Krankenstand als Protest: zehn Mitarbeiter gekündigt
WARTBERG. Weil sich einige Mitarbeiter der Firma technosert electronic GmbH überfordert, gemobbt und bedroht gefühlt haben, haben sie zu zwölft Krankenstand beantragt, um sich gegen die Zustände zu wehren.
Dass es für einen Dienstgeber natürlich ein Problem darstellt, wenn viele Mitarbeiter gleichzeitig ausfallen, liegt auf der Hand. Ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden - laut OÖN 250.000 Euro - wurde gemeldet. Zehn der zwölf Mitarbeiter wurden gekündigt, zwei kamen der Firma zuvor und kündigten von sich aus. Johannes Gschwandtner, Geschäftsführer der Firma, war auf Tips-Anfrage für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Laut anonymen Quellen (Namen der Redaktion bekannt) ging dem Protest-Krankenstand aber ein jahrelanger Leidensweg voran:
- „Androhung des Arbeitsplatzverlustes, wenn man nicht jeden Samstag „freiwillige“ Mehrstunden macht
- Kündigung von Abteilungsleitern, die sich den Mitarbeitern gegenüber „zu kollegial“ verhalten
- Junge Mütter, die nach der Karenz vom Büro in die Produktion „strafversetzt“ werden und denen verboten wird Pflegeurlaub zu nehmen, wenn das Kind krank ist (die Firma geht vor!)
- Mitarbeiter, die gegeneinander aufgehetzt werden (“wenn der XY keine Überstunden macht, dann musst du umso mehr herhalten“) - Mobbing!
- ältere Arbeitnehmer, die mit dem Leistungsdruck nicht mehr umgehen können, werden kurz vor der Pension einfach entsorgt
- nach zehn Stunden ausstempeln müssen, damit es zu keiner Arbeitszeitverletzungen kommt und trotzdem (gratis) weiterarbeiten müssen, damit man das Arbeitspensum schafft
- Fälschung von Dokumenten, um eine gesetzestreue Ankündigung der angeordneten Überstunden vorzutäuschen
- Die jungen Mütter mussten um 6 Uhr zum Schichtdienst antreten und auf persönliche Bedürfnisse (Kinderbetreuung!?!) wurde überhaupt keine Rücksicht genommen und bei jeder Gelegenheit mit Kündigung gedroht. Eine Frechheit ist, dass dieser Firma der Oberösterreichische Familienpreis verliehen wurde.“
Es handle sich bei den gekündigten Mitarbeitern großteils um junge Mütter, die sonst ihren Betreuungspflichten nicht mehr nachkommen hätten können. Im Bericht, der Tips aus anonymer Quelle per Mail zugeschickt wurde, heißt es weiters: „Der Umgang mit jungen Müttern ist dort schlicht haaresträubend und möglicherweise auch gesetzeswidrig – nur wer traut sich als junge, vielleicht sogar alleinerziehende Mutter, gegen diese Allmacht aus geldgeilen Managern und gut bezahlten Wirtschaftsvertretern anzukämpfen, wo man doch kaum einen Arbeitsplatz im Mühlviertel findet?“
Ohne Klage keine Chance
Einige Mitarbeiter wurden auch regelmäßig bei der AK vorstellig und baten in Bezug auf diese Firma um Hilfe. Auch die Betriebsräte versuchten in Absprache mit der Gewerkschaft ihr Bestes, um Wege zu finden, wie sie gegen diese Missstände angehen können. Aber ohne Klage vor Gericht sind allen hier die Hände gebunden. Von diesen Klagen wurde aber oft abgesehen, aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. „Entweder man lässt sich alles gefallen um seinen Arbeitsplatz im Mühlviertel zu erhalten oder man kündigt und staut sich jeden Tag nach Linz“, sagt der Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtete, dass er nach seiner Kündigung gerichtlich gegen die Firma vorging. „Am Anfang war noch alles familiär und die Zeit war gut. Gegen Ende meines Technosert Lebens wurde es aber immer ungemütlicher. Eine ältere Mitarbeiterin vor Pension wurde entsorgt und absolut niemand unter den Mitarbeitern hatte eine Erklärung dafür.“
„Wie sind zwölf Krankenstände möglich“
Dietmar Wolfsegger, Leiter der Wirtschaftskammer Freistadt, kenne den Fall nicht im Detail. Für ihn gäbe es da aber vor allem ein spannendes Thema: „Wie „einfach“ kommt man als Mitarbeiter zu einer Krankschreibung? Wie viel Zeit hat ein Arzt beziehungsweise kann sich ein Arzt nehmen, behauptete Krankheiten zu überprüfen? Dass die Anzahl von zwölf Krankschreibungen ein reiner Zufall ist, kann ich jedenfalls nicht ganz glauben.“
Krankenstände werden kontrolliert
Bezüglich der Krankenstände sagt Harald Schmadlbauer von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (OÖGKK): „Wenn es Hinweise gab, dass bei der Krankschreibung etwas nicht gestimmt hat, sind wir dem nachgegangen. Das ist immer der Fall so. Bei Krankschreibungen arbeiten wir eng mit den Ärzten zusammen, der Chefarzt ist involviert. Jeder Krankenstand beruht auf einer Krankschreibung und Behandlung. Wenn es da Auffälligkeiten gibt, begleiten wir das auch.“ Nähere Infos, auch zum aktuellen Fall, können aus Datenschutzgründen nicht genannt werden.
Betriebliche Gesundheitsförderung
Erst kürzlich wurde die betreffende Firma von der OÖGKK mit dem Preis „Betriebliche Gesundheitsförderung“ (erste Wiederverleihung) ausgezeichnet. Harald Schmadlbauer: „Meiner Meinung geht es hier eher um einen arbeitsrechtlichen Konflikt. Das Gütesiegel „BFG“ ist ein ganzheitliches Gütesiegel und ist für jedes Unternehmen maßgeschneidert. Es werden Mitarbeiter befragt und spezifische Themen behandelt. Es ist auch ein Zeichen dafür, dass sich die Firma professionell und nachhaltig mit Gesundheitsprojekten beschäftigt, es wird auch auf die psychische Gesundheit eingegangen. Natürlich kann es unabhängig davon vorkommen, dass Unzufriedenheiten bei den Mitarbeitern auftreten.“
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22.02.2018 18:39
Bekannte Machenschaft der Astera
Die machenschaften der beiden genannten hr schübl und diener kerbl sind bis nach kärnten bekannt .dort haben si in einem renommierten unternehmen die gleich vorgehensweise wie in den kommentaren bereits beschrieben wurde an den tag gelegt .dort wurden ma die eine eigene meinung hatten regelrecht hinausgeekelt .falschmeldungen wurden an den inhaber kommentiert.solchen betriebsoptimierern die nur auf die ma losgehen gehört das handwerk gelegt .das grösste potenzial schlummert in den köpfen der eigenen ma.und kann vom chef jederzeit abgefragt werden alles gute für die ma von technosert lg ehemaliger BR
21.02.2018 23:13
Erschreckend aber nicht überraschend
Und es bleibt nur die Hoffnung, dass Unrecht aufgedeckt wird und dass derartiges die Ausnahme bleibt. Den Betroffenen wünsche ich alles gute. Bleibt dran.
21.02.2018 01:53
Betriebsführung im Krieg?
Wie bedauerlich, dass sich Betriebsführer in einer überaus wichtigen, verANTWORTungsvollen Position halten können, die damit ganz offensichtlich ÜBERFORDERT sind! Weil ihre soziale Inkompetenz dem notwendigen partnerschaftlichen, fördernden Umgang mit ihren Mitarbeiter/inne/n im Weg steht, kämpfen sie mit Feindseligkeit und Drohungen GEGEN ihre Partner/innen - für ihr eigenes "Überleben"! - Ein klarer Machtmissbrauch!!! Zugleich sehen wir hier ein Beispiel der gewaltigen Schäden, die ungeeignete Vorgesetzte anrichten können... Vermutlich würde in JEDEM Konfliktfall ein Verzicht auf "Hierarchie" ("Obere" - "Unter"gebene) und eine Mediation oder eine moderierte Aussprache "auf Augenhöhe" die besten Ergebnisse FÜR alle Beteiligten UND den Betriebserfolg erwarten lassen! Wahrer Mut tut ALLEN gut...
16.02.2018 08:40
Jetzt kann man sich auch denken
welche Bedeutung die Auszeichnungen "Familienoskar" oder "Staatspreis Familienfreundlichster Betrieb" haben (https://www.technosert.com/unternehmen/auszeichnungen/) und warum es Firmen gibt, die es nötig haben mit solchen Auszeichnungen zu prahlen!
15.02.2018 21:11
Kein Wunder!
Mich wundert es nicht was diese Woche an das Tageslicht gekommen ist. Ich durfte, vor etwa 20 Jahren, Schüler von Herrn Gschwandtner sein. Von sozialer Wärme und großen Bemühungen des Vortragenden war da nichts zu merken. Was allein zählte war die Leistung. Man hatte große Angst, in der vorgegebenen Zeit, die schwierigen Aufgaben nicht lösen zu können. Der Elektronik-Sektor ist sicherlich ein sehr schwieriger und der Kostendruck aus den Billigländern ist sicherlich vorhanden. Vielleicht war es auch aus Sicht der Geschäftsführung eine Notwendigkeit so vorzugehen, um nicht in den Konkurs zu schlittern. Es ist nur sehr bedauerlich dass hier mit den Ängsten von Müttern, in einer arbeitsplatzarmen Region, gespielt wird, bzw. wurde.
15.02.2018 19:43
Auf der Technosert homepage findet man plötzlich keinen link mehr auf das "Team", insbesondere auf die Kontaktdaten der Geschäftsführung. Hier der link mit dem man trotzdem hinkommt: https://www.technosert.com/team/geschaeftsfuehrung/ Übrigens ist der Geschäftsführer Johannes Gschwandtner, T: +43 (0)7236 20900-101 johannes.gschwandtner[at]technosert.com
16.02.2018 08:40
Danke
Vielen Dank für Ihre Info, wir haben natürlich schon mehrmals versucht Hr. Gschwandtner zu erreichern. Er ist leider nicht für eine Stellungnahme erreichbar!
15.02.2018 10:46
Danke!
Da ich diesen "Vorfall" interessiert verfolge und von Beginn an eine Schilderung der "anderen", also der Arbeitnehmerseite schmerzlich vermisst habe, danke ich Ihnen allen - Betroffenen und Redaktion - dafür, dass Sie sich dessen angenommen und die Hintergründe aufgezeigt haben. Alles Gute!
15.02.2018 10:33
Liebe Tips Redaktion!
Herzlichen Dank! Ich habe schon befürchtet das sich niemand den Thema annimmt... Ich habe ein großes Nähe Verhältnis zu einem ehemaligen Mitarbeiter und kenne die Umstände dadurch dort sehr gut. Hoffentlich bleibt ihr am Ball...es lohnt sich!
15.02.2018 10:15
soziale & emotionale Intelligenz, wie Kompetenz ...
... fehlt da anscheinend bei den Herr- & Frauschaften in den Führungspositionen.
15.02.2018 10:06
Warum wohl haben in Österreich Unternehmer den Ruf Gauner zu sein? Weil sie es sind!
14.02.2018 22:11
Auch ich war dort...
Ich war ebenfalls dort beschäftigt und kann das alles nur bestätigen. Es war das letzte was da abging und auch ich würde öffentlich aussagen!
15.02.2018 09:04
Vielen Dank für Ihr Kommentar. Vielleicht können Sie sich per Mail bei mir unter r.wiesinger@tips.at melden. Natürlich vertraulich!
LG Regina Wiesinger
14.02.2018 21:13
Kündigungen Technosert
Als Gekündigter dieser Firma kann ich der anonymen nur zustimmen, und ich könnte noch "einige" Punkte hinzufügen, wie sie sich gegenüber meiner Person verhalten haben. Ich wünsche mir, dass sie da dran bleiben und die Wahrheit ans Tageslicht bringen. Denn die Meldungen der Wirtschaftskammer sind nicht richtig !!!!!!! Ich würde auch öffentlich sprechen. Ich habe mich auch bei der AK und Gewerkschaft schon dazu bereit erklärt.
15.02.2018 09:05
Vielen Dank für Ihr Kommentar. Vielleicht können Sie sich per Mail bei mir unter r.wiesinger@tips.at melden. Natürlich vertraulich!
LG Regina Wiesinger