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Bis zu 200 Patienten in fünf Stunden: Hofkirchner Ärztin schließt Kassenpraxis

Sabrina Lang, 19.09.2023 19:00

HOFKIRCHEN. Wenn die Hausärztin in einem Ort plötzlich ihre Arbeit niederlegt und ihre Praxis schließt, hat die Gemeinde akuten Handlungsbedarf. Dieses Szenario spielt sich gerade in Hofkirchen ab. Aus der Kassenstelle will Allgemeinmedizinerin Barbara Zinnebner-Seifried eine Wahlarztpraxis machen – und das nicht ohne Grund.

Barbara Zinnebner wird ihre Hausarzt-Praxis auf Wahlarzt umstellen. (Foto: privat)
Barbara Zinnebner wird ihre Hausarzt-Praxis auf Wahlarzt umstellen. (Foto: privat)

Überraschend kam die Schließung der Hausarzt-Praxis von Barbara Zinnebner-Seifried für viele Patienten sowie auch die Gemeinde selbst. In Zeiten, wo der Hausarzt-Beruf als Mangelware gilt, war dies keine positive Entwicklung. Die Ärztin wird ihre Praxis ab 1. Jänner als Wahlarztpraxis betreiben. Den Gedanken daran hätte sie schon seit längerem gefasst und im Juli fixiert. Die plötzliche Schließung war für die Ärztin keine einfache Entscheidung, sei aus gesundheitlichen Gründen allerdings notwendig gewesen. „Aufgrund mangelnder beziehungsweise nicht vorhandener Dauervertretung resultiert nun für alle Beteiligten diese unangenehme Situation einer nicht besetzten Kassenstelle mit den entsprechenden Nebenwirkungen. Derzeit bemühe ich mich um Vertretungskollegen und hoffe, zumindest wieder einen eingeschränkten Ordinationsbetrieb bereitstellen zu können“, sagt Zinn-ebner-Seifried.

Zwischen 70 und 200 Patienten

Die Ärztin war von April 2016 bis heuer als Kassen-Hausärztin in Hofkirchen tätig. Im Lauf der Zeit seien die Anforderungen an sie als Medizinerin immer größer geworden. 200 Patienten in 5,5 Stunden zu betreuen war bisher das Maximum, im Schnitt kommen an einem Vormittag innerhalb von 3,5 Stunden zwischen 70 und 120 Patienten in die Ordination.

Arbeit oft „quantitativ“

Zinnebner-Seifried erklärt, was in der Vergangenheit immer mehr zur Last für Ärzte wurde. Durch den Mangel aus Hausarztkollegen müssten mehr Wochenenddienste geleistet werden, was zu weniger Regenerationszeit führe. Zudem seien die Wochenendordinationsdienste laut Zinnebner-Seifried nur mangelnd entlohnt und auch die Leistungsdeckelungen der Krankenversicherung seien nach etlichen Jahren noch immer nicht aufgehoben worden. Zudem meint die Ärztin: „Zunehmende Patientenzahlen inklusive Vertretungspatienten zwingen einen Kassenarzt praktisch zu quantitativer Arbeit, da genau genommen kein Patient abgewiesen werden darf. Zunehmende Bürokratie und ausführliche Dokumentationspflicht erfordern immer mehr Zeitaufwand.“ Diese Punkte sowie die permanente Überlastung, der massive Patientenzustrom und die Tatsache, dass man als Arzt auch der Chef eines Unternehmens ist, sieht die Medizinerin für den Ärztemangel verantwortlich.

Unhöflich und aggressiv

„Bei zunehmender Patientenzahl sind diese nun sehr häufig fordernd, unhöflich und teilweise sogar aggressiv. Vermehrt kommen auch Patienten mit sogenanntem ,Pseudowissen aus dem Web und verlangen abwegige oder unnötige (zum Teil auch sehr teure) Untersuchungsverfahren oder Therapien. Auch sind leider zunehmend ,Bagatellwehwehchenin der Ordination, die in der Regel mit etwas Hausverstand leicht ohne Arzt auskommen“, stellt Zinnebner-Seifried klar. Zudem kritisiert sie, dass durch politische Willkür in das System und die Arbeitsweise der Ärzteschaft eingegriffen werde. Als Beispiel nennt sie die Informationspolitik in der Corona-Pandemie. „Das hat meines Erachtens der Ärzteschaft nicht gerade gut getan.“ Die Teuerungswelle, Inflation und steigende Personalkosten würden auch die Ärzte treffen. Eine Wahlarztpraxis wird für die Allgemeinmedizinerin Verbesserungen bringen. „Weniger Patientenaufkommen, da all jene wegfallen, welche nur ,Gratismedizin beanspruchen wollen. Der Patientenstrom ist leichter steuerbar, da es keine Verpflichtung für mich gibt, die mich zu einer Behandlung zwingt. Ich darf Privatleistungen in der Ordinationszeit anbieten. Es gibt keine Vorschreibung, wie oft und wie lange ich meine Ordination geöffnet haben muss. Keine Dienstverpflichtung mehr, keine Nachmittagsbereitschaften“, erklärt Zinnebner-Seifried.

Gute Aussichten auf neuen Kassenarzt

Und wie sieht Hofkirchens Bürgermeister Josef Gadermeier (ÖVP) die Ärzte-Situation in seiner Gemeinde? „Die Information, dass die Kassenpraxis geschlossen wird, kam für uns sehr überraschend und ist natürlich sehr schade. Jetzt waren alle Anstrengungen nötig, um einen neuen Kassenarzt zu bekommen, weil dies die Ärzteform ist, die die Leute haben wollen.“ Laut dem Ortschef „sehe es ganz gut aus“, dass Hofkirchen demnächst einen neuen Kassen-Hausarzt bekommen könnte. Eine Bewerbung liege bei ihm am Tisch, Details wollte der Bürgermeister aber noch nicht nennen.

Traumberuf: Ärztin

Zinnebner-Seifried wollte schon als Kind Ärztin werden, „weil dies ein sozialer Beruf ist, in welchem eine einzigartige Vielfältigkeit an Herangehensweisen an ein gesundheitliches Problem besteht. Man kann Patienten akut oder langfristig medizinisch versorgen, auch oft präventiv arbeiten. Es befriedigt ungemein, wenn man jemandem helfen oder die Person heilen konnte. Die Dankbarkeit und das entgegengebrachte Vertrauen einiger Patienten rettet mir so manchen schweren Arbeitstag.“

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