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Versuchte Kindesentführung: Wenn die Angst vorm "Schwarzen Mann" plötzlich real wird

Olivia Lentschig, 12.03.2018 14:17

BEZIRK HORN. Ein Thema, das bewegt, schockiert, sprachlos macht: Innerhalb kürzester Zeit kam es im Bezirk zu zwei Zwischenfällen in denen Kinder auf ihrem Schulweg von einem Fremden aufgefordert wurden, zu ihnen ins Auto zu steigen (Tips berichtete). Glücklicherweise blieb es bei dem Versuch. Die Kinder konnten in beiden Fällen flüchten. Zurück bleiben eine tiefsitzende Angst und ein mulmiges Gefühl - bei Eltern ebenso wie bei Kindern. Kann man seine Kinder auf solche Vorfälle vorbereiten und wie kann man sie bestmöglich davor schützen? Tips hat sich dazu Experten-Ratschläge geholt.

Es ist nicht einfach, mit Kindern über diese Thematik zu sprechen, schließlich möchte und darf man ihnen keine Angst machen. Trotzdem ist es sinnvoll, Kindern diese Gefahr bewusst zu machen und ihnen wichtige Verhaltensweisen aufzuzeigen. Symbolfoto: Vowe

Vorbildhaft reagierte Direktorin Gabriele Winkelhofer (Volksschule Reinprechtspölla und Sigmundsherberg), die nach dem Zwischenfall in Burgschleinitz auf die fachkundige Unterstützung von Polizeibeamten setzte. „Die Sachlage von uniformierten Respektspersonen erklärt bekommen macht auf die Kinder einen ganz besonderen und bleibenden Eindruck“, weiß die diplomierte Pädagogin und informierte im Zuge dessen auch sofort die Eltern mittels Info-Brief.

Es ist nicht einfach, mit Kindern über diese Thematik zu sprechen, schließlich möchte und darf man ihnen keine Angst machen. Trotzdem ist es sinnvoll, Kindern diese Gefahr bewusst zu machen und ihnen wichtige Verhaltensweisen aufzuzeigen.

Sensibilisieren ohne Panikmache

Erwin Eisenhauer, Chefinspektor des Bezirkspolizeikommandos Horn, liefert wichtige Verhaltensweisen zum Thema: „Die Empfehlungen wurden seitens des kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes von erfahrenen Kriminalbeamten, die hauptberuflich in der Prävention tätig sind, ausgearbeitet.“

Den Namen des Kindes nicht sichtbar an Kleidung/Schultasche anbringen. So könnten Fremde eine unerwünschten Vertraulichkeit herbeiführen.

Kind soll immer den abgesprochenen Schulweg gehen und möglichst pünktlich sein. Dabei als Vorbildwirkung stets kommunzieren, wohin Sie gehen, wie Sie erreichbar sind und an wen es sich wenden kann, falls Sie nicht erreichbar sind.

Präventive Maßnahmen um Kinder bestmöglich zu stärken 

  • Kind, wenn möglich, immer gemeinsam mit anderen Kindern auf den Weg schicken. 
  • Sich gemeinsam mit dem Kind nach „Rettungsinseln“ umschauen: Geschäfte, Arztpraxis, Lokale etc. wo sich Ansprechpartner finden. 
  • Kind verständlich machen, dass es unter keinen Umständen mit fremden Personen mitgehen darf. 
  • Klarstellen, dass das Kind immer verständigt wird, wenn es von jemand anderem abgeholt wird. Sagen Sie, dass Sie niemals Fremde schicken, um es abzuholen. Für den Notfall besteht auch die Möglichkeit mit dem Kind ein „Codewort“ zu vereinbaren.
  • Kinder müssen zu Fahrzeugen immer Abstand halten – so weit weg, dass es vom Autofenster aus nicht angefasst werden kann.
  • Kind erklären, dass es auf den Zuruf einer fremden Person nicht hören muss und dass es nicht unhöflich ist, wenn es weitergeht. 
  • Kinder sollen fremde Personen immer mit „Sie“ ansprechen. Damit bemerkt auch das Umfeld, dass das Kind die Person nicht kennt. 
  • Kind soll die Notrufnummer 133 kennen und wissen, dass es auch ohne Geld/Guthaben (auch vom Handy) die Polizei verständigen kann. 
  • Kind vermitteln, dass es den Eltern alle Erlebnisse und Gefühle anvertrauen kann.

Das Wichtigste ist, sensibel und mit Fingerspitzengefühl heranzugehen. Angst schüren und Panik verbreiten muss um jeden Preis vermieden werden. Sinnvoller ist es, den Kindern Rüstzeug zu geben, um möglichst stark und selbstbewusst auf unerwartete Situationen reagieren zu können. Die Erfahrung zeigt, dass altersgemäß informierte, emotional starke und selbstbewusste Kinder besser vor Gefahrensituationen geschützt sind als ängstliche, unsichere Kinder. Sachliches Sprechen über mögliche Gefahren und darüber, was sie selber tun können, schützt und stärkt Kinder und gibt ihnen Selbstvertrauen. Kinder brauchen aber auch regelmäßige Wiederholungen der Verhaltensregeln – sachlich und ermutigend. Sie sollten immer wieder Möglichkeiten haben, Lösungen für Probleme zu finden, auszuprobieren und somit Schwierigkeiten zu meistern.

Kinder schützen heißt Kinder stärken

Kinder müssen Vertrauen zu Menschen aufbauen können und trotzdem die nötige Vorsicht an den Tag legen. So ist es hilfreich, dem Kind zu erklären, dass andere Menschen – Kindern gegenüber – grundsätzlich nett und hilfsbereit sind, dass es aber „einzelne“ Ausnahmen gibt und man deshalb auch vorsichtig gegenüber Fremden sein muss.

Mut zum „Nein“

Ein weiterer Punkt ist, dass Kinder lernen, Gefahren zu erkennen. Dass sie lernen, wie sie diese vermeiden können und wissen, wie sie für ihre Grenzen einstehen können. Kinder sollen sich gegen Grenzverletzungen behaupten und wehren dürfen: mit Worten, Mimik, Gestik, Auftreten und einem klar formulierten „Nein“.

Gefühlen vertrauen

Kinder müssen im Alltag erfahren, dass ihre Gefühle ernst genommen werden, es keine falschen Gefühle gibt und sie ihren Gefühlen vertrauen können. Wichtig ist, darüber zu sprechen, dass es nicht feige ist, Angst zu haben, wegzulaufen oder sich Hilfe zu holen.

Schlechte Geheimnisse

Ein Kind soll von Beginn an vermittelt bekommen, dass es seinen Bezugspersonen alle Erlebnisse erzählen kann. Auch und gerade jene, die ihm seltsam oder beängstigend vorkommen. Dazu ist es nötig, sich Zeit zu nehmen um mit dem Kind über Erlebnisse und Sorgen zu sprechen. So erhält man einen Eindruck, welche Probleme es bereits erfolgreich gemeistert hat und kann ausgiebig loben.

Selbstbewusstsein stärken

Kinder müssen lernen, sich selbst und ihre Umgebung wahrzunehmen, einen eigenen Willen zu haben und ihrer Einschätzung zu vertrauen – und das können sie besser, wenn sie auch mal auf sich alleine gestellt sind und sich ohne Beobachtung der Eltern testen und ausprobieren können. Indem wir ihnen das ermöglichen, beugen wir schon vielen Gefahren vor, denn so fallen sie aus der typischen „Opferrolle“ heraus: dem unsicheren, unselbständig wirkenden Kind.

Fakt ist, wir können unsere Kinder nicht in den „goldenen Käfig“ sperren und sie vor allen Gefahren bewahren. Je älter ein Kind wird, desto selbstständiger möchte es werden – den Weg zum Bäcker, zur Schule oder zu Freunden will es irgendwann alleine meistern. Und auch wenn man als Eltern dabei manchmal ein mulmiges Gefühl hat, so ist es wichtig, ein Stück weit loslassen zu können – und damit das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken.

IM AKUTFALL

  • Wenn Ihr Kind von einem Vorfall berichtet, bei dem es von einer fremden Person angesprochen und sogar bedrängt wurde,gilt es Ruhe zu bewahren: dem Kind vermitteln, dass es jetzt sicher ist und loben, dass es sich direkt an Sie gewandt hat. 
  • Dem Kind aufmerksam zuhören, ohne nachzubohren oder Vorhaltungen zu machen (sollte es die Situation falsch verstanden haben) 
  • Über den Notruf 133 sofort die Polizei verständigen. 
  • Eine eigenständige Verbreitung des Vorfalles über Soziale Medien ist für die polizeiliche Arbeit nicht immer sehr hilfreich.
  • Dem Kind niemals mit der Polizei drohen (die sperren dich ein, wenn du schlimm bist) damit es sich im Anlassfall vertrauensvoll an Polizisten wendet.

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