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Ein besonderer Weg zum Muttersein: Eva-Marias Geschichte in einem Film

Sabrina Antlinger, 19.04.2022 15:26

HOCHBURG-ACH. Die Hochburg-Acherin Eva-Maria Proßegger ist seit ihrer Kindheit durch eine spastische Zerebalparese (Krankheit, bei der Bewegungsstörungen und Muskelsteife auftreten) auf den Rollstuhl angewiesen. Sie hat sich ihren lang gehegten Traum erfüllt und wurde durch künstliche Befruchtung Mutter. Jetzt feierte der Dokumentarfilm über ihre unkonventionelle Geschichte Premiere im Ankersaal Burghausen und auf dem Film Festival in Bozen. Im Tips-Interview erzählt Proßegger ihre Geschichte.

Regisseur Lukas Ladner und Eva-Maria Proßegger freuen sich über die Premiere ihres Films "Eva-Maria". (Foto: Stadtkino Filmverleih)

Tips: Können Sie kurz etwas über Ihre Person erzählen?

Proßegger: Ich bin die Eva-Maria, wie schon viele wissen. Ich komme ursprünglich aus Oberösterreich und habe nach langer Arbeitssuche einen Job in Innsbruck bekommen und bin nach Innsbruck gezogen. Ich war dort von 2013 bis 2019 Vollzeit tätig, bis ich in Mutterschutz und Karenz gegangen bin. Im September hat mein Sohn Ben mit dem Kindergarten begonnen und ich habe im Oktober wieder mit der Arbeit begonnen, in Teilzeit. Momentan wohne ich noch in einer Übergangswohnung, aber ich stehe schon kurz vor dem Umzug in meine Wohnung, worüber ich mich sehr freue. Bis dahin sind wir noch viel mit dem Film beschäftigt, mit Arbeit und persönlicher Assistenz.

Tips: Wie ist die Idee, einen Dokumentarfilm über Ihre Geschichte zu machen, entstanden?

Proßegger: Ich habe viele bekannte Filme gesehen, die man als Mensch mit Behinderung oft kennt: zum Beispiel „Ziemlich beste Freunde“, „Wo ist Fred?“, „Erbsen auf halb 6“ – da gibt es viele. Die Filme haben mir schon gefallen, aber mich hat aufgeregt, dass immer die Behinderung im Vordergrund steht und dass es keine Filme gibt, wo ein Mensch mit Behinderung Nebensache ist. Nicht Nebensache – aber der Rollstuhl oder die Behinderung an sich eben Nebensache. Dann entstand der Gedanke: „Eigentlich müssten wir eine Doku machen.“ Lukas Ladner, der Regisseur, hat geantwortet: „Ja, passt. Machen wir.“ Und ich so: „Du spinnst wohl.“ Ich habe ihn zuerst nicht ernst genommen, aber er hat immer wieder damit angefangen. So sind wir in das Ganze hineingerutscht.

Tips: Was genau wird im Film behandelt?

Proßegger: Für mich war die Beeinträchtigung nie ein Grund, meine Träume aufzugeben. Ich weiß, was ich will und wie ich es bekomme. Die Anfänge des Kinderwunsches waren bereits mit 20 Jahren vorhanden, doch zu diesem Zeitpunkt wohnte ich noch bei meinen Eltern ohne Aussicht auf Selbstbestimmtheit, Selbstständigkeit oder Selbsterhaltungsfähigkeit. An sich habe ich seither auf den „richtigen Zeitpunkt“ gewartet, eine fixe Arbeitsstelle samt ausreichendem Einkommen hat sich ergeben, die persönliche Assistenz und somit ein selbstbestimmtes Leben, familiärer Rückhalt und mehr waren Grundvoraussetzungen für diese Entscheidung. Anfang 30 fühlte ich mich bereit für einen meiner größten Träume: ein eigenes Kind. Mithilfe künstlicher Befruchtung wollte ich mir nun diesen Wunsch erfüllen. Unterstützt von meiner Familie und begleitet von meiner Assistenz nahm ich „das Projekt Kind“ in Angriff. Für alle ist diese Situation Neuland. Mein Körper verkraftete die Schwangerschaft erstaunlich gut und es gab kaum Komplikationen. Es gab jedoch ungewohnte, neue Situationen für die Ärzteschaft als auch für das Assistenz-Team. Dokumentiert von einem meiner Assistenten, ermöglicht dieser Film einen ungewohnt intimen Einblick in ein Leben jenseits konventioneller Familienplanung.

Tips: Was erhoffen Sie sich von der Veröffentlichung?

Proßegger: Mir war es wichtig mehr informativ zu wirken, auf keinen Fall wollte ich als arme behinderte Mutter oder als Superheldin dargestellt werden. Und mir war es ein Anliegen, zu zeigen, dass Arbeit, Freunde, Spaß möglich sind und mein Leben nicht zu bemitleiden ist. Noch wichtiger war es mir, eine Balance zwischen Offenheit und Privatsphäre zu finden, was einige Gespräche mit der Regie erforderte, aber so denke ich, gut gelungen ist. Der Film soll Vorurteile abbauen, Unbekanntes etwas näher bringen und Mut machen.

Tips: Wie haben Sie die Schwangerschaft erlebt?

Proßegger: In der Schwangerschaft selbst gab es kaum Zeiten, wo ich es als anstrengend empfand, im Gegenteil ich habe es sehr genossen. Mein Bewusstsein für das Glück in mir, wurde mir erst nach und nach bewusst. Ich war so gerne schwanger. Ich habe wirklich keine großartigen Schwangerschafts-Beschwerden gehabt, bis auf einen Zwischenfall mit der Blutung. Die Erfahrungen in den Krankenhäusern selbst waren durchmischt. In dem Krankenhaus, in dem ich war, als ich Blutungen in der Schwangerschaft hatte, hat mir ein junger Arzt ohne Vorgespräch mit dem Satz: „In Ihrer Situation können wir einen Abgang auch noch nach der 12. Woche befürworten“, die Abtreibung angeboten. Dabei stand das nie zur Debatte. Das hat mich so schockiert, dass das vonseiten eines jungen Arztes gekommen ist, obwohl nie eine Indikation bestand, diesen Weg in Erwägung zu ziehen. Das hat mich sehr getroffen, da würde ich meine Lebensberechtigung selber infrage stellen. Der Arzt meinte weiter: „Das Kind könnte ja vielleicht behindert“ – darauf sagte ich: „Ja, könnte.“ Das hat mich massiv geschreckt. In dem Krankenhaus, wo ich entbunden habe, war die Erfahrung mit der zuständigen Ärztin sehr gut, da diese selbst bereits Kontakt zu Menschen mit Behinderungen hatte und mir empfohlen wurde. Bei dem zuständigen Pflegepersonal musste ich kurzzeitig meinen Willen beziehungsweise Entscheidungsfähigkeit behaupten, was aber dann problemlos klappte. Im Gegensatz dazu fand die Führungsebene alleine aufgrund des Rollstuhls eine Meldung an das Jugendamt erforderlich, obwohl das Pflegepersonal als auch die Ärztin keine Bedenken hatten. Das Jugendamt kam schließlich zur Kontrolle, sie sahen von Anfang an, dass alles passt, mussten aber der Meldung wegen zweimal vorbeikommen. Eigentlich hätte ich gegen diese Diskriminierung rechtlich vorgehen können und müssen, aber mir stand der Genuss des Babyglücks im Vordergrund. Im Winter hat dank der dicken Winterjacke kaum jemand gesehen, dass ich schwanger bin. Später waren viele sehr überrascht und teilweise sehr zurückhaltend. Es hat vereinzelte Situationen mit Ärzten gegeben, bei denen ich sagen muss: Es ist traurig, dass man so etwas erlebt. 

Tips: Wie hat Ihre Umwelt da­rauf reagiert?

Proßegger: Für Bekannte, Nachbarn, Arbeitskollegen war es im ersten Moment ein total unvorhersehbares Ereignis – zum Teil würde ich es auch als Schock definieren. Nach ein paar Wochen Denkpause, kam bei einigen das Interesse und auch der Mut nachzufragen. Typische Fragen wie: „War es geplant? Lebt der Vater auch in Innsbruck? Gibt es schon einen Namen? Weißt du schon das Geschlecht? Hast du dann 24h Assistenz?“ kamen. Selbst ein Apotheker fragte dreimal nach, ob ich wirklich diese Tabletten meine, denn die wären für Schwangere. Mit meinem Hausarzt und Frauenärzten habe ich erstaunlicherweise die besten und unkompliziertesten Erfahrungen gemacht, auch in der Zusammenarbeit mit den Assistenten.

Tips: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

Proßegger: Wenn die Gesellschaft meinen Film als „langweilig“ definiert, weil es in der Gesellschaft nunmehr als „üblich/Standard“ gilt, habe ich mein persönliches Ziel erreicht.


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