ENNS. Bernd Pfleger verbrachte einen Monat – ausgestattet nur mit einem Messer – in der Wildnis. In einem spannenden Live-Event berichtet er erstmals in seiner Heimatstadt davon. Dort wird er auch sein dazugehöriges Buch präsentieren. Tips-Redakteur Norbert Mottas bat Bernd Pfleger zum Interview.
Tips: Sie haben ein Monat – nur ausgerüstet mit einem Taschenmesser und einer Kamera – in der Wildnis der Karpaten verbracht. Wie haben Sie sich auf dieses Abenteuer vorbereitet?
Pfleger: Ich habe mich über ein Jahr lang vorbereitet, wann immer es mein dichter Joballtag zugelassen hat: Mit intensiver Literatur über Survival-Techniken, Wildkräuter und Wetterkunde, sowie zwei Generalproben im Wienerwald. Dabei habe ich unter anderem das Feuermachen mit einem Feuerbogen trainiert, Laubhütten gebaut und essbare Pflanzen getestet. Mein Wissen als Biologe und Wildnis-Guide war natürlich eine sehr gute Basis, aber ich musste dennoch viele neue Fertigkeiten erlernen. Letztendlich glaubte ich alle nötigen Techniken parat zu haben. Leider ein großer Irrtum…
Tips: Sie haben auch auf Schlafsack und Zelt verzichtet. Wie haben Sie die Nächte verbracht?
Pfleger: In einer stockdunklen, engen Laubhütte, gebaut aus Ästen und isoliert mit Buchenlaub. Anfangs war es extrem kalt, und meine ersten Nächte waren geprägt von Zittern und Schlaflosigkeit. Mit der Zeit konnte ich die „Hütte“ immer besser isolieren, aber eine lange Schlechtwetterfront machte dann meine Bemühungen wieder zunichte.
Tips: Ein Foto zeigt Sie beim Verspeisen eines Regenwurms. War es schwer, die Ekelschwelle zu überschreiten?
Pfleger: Anfangs ja. Aber in der Wildnis zählt jedes bisschen Energie, und Würmer sind eine gute Proteinquelle. Mit der Zeit habe ich gelernt, solche Dinge pragmatisch zu sehen.
Tips:Auf dem Foto, das Sie mit „Es wird eng“ beschriftet haben, sieht man Sie stark abgemagert. Wie ist es Ihnen da gegangen?
Pfleger: Zu diesem Zeitpunkt war ich energetisch völlig ausgelaugt. Ich hatte inzwischen 17 Kilo verloren, und mein Körper zehrte an den Reserven. Ich konnte mich nur mehr langsam bewegen, redete langsamer, und dachte wohl auch langsamer. Gleichzeitig hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch einige der schönsten Momente meines Lebens. Die ich hier aber noch nicht verraten möchte..
Tips:War es schwer, ohne Kontakt mit anderen Menschen so viele Eindrücke zu verarbeiten?
Pfleger: Nein. Überraschenderweise nicht. Hier hat mir mein Tagebuch sehr geholfen. Mit Hilfe dessen konnte ich meine Gedanken, die mir im Kopf herumschwebten, niederschreiben und vergessen.
Tips:Welches Erlebnis bei Ihrem Abenteuer hat Sie am meisten bewegt?
Pfleger:Da es so eine herausfordernde Zeit war, hatte ich viele extrem bewegende Erlebnisse. Ein magischer Moment war beispielsweise eine Begegnung mit einer echten Wildkatze. Sie sah mich direkt an, bevor sie lautlos verschwand. Diese Begegnung mit einem so seltenen Tier in seiner natürlichen Umgebung zeigte mir die Zerbrechlichkeit und den Wert der Wildnis.
Tips:Hatten Sie auch einen Exit-Plan, etwa für den Fall einer schweren Verletzung?
Pfleger: Grundsätzlich machte ich mir natürlich Gedanken darüber, und versuchte mit einer guten Vorbereitung und einem vorsichtigen Verhalten das Risiko zu minimieren. Theoretisch wusste auch ein Nationalpark-Ranger wo ich ungefähr war. Praktisch hatte er scheinbar zwischendurch auf mich vergessen. Aber es war auch nicht Alaska oder Afrika, spätestens innerhalb eines Tages hätte ich die Zivilisation erreicht. Aber bei einem Beinbruch oder dgl. wäre es möglicherweise eng geworden.
Tips:Sie wollen auch auf den Raubbau und die Abholzungen im Nationalpark hinweisen. Wer ist dafür verantwortlich?
Pfleger: Einerseits natürlich die Regierungen in den osteuropäischen Ländern. Denn es ist vielerorts noch immer legal, Holz aus den dortigen Nationalparks zu holen. Obwohl sie inzwischen auch kaum mehr wilde Wälder haben und diese jetzt schützen müssten! Derzeit ist dieses Holz sogar oft ganz legal mit nachhaltigen Gütesiegeln wie dem FSC oder PEFC zertifiziert.
Letztendlich sind es aber wir Konsumenten in Mitteleuropa. Weil viele von uns möglichst billiges Holz, zum Beispiel in Form von Papier, Pellets oder Hackschnitzel, haben wollen. Und dieses kommt dann meist aus Osteuropa. Deswegen ist beispielsweise mein Buch auch auf einem, absurderweise deutlich teurerem, Recyclingpapier gedruckt.
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