen seien gefährliche Leute, hat mich sehr getroffen.
„“Wir lehnen Gewalt ab“
Mit ihrer Meinung ist sie nicht allein. „Ich habe hier mit vielen Frauen gesprochen. Wir alle lehnen Gewalt ab. Auch die Religion verbietet Gewalt“, erklärt die gläubige Muslimin. Der Islam schreibe auch vor, dass man die Gesetze jenes Landes befolgen muss, in dem man sich befindet. „Wir bekennen uns zur Demokratie und zu den Menschenrechten für alle Menschen, egal welche Religion sie haben“, sagt Shaipova. „Wir haben auch religöse Gesetze, die wir befolgen. Dazu gehören Gebete und Fastenzeiten.“ Und in ihrem Fall auch das Kopftuch. „Ohne Kopftuch könnte ich niemals auf die Straße gehen. Wenn es ein Kopftuchverbot gäbe, dann müssten viele Frauen zuhause bleiben.
„Früher gab es in Tschetschien einen Brauch: „Wenn zwei Männer streiteten und es zu einem Kampf kommen würden, dann konnte eine Frau als allerletzten Ausweg ihr Kopftuch abnehmen und zwischen die Männer legen. Dann durften sie nicht mehr kämpfen“, erklärt Shaipova eine der rituellen Bedeutungen des Kopftuchs.
„Arbeit ist Pflicht“
„Wir wollen gern Deutsch lernen und auch arbeiten. Im Islam ist Arbeit Pflicht. Aber manche Menschen müssen bis zu neun Jahre warten, bis sie einen Asybescheid bekommen. Während dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten und haben auch keine Berechtigung, einen Deutschkurs zu besuchen.
„Zwei Enkelkinder Shaipovas, Ibragim und Magomed Arsukaev, machen in Amstetten und in Stadt Haag eine Lehre. In Shaipovas Bekanntenkreis gibt es Mädchen und junge Frauen, die in die HAK, in die HAS oder ins Gymnasium gehen. Diese seien alle gut integriert.
Integration ist wichtig
„Integration ist wichtig. Das sagen alle Frauen mit, denen ich gesprochen habe. Und wer nicht integriert werden will und die Gesetze hier nicht beachten will, der soll wegfahren“, sind sich die Frauen einig.Für Integration ist auch Miteinander reden das um und auf. So regte Shaipova bei Vizebürgermeisterin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) an, einen Treffpunkt zu errichten, bei dem Einheimische und Zugezogene ungezwungen und ohne Konsumzwang ins Gespräch kommen können. Aus dieser Idee ging der Multikulturelle Stammtisch hervor, für den sich besonders Gerhard Steinkellner vom Verein Südfilmfest engagiert. Monatlich treffen einander dort Leute im Pfarrsaal St. Stephan, um miteinander Gedanken auszutauschen. Der eine bringt Kaffee mit, die andere Kuchen und es entsteht eine sehr ungezwungene Atmosphäre. Auch Shaipova stellt sich gern mit kulinarischen Schmankerln aus der tschetschenischen Küche ein. Es zeigt sich: Integration ist möglich.