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Die Lebensgeschichten Vertriebener aus Amstetten

Norbert Mottas, 29.03.2022 18:42

AMSTETTEN. Im Museum Niederösterreich in St. Pölten sind in der Ausstellung „Lebenswege in der Diktatur“ auch Exponate Vertriebener aus Amstetten ausgestellt.

Der Rucksack des Fritz Greger und das Ladenschild "Zur Billigkeit" (Foto: Gerhard Zeillinger)
  1 / 3   Der Rucksack des Fritz Greger und das Ladenschild "Zur Billigkeit" (Foto: Gerhard Zeillinger)

Ein Besuch des Hauses der Geschichte im Museum Niederösterreich ist höchst empfehlenswert. Untergliedert in unterschiedlichste Themenbereiche wird die Geschichte Niederösterreichs sehr informativ aufbereitet und erfassbar gemacht.

„Lebenswege in der Diktatur“

In der Ausstellung „Lebenswege in der Diktatur“ werden verschiedene Aspekte der Zeit zwischen 1918 und 1945 präsentiert. Da findet sich etwa der Gürtel des Walter Fantl-Brumlik, der durch das Buch „Überleben“ des Amstettner Historikers Gerhard Zeillinger größere Bekanntheit bekam. Zeillinger erzählt in dem Buch die Lebensgeschichte des Walter Fantl-Brumlik, der die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz überlebt hat und dessen einziger Besitz sein Gürtel war. Die Löcher in dem Gürtel zeigen, wie sehr Fantl-Brumlik während seiner Internierung abgemagert ist.

Die Familie Greger

Direkten Bezug zu Amstetten haben Exponate der jüdischen Familie Greger, die bis zu ihrer Vertreibung in Amstetten das Kaufhaus „Zur Billigkeit“ geführt hatte. Zu sehen ist der Rucksack, den Fritz Greger bei seiner Flucht nach Palästina und bei seiner Rückkehr nach Amstetten 1954 benutzt hatte. Auch das Ladenschild „Zur Billigkeit“ ist ausgestellt.

Lebensgeschichte der Familie Greger

Gerhard Zeillinger hat auch die Lebensgeschichte der Familie Greger erforscht: Die Gebrüder Sommer hatten seit den 1860er-Jahren zwei Kaufhäuser in Amstetten. Das Kaufhaus „Zur Billigkeit“ bestand seit zirka 1860. Im Jahr 1916 kauften Adolf und Rosa Greger das Kaufhaus „Zur Billigkeit“ und führten es unter diesem Namen weiter. Adolf und Rosa Greger hatten eine Tochter, Hermine, und vier Söhne: Wilhelm, Anton, Ernst und Fritz.Im Jahr 1938 wurde das Kaufhaus von den Nazis enteignet und arisiert. Bis 1939 durften die Eltern und Hermine in der Wiener Straße leben.

Eltern und Tochter ermordet

Hermine wollte nicht fliehen, damit sie ihre Eltern unterstützen konnte. Sie wurde im Jahr 1942 deportiert und von den Nazis erschossen. Die Eltern wurden zuerst nach Theresienstadt deportiert und dann ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie noch 1942 vergast wurden.

Söhne konnten fliehen

Die Söhne konnten fliehen. Wilhelm und Ernst versuchten – mit dem Familienschmuck –, zunächst nach Holland zu gelangen, wurden jedoch verraten und fast ein Jahr lang inhaftiert. 1940 gelang es dann Ernst, in die USA zu kommen, wo er in Los Angeles ein berühmter Arzt wurde. Für Wilhelm blieb Shanghai die letzte Fluchtmöglichkeit. Als er 1947 nach Österreich zurückkehrte, war er bereits schwerkrank, er starb im Jahr darauf in Wien. Die beiden jüngsten Söhne, Anton und Fritz, gelangten auf abenteuerlichen Wegen nach Palästina.+

Die Rückkehr

1949 kehrte Anton Greger nach Amstetten zurück und eröffnete ein kleines Geschäft für Meterware. Es dauerte allerdings bis ins Jahr 1954, bis das Greger-Haus zurückgestellt wurde. Im Jahr 1954 kehrte Fritz mit seiner Frau Sahawa nach Amstetten zurück und eröffnete ebenfalls ein kleines Geschäft. Bei seiner Rückkehr hatte er den Rucksack dabei, den er bei seiner Flucht nach Palästina benutzt hatte.Dieser Rucksack ist nun im Museum Niederösterreich ausgestellt.Fritz und Sahawa Greger hatten zwei Kinder: Simona und Harry. Simona lebt heute in New York und Harry Greger ist der letzte Verbleibende der Familie Greger in Amstetten. Noch Ende der 50er-Jahre war Harry in der Schule gröbsten antisemitischen Beschimpfungen ausgesetzt. Der Rucksack seines Vaters ist Harry ein wichtiges Andenken und er freut sich, dass er im Museum einen würdigen Platz gefunden hat.

Kein Interesse an Ausstellung

Gerhard Zeillinger, der diese Familiengeschichte auf aufwändige Art zusammen getragen hat, hatte die Absicht, dazu eine Ausstellung in Amstetten auszurichten und ein Buch im Rahmen der „Amstettner Beiträge“ zu verfassen. Der Stadtarchivar Thomas Buchner hatte ihn dazu angeregt und im Jahr 2019 war das Projekt schon sehr spruchreif. Allerdings zeigte die ÖVP-Stadtregierung kein Interesse mehr an dem Projekt und Ausstellung und Buch wurden nicht realisiert. „Wer sich für diesen Teil der Geschichte Amstettens interessiert, muss nach St. Pölten fahren“, erklärt Zeillinger. Zeillinger hatte auch vorgeschlagen, eine Straße nach Hermine Greger zu benennen, doch dieser Vorschlag wurde nie aufgegriffen.


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