Gemeinsam für ein Ziel: Linz packt für Flüchtlinge aus der Ukraine an
LINZ. Ein Gefühl von unbeschreiblicher Zusammengehörigkeit erfährt man aktuell im ehemaligen Betten Reiter auf der Landstraße. Der Verein „Support Ukraine Now Upper Austria“ sammelt hier Spenden für die Ukraine. Ganz egal wer man ist, welchen Beruf man ausübt – wer hier mithilft, hat das gleiche Ziel: den unzähligen unschuldigen Menschen in und aus der Ukraine zu helfen. Auch Tips-Redakteurin Nicole Dirnberger hat mitangepackt.
Eine blonde, ältere Frau kommt herein, sie möchte etwas abgeben. Sie drückt mir zwei Windelpackungen in die Hand und beginnt zu weinen: „Ich habe selber nicht so viel und kann deshalb nicht so viel geben, aber das ist, denke ich, das Nötigste, was gebraucht wird.“ Ich bin sprachlos, ein Kloß bildet sich in meinem Hals. „Danke, damit können Sie auf jeden Fall weiterhelfen“, bekomme ich heraus, während ich mit den Tränen kämpfe.
Einsatz im Sammellager an der Landstraße
Ich will mithelfen und befinde mich deshalb in der Landstraße 113 in Linz, im ehemaligen Betten Reiter. Eine Linzerin, die immer wieder in Amerika lebt, gehört das Haus und hat dem Verein „Support Ukraine Now Upper Austria“ die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, um für die unzähligen Menschen Spenden zu sammeln, die ihr Hab und Gut aufgrund des Ukraine-Krieges zurücklassen mussten. In den großen Räumen ist es kalt, der Putz bröckelt von den Wänden und überall türmen sich Spendenkisten. Es bleibt gerade noch ein Gang frei zum Gehen, in meinem Fall um mit dem Rollstuhl durchzufahren. Peter, der Lagerchef, bringt mich zu den anderen, hauptsächlich sind es Frauen, die mitanpacken. Gemeinsam mit ihnen werde ich den restlichen Tag Spenden sortieren und in Kisten verpacken. Dabei lerne ich Jaqueline kennen. Sie arbeitet schon seit der Früh mit. „Hier bekommen wir die Spenden rein. Wir machen dann alles auf, schauen uns an, was drinnen ist und sortieren dann in die einzelnen Kisten um. Wir sortieren dabei so genau wie möglich. Also nicht einfach Hygieneartikel zusammen, sondern zum Beispiel die ganze Zahnpasta zusammen, die Zahnbürsten extra und so weiter“, erklärt sie.
Alle haben ein gemeinsames Ziel: zu helfen
Ich sehe sieben Frauen, die Kisten neu zusammenstellen, Schlafsäcke so klein wie möglich zusammenrollen. Jede hat eine Beschäftigung, arbeitet vor sich hin und es dauert nicht lang, bis Peter auch vor mir eine Kiste abstellt: „Schau jetzt hast du auch eine Arbeit.“ In der Kiste befinden sich allerlei Lebensmittel. Konservendosen, Süßigkeiten, Reis, Nudeln, ich sortiere alles aus und um. Wenn ich nicht weiter weiß, ist sofort Hilfe zur Stelle. Gesprochen wird Deutsch und Englisch. Die Helfenden stammen aus Polen, Weißrussland, der Ukraine und – wie ich – aus Linz. Die Berufe reichen von der Studentin bis zur Mitarbeiterin einer Kultureinrichtung. Auch warum sie helfen wollen, ist unterschiedlich. Eines ist aber immer gleich: Sie wollen alle mitanpacken und gemeinsam etwas für die Ukraine und die zahlreichen unschuldigen Menschen tun, die ihr Zuhause verlassen mussten. Der Umgang untereinander ist freundlich, jeder ist per Du, man versteht sich. Die Stimmung ist gut, gar nicht gedrückt, wie ich es erwartet hätte. Spannend, denke ich, hier ist es plötzlich ganz egal, woher man kommt, wer man ist, welchen Beruf man ausübt und welche Titel man hat. Was zählt, ist das gemeinsame Helfen. Fragt sich nur, warum das nicht immer so sein kann.
Die ersten Flüchtlinge kommen an
So gut die Stimmung gerade noch war, so ruhig wird es einige Zeit später. Eine Familie kommt herein, zwei Kinder, vielleicht zwei und sechs Jahre alt, und zwei Erwachsene. Schnell wird klar: Sie wollen keine Spende abliefern, sie brauchen eine. Die Kinder wirken von der Situation überfordert, den Eltern kommt ein dankbares Lächeln über die Lippen. Was haben sie wohl die letzten Stunden durchmachen müssen? Wie müssen sie sich fühlen? Als mir später beim Aussortieren ein Sackerl Lollies unterkommt, kehren meine Gedanken zurück zu den Kindern. Die Hilflosigkeit macht mich traurig, denn ein Zuhause kann niemand ersetzen. Das Kisten packen geht weiter. Wie viele Zahnbürsten und Zahnpasta ich an diesem Tag schon in der Hand hatte, kann ich längst nicht mehr beziffern. Plötzlich muss alles schnell gehen. Hektik bricht aus – und durchaus auch ein bisschen Chaos. Der Lkw steht bereit zum Beladen, er soll heute noch in Richtung ukrainischer Grenze losfahren. Die Kisten werden auf eine Palette gepackt und ab geht“s damit zum Lkw. Die Räume werden leer, selbst mit dem Rollstuhl kann ich uneingeschränkt herumfahren.
Ich komme wieder
Es ist schon spät, mir ist kalt und ich beschließe, meine Sachen zu packen. „Danke dir für deine Mithilfe“, verabschiedet sich Peter von mir. „Hoffentlich sehen wir uns die Tage wieder“, höre ich schon halb am Fahren. Ja, bestimmt. Denn ich bin wahnsinnig froh, so tolle Menschen kennengelernt zu haben und es erfüllt mich mit großer Freude, meinen Beitrag leisten zu können, um Notleidenden zu helfen.
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