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Auf den Leib geschneidert: zu Gast in der Pielachtaler Dirndlwerkstatt

Michaela Aichinger, 22.02.2018 08:00

HOFSTETTEN-GRÜNAU. Sie hat keine Schneiderlehre absolviert, dennoch galt Anneliese Kaiser über das Pielachtal hinaus viele Jahre lang als die Dirndlschneiderin schlechthin. Mit Tips sprach die 67-jährige Pensionistin über ihre Dirndlwerkstatt im Besonderen und Tracht im Allgemeinen.

Foto: mai
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Betritt man die Dirndlwerkstatt von Anneliese Kaiser, weiß man sofort: man hat es mit einer Vollblut-Dirndlschneiderin und -kennerin zu tun. Dabei hat die Hofstettnerin nie eine Schneiderlehre absolviert. „Ich habe aber schon als Kind in der Schule gerne genäht“, erinnert sich Kaiser. Danach schloss sie eine Verkaufslehre ab, heiratete jung und wurde Mutter zweier Töchter. „Ich habe dann ganz viel für die Familie genäht, sogar einen Anzug für meinen Mann. Der wurde aber nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe“, schmunzelt die Pensionistin.

Winter-Trachtennähkurse

Es folgte ein Trachtennähkurs der Volkskultur Niederösterreich. „Ich wollte einfach wissen, wie man ein Dirndl richtig näht. Im Kurs lernte ich, Trachten zu nähen und Schnitte zu zeichnen. Ich habe dann selbst Winter-Trachtennähkurse für Bäuerinnen geleitet – jedes Jahr bis zu zehn Kurse in der gesamten Region“, erklärt Kaiser, die auch für eine Nähmaschinen-Firma im Verkauf tätig war.

Knapp 500 Dirndln genäht

2004 eröffnete die Pielachtalerin dann ihre Dirndlwerkstatt. „Ich kleidete ganze Vereine ein und erarbeitete mit verschiedenen Gemeinden eine eigene Tracht. Dabei schaute ich immer darauf, was es in der Region an Farben und Formen gab. Die Stoffe mussten aber variabel sein. Nicht jeder Frau passt das gleiche Rot oder Grün“, betont Kaiser, die ihren Kundinnen die Trachten immer auf den Leib geschneidert hat. Zwischen 30 und 40 Stunden nimmt die Arbeit an einem Dirndl mit Bluse in Anspruch, viel Zeit, wenn man bedenkt, dass die Pielachtalerin bisher zwischen 400 und 500 Dirndln – darunter natürlich auch Stücke für die eigene Familie – genäht hat. „Ein Highlight waren auch immer die Brautdirndln, die ich gemeinsam mit den Bräuten entwickelt habe, sowie die Arbeit am Elsbeerdirndl“, erinnert sich die Pielachtalerin.

Dirndltaler Festtracht

Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe entwickelte Kaiser auch die Dirndltaler Festtracht, die jedes Jahr von der Dirndlkönigin getragen wird. Diese Tracht geht der Dirndlschneiderin zufolge auf die Ötscherland Festtracht zurück. „Letztere ist von den Farbtönen her grün und braun. Die Dirndltaler Festtracht besteht hingegen aus einem grünen Rock und einem roten Oberteil, die die Farben des Dirndlstrauches widerspiegeln. Das Gelb der Dirndlblüte findet sich in der gold-rotgrün gestreiften Seidenschürze“, erklärt Kaiser. Zudem besitzt die Festtracht ein Schnürmieder. „Da kann man dann ein bisschen regulieren, ein Kilo mehr oder weniger sind somit nicht so schlimm“, schmunzelt Kaiser. Der Preis eines solchen handgefertigten Dirndls liegt bei 500 bis 550 Euro.

Wie trägt man Tracht?

Lange Jahre beriet die Pielachtalerin als Trachtenreferentin der Volkskultur auch Volkstanzgruppen und andere Vereine in Sachen Tracht. „Prinzipiell gibt es beim Tragen einer Tracht wenig Vorschriften. Man muss einfach ein Gefühl dafür haben. Es muss alles – auch das Zubehör – eine Qualität haben. Von Vorteil sind pro Dirndl jedenfalls zwei, drei verschiedene Schürzen für verschiedene Anlässe, denn beim Dirndl selbst steht keine Jahreszahl drauf und man kann mit den Schürzen etwas variieren“, erklärt Kaiser.

Industrie-Dirndln

Das Tragen von industriell gefertigten Dirndln sieht Kaiser gelassen. „Ich finde, es muss alles geben. Auch industriell gefertigte Tracht. Das ist eine ganz andere Kategorie. Das sind nicht die Kunden, die zu mir gekommen sind“, so die Pielachtalerin. Tracht stehe für hohe Qualität der Stoffe und der Verarbeitung. Vieles werde mit Hand genäht sowie maßgeschneidert. Seit sieben Jahren ist Kaiser in Pension. Langeweile dürfte nicht aufkommen: „Ich schneidere nach wie vor für meine Familie. Außerdem bin ich gerne mit meinem Mann im Wohnmobil unterwegs“, erzählt die Pielachtalerin abschließend.


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