
LINZ. „Herr Müller, Sie haben akute Leukämie. Das zeigt sich so... und wir werden jetzt Folgendes machen...“ Auch wenn dem Arzt die Heilung seines Patienten das Wichtigste ist, wird Herr Müller vermutlich beim Wort Leukämie ausgestiegen sein. Um die patientenzentrierte Kommunikation im Gesundheitswesen auf ein neues Level zu heben, haben erstmals vier Ärzte in Linz einen Lehrgang in Gesprächsführung absolviert.
Die Lösung klingt banal, ist für den Patienten aber so wichtig: Die Diagnose sacken lassen zu können. „Eine Pause von 20, 30, 40 Sekunden zu machen, bis der Patient reagiert. Denn das ist doch das Entscheidende, wie es ihm damit geht“, weiß Ansgar Weltermann. Leiter des Tumorzentrums am Ordensklinikum Linz: „Diese Pause einzuhalten, ist für uns Ärzte aber extrem schwierig, weil wir helfen wollen, aber wenn ich einfach weiter rede, würde der Patient das nicht wahrnehmen.“
Erlernbare Fertigkeiten
Neben Weltermann haben noch zwei Ärzte vom Ordensklinikum und einer von den Barmherzigen Brüdern den Trainerlehrgang von Gesundheit Österreich absolviert, um ihr Wissen auch an Kollegen weiterzugeben. Der erfahrene Onkologe ist sich sicher: „Wenn man Ärzte fragt, ob sie gut kommunizieren, werden über 90 Prozent sagen, ja natürlich, aber es ist nicht so.“ Er selbst hat erkannt, „nicht wie viel ich falsch gemacht habe, aber wo ich Potenzial habe, etwas zu verändern. Nicht weil ich nicht versuche, auf Patienten einzugehen, sondern weil mir diese Fertigkeiten gefehlt haben, Gespräche besser zu führen.“
Ein Arzt führt in seinem Leben etwa 400.000 Gespräche mit Patienten. Nicht immer sind es Bad News, oftmals versucht man nur zu erklären, warum ein Medikament einzunehmen ist. Eine Studie hat jedoch ergeben, dass ein Viertel der Patienten Schwierigkeiten hat, zu verstehen, was der Arzt sagt. Ein Drittel hat Probleme, eine Entscheidung zu treffen, wenn der Arzt Möglichkeiten aufzeigt. „Wir Ärzte neigen dazu, unsere Patienten mit Informationen zuzuschütten, ohne nachzufragen, was angekommen ist“, erklärt Weltermann: „Eine einfache Möglichkeit gegenzuchecken wäre, den Patienten zu bitten, das Gesagte in eigenen Worten noch mal wiederzugeben. Man wird Situationen erleben, wo der völlig was anderes erzählt, obwohl ich mir als Arzt dachte, dass ich das so toll erklärt habe.“ So würden allein in der Anwendung mit Medikamenten viel weniger Fehler passieren.
Patient aktiv miteinbeziehen
Natürlich habe ein Gespräch zwischen Arzt und Patient immer auch etwas mit Empathie zu tun, die sei schwer zu erlernen, was man aber lernen kann sind Fertigkeiten, die einem helfen, dass ein Patient sich auch eingebunden fühlt. So hat sich der Onkologe seit dem Lehrgang angewöhnt, den Patienten zu fragen, was er sich denn vom heutigen Gespräch erwartet. „Und dann sage ich ihm, was ich erwarte und dann einigen wir uns gemeinsam, was wir besprechen.“ Gerade auf die Verbindung von patientenorientierter versus krankheitsorientierter Perspektive laufe es schließlich hinaus. Denn das eine ist nicht wichtiger als das andere.
Das sei auch im hektischen Gesundheitsalltag umsetzbar, so Weltermann: „Wenn ich weiß, ich habe für ein Gespräch nur zehn Minuten Zeit, dann sage ich das dem Patienten und dass wir uns gerne ein Folgegespräch ausmachen können. Das ist für den Patienten akzeptabel, gerade wenn das Wartezimmer voll ist.“
Verpflichtende Fortbildung
Dass die patientenzentrierte Kommunikation ein Bestandteil des Studiums ist, sei wichtig, noch wichtiger sei aber das Danach. „Denn wenn ein junger Arzt in ein Spital kommt und dort lernt, wie das in der Routine läuft, wird der das Gelernte schnell an den Nagel hängen.“ Für Weltermann ein richtiger Weg wäre, Kommunikation und Gesprächsführung zu einem verpflichtenden Qualitätskriterium in regelmäßigen Fortbildungen zu machen: „Warum nicht zwei Tage in zwei Jahren dezidiert diesem Thema widmen. Schließlich gehört das ja zu unserem Alltag.“