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Zu Besuch im Rehkindergarten: Tamara Binder vom Tierheim Freistadt zieht elf Rehkitze auf

Mag. Susanne Überegger, 08.06.2021 15:45

FREISTADT. Mit sehr wenig Schlaf muss Tamara Binder vom Tierheim Freistadt auskommen. Die Expertin für verwaiste Wildtiere kümmert sich derzeit – neben anderem Getier – um elf Rehkitze, und das rund um die Uhr.

  1 / 5   Tamara Binder mit einem ihrer elf Reh-Schützlinge. Einen kleinen Fuchs zieht die Wildtierexpertin auch noch groß, außerdem jedes Jahr auch verwaiste oder verletzte Eichhörnchen- und Feldhasenbabys. Fotos: Überegger

Wenn Tamara Binder mit den Milchfläschchen kommt, herrscht helle Aufregung im Rehkindergarten im Tierheim Freistadt. Die Rehkitze drängen sich um ihre Ziehmama, alle haben Hunger und wollen die Ersten am Sauger sein. Elf verwaiste Rehe im Alter zwischen knapp über einem Monat und einer Woche hat die Wildtierexpertin des Tierheims momentan zu versorgen.

Viel Arbeit rund um die Uhr

„Evi, du hast schon was bekommen, jetzt ist die Cinderella dran“, sagt Tamara und gibt dem nächsten hungrigen Kitz seine Ration Ziegenmilch mit der Flasche, die im Rekordtempo ausgenuckelt wird. Alle zwei Tage holt Familie Binder gut 20 Liter frische Bio-Ziegenmilch von der Familie Sollberger in St. Peter. „Je älter die Kitze aber werden, desto mehr Milch brauchen wir“, sagt Tamara. Sind die Rehe noch ganz klein, wollen sie alle halbe Stunde ein paar Schlucke Milch trinken, später reicht dann eine Flasche alle zwei bis drei Stunden – auch nachts.

„Die Ziegenmilch wird im Wasserbad erwärmt und muss genau 39,5 Grad haben, sonst bekommen die Kitze Durchfall“, weiß Tierheim-Leiterin Karin Binder.

Heikle Rehlein

Die Flasche nehmen die kleinen Rehe nicht von jedem an. „Auch von mir nicht immer“, sagt Karin Binder, die das Füttern übernimmt, wenn Tamara bei der Arbeit ist. „Als meine Tochter noch zur Schule gegangen ist, musste ich sie oft in den Pausen abholen, damit sie den Kitzen die Flasche gibt. Ich habe ihr auch schon Rehe zum Füttern in die Arbeit gebracht“, lacht Karin Binder selbst über den Aufwand, den das Tierheim betreibt, um die Waisenkinder großzuziehen.

Jedes Kitz hat einen Namen

Die kleinen Rehe unterscheiden sich auf den ersten Blick bloß nach der Größe, und nur Ziehmama Tamara kann die elf Tiere auch auseinanderhalten. Jedes hat einen Namen bekommen.

Im Tierheim gelandet sind die Kitze aus verschiedensten Gründen: Die Mütter von zweien wurden überfahren, eines lag verletzt auf einem Hundeabrichteplatz, ein anderes vollkommen erschöpft vor einer Haustür, wiederum ein anderes ist beim Römerbergtunnel abgestürzt und eines wurde auf einer Straße liegend gefunden.

„Manche kommen mehr tot als lebendig bei uns an. Am Anfang wohnen die Rehkitze wie alle verwaisten Wildtierkinder, die zu uns kommen, bei mir im Zimmer“, betreut Tamara die oft geschwächten, kranken oder verletzten Tiere intensiv.

Auswilderung im Herbst

Drei, vier Monate lang bekommen die Rehe ihre Milchflaschen, fressen nebenbei schon Grünfutter und etwas frische Maulwurfserde, die für eine gute Verdauung sorgt. Wenn sich die Rehe gut entwickeln, können sie im Spätsommer oder Herbst wieder in die Freiheit entlassen werden. „Manche brauchen etwas länger, um ganz fit zu werden. Sie bleiben dann bis zum Frühjahr bei uns“, sagt Tamara.

Die Rehe werden, bevor sie nach Absprache mit der Jägerschaft ausgewildert werden, auf besondere Weise markiert. „Entweder mit Ohrmarken oder speziellen Halsbändern, die sie als handaufgezogen kennzeichnen. Die Rehe sollen schließlich nach dem großen Aufwand bei der Aufzucht einige Jahre verschont bleiben“, erklärt Tamara Binder.

Aufwachsen im Rudel

Auch wenn die Kitze eine menschliche Ziehmama haben, bleiben sie scheu und verhalten sich später, wenn sie ihrer Wege ziehen, auch wieder wie Wildtiere und meiden den Menschen. „Das ist dann der Fall, wenn die Kitze so wie bei uns im Rudel aufwachsen. Probleme kann es geben, wenn ein Rehbock als Einzeltier quasi auf der Couch großgezogen wird, wie es auch immer wieder vorkommt. Spätestens, wenn der Bock dann in die Brunft kommt, macht er wegen der Fehlprägung Probleme. Da kann es passieren, dass er Menschen als Artgenossen betrachtet und auf sie losgeht“, weiß Karin Binder zu berichten.

„Keine Rehkitze anfassen oder gar mitnehmen“

Wichtig ist Mutter und Tochter Binder auch, zu betonen, dass man niemals scheinbar verlassene Rehkitze, die gewöhnlich im hohen Gras auf die Rückkehr der Mutter warten, anfassen oder gar mitnehmen darf. „Findet man ein offensichtlich verletztes oder krankes Rehkitz, bitte immer zuerst Rücksprache mit dem zuständigen Jäger halten oder die Tierrettung informieren.“


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