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Neue Perspektiven für Straftäter durch Verein Neustart in Braunau

Theresa Senzenberger, MA, 28.04.2025 18:00

BEZIRK BRAUNAU. Wie kann es gelingen, dass Täter nach der Haft ihr Verhalten ändern? Mit dieser Frage befasst sich der Verein „Neustart“ in Braunau. Er betreut unter anderem Menschen im Rahmen der Bewährungshilfe.

  1 / 2   Der Verein Neustart in Braunau bietet verschiedene Beratungsangebote. (Foto: Charlie's/stock.adobe.com (Symbolfoto))

Der Femizid in Neukirchen, bei dem ein 35-Jähriger seine Frau getötet haben soll, erschütterte den Bezirk. Wie kann eine solche Tat verhindert werden? Eine schwierige Frage, mit der sich aber der Verein „Neustart“ befasst.

1957 wurde der Verein als „Arbeitsgruppe Bewährungshilfe“ gegründet. Seit 2021 gibt es auch ein Büro in Braunau mit aktuell fünf Mitarbeitern. Der Leistungsbereich des Vereins ist groß und reicht vom betreuten Wohnen bis hin zur Hilfe von Haftentlassenen.

Die größten Aufgabenbereiche sind die Bewährungshilfe, die Gewaltpräventionsberatung, der Tatausgleich, der elektronisch überwachte Hausarrest und die Vermittlung von gemeinnütziger Leistung. Für Opfer von situativer Gewalt wird zudem etwa eine Prozessbegleitung angeboten.

Der Fall in Neukirchen ist ein Extrembeispiel. In ihrem Arbeitsalltag haben die Mitarbeiter des Vereins mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun, die meist deutlich geringere Straftaten begangen haben.

Viele Ursachen

Ursachen, warum Menschen zu Tätern werden, gibt es laut Harald Felbermair, dem stellvertretenden Leiter von Neustart in Oberösterreich, viele: „Angefangen von defizitärer Sozialisation, mangelnder Bildung, Suchterkrankung, unverarbeiteten traumatischen Ereignissen bis hin zu einer negativen Dynamik in der ‚peer group‘, aber natürlich auch Persönlichkeitsstörungen können der Grund sein.“

Der Verein achtet unter anderem darauf, wo es ein erhöhtes Risiko gibt. „Wir werden aber auch akzeptieren müssen, dass wir nicht in Menschen hineinschauen können. Taten sind bis zu einem gewissen Grad mitunter nicht vorhersehbar.“

179 Klienten im Bezirk

Im Bezirk Braunau gibt es aktuell 179 Klienten der Bewährungshilfe. In der verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung im Zuge eines Betretungs- und Annäherungsverbotes werden rund 20 Personen betreut.

Die Bewährungshilfe dauert drei Jahre. Die Gewaltpräventionsberatung umfasst sechs Stunden und dient vor allem als erstmaliger Kontakt und erste positive Erfahrung mit Beratungsstellen. Für eine nachhaltige Verhaltensänderung bräuchte es aber mehr Unterstützung. „Wir versuchen daher, die Klienten zu motivieren, weitere Angebote zu nutzen.“

Mehr Anordnungen

In den vergangenen Jahren blieb die Zahl der verurteilten Täter laut dem Sozialarbeiter tendenziell gleich. Was allerdings steigt, seien die Bewährungshilfeanordnungen durch Gerichte. „Wir sehen das als Zeichen, dass Richter unseren Verein als sinnvoll erachten.“

Tatsächlich wird die Bewährungszeit laut Felbermair in weniger als 8 Prozent der Fälle wegen einer erneuten Verurteilung widerrufen. Im internationalen Vergleich sei das gering. 70 Prozent der Klienten bleiben in den drei Jahren nach Ende der Bewährungshilfe straffrei. 96 Prozent von ihnen geben an, dass es durch die Hilfe zu positiven Veränderungen gekommen ist.

Intensive Beratung

Bei der Beratung geht es um eine intensive Auseinandersetzung mit den Delikten. „Wir sehen uns an, wo die kriminogenen Faktoren liegen. Und wir versuchen, daran zu arbeiten, schützende Faktoren zu stärken. Es werden unter anderem Handlungsalternativen besprochen und mögliche künftige Gefährdungssituationen analysiert.“

Basis dafür sei eine belastbare Arbeitsbeziehung. Damit Menschen ihr Verhalten ändern, sei eine positive Beziehungserfahrung sehr wichtig. „Unser Leitsatz lautet: Wir achten und respektieren den Menschen, aber wir ächten die Tat“, betont Felbermair. „Wir holen die Menschen dort ab, wo sie stehen.“

Größte Herausforderungen

Das sei auch eine der großen Herausforderungen der Sozialarbeiter. Der Erfolg ist teils erst nach einem bestimmten Zeitraum sichtbar. „Eigenes antrainiertes Verhalten zu ändern, ist ein mühsamer, längerfristiger Prozess.“ Auch die Arbeit mit Tätern, die besonders schwere Strafen verübt haben, sei herausfordernd.

Erfolgsgeschichten

Die Klienten kommen meist nicht freiwillig zu den Beratungen. „Die Reaktionen darauf sind somit vielseitig, sie reichen von anfangs ablehnend bis hin zu echter Dankbarkeit. Der Großteil der Klienten ist im Laufe der Zeit aber dankbar dafür.“

Zum Abschluss können sie ein Feedback geben. „Hier sind durchaus berührende Rückmeldungen zu lesen. Es ist auch sehr bewegend, wenn sich Klienten nach Jahren wieder melden und sagen, ihnen hat die Betreuung geholfen und dass sie jetzt in einer stabilen Lebenssituation sind.“

Felbermair ist deswegen überzeugt: „Menschen sollten in ihrer Gesamtheit gesehen werden. Auch Straftäter sollten eine zweite Chance erhalten.“

Neuer Modellversuch und Helfer gesucht

Aktuell gibt es in der Arbeit des Vereins einen neuen Modellversuch: den Opfer-Täter-Dialog. Dieser bietet Opfern die Möglichkeit, in Dialog mit dem Täter zu gehen. Er ist freiwillig, kostenlos und auch während oder nach einem Strafverfahren möglich.

In Braunau sind auch ehrenamtliche Bewährungshelfer im Einsatz. Sie betreuen 28 Prozent der Klienten. Derzeit werden weitere Helfer gesucht. Interessierte können sich bei Andreas Leitner unter Tel. 0676 847331423 oder andreas.leitner@neustart.at melden.

Verein Neustart:
www.neustart.at
5280 Braunau, Laaber Holzweg 20
Tel.: +43 7752 83763

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