LINZ. „Stellen Sie sich vor, Ihnen läuft ein Haustier zu, das sie eigentlich nicht wollen. Man ist überrascht und versucht es loszuwerden. Erst später versteht man, dass es bleiben wird. Man beginnt sich mit ihm zu arrangieren und darauf einzustellen. Irgendwann hat man gelernt, damit zurecht zu kommen.“
So, oder so ähnlich vergleicht Simone Retschitzegger, Klinische- und Gesundheitspsychologin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen den Krankenpflege-Schülern kurz zusammengefasst den Prozess, den Patienten mit chronischen Erkrankungen durchmachen.
Jede Art von chronischer Erkrankung ist für Patienten eine Herausforderung, auf die jede ganz unterschiedlich reagiert. Gemeinsam ist die Verunsicherung von der Betroffene nach der Diagnose erfasst werden, wenn plötzlich vieles infrage gestellt wird und der Alltag oft neu gestaltet werden muss. Die Klinische Psychologie kann dabei viel Positives leisten. „Wir haben es eigentlich überwiegend mit chronisch Erkrankten zu tun“, erklärt Retschitzegger „und meistens mit der gleichen Frage: Wie kann es jetzt weiter gehen?“
Krebs tödliche Krankheit - stimmt nicht
Krebs, zum Beispiel, ist in den Köpfen vieler Menschen immer noch eine tödliche Krankheit, was heute aber so nicht mehr stimmt. Neueste Therapieformen und die individualisierte Medizin haben aus früher unheilbaren Krankheiten heute chronische gemacht. In Gesprächen geht es darum, mit den Menschen Wege zu finden, wie man trotzt einer solchen Erkrankung qualitätsvoll leben und den Alltag damit bewältigen kann.
Fokus auf Ressourcen
Mit der Diagnose fokussiert sich der Betroffene oft ganz stark auf die Krankheit. Ähnlich des Lichtstrahls einer Taschenlampe richtet sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Erkrankung und die damit einhergehenden Anforderungen und Belastungen.
Krankheit sollte nicht dominieren
„Genau hier versucht die Klinische Psychologie anzusetzen. Wir helfen, dass aus dem engen Lichtstrahl ein Lichtkegel wird, der eine größere Fläche ausleuchtet und auch die anderen Aspekte des Lebens wieder sichtbar macht. Die Krankheit ist zwar da, aber sie sollte nicht ausschließlich unsere Wahrnehmung dominieren“, meint Retschitzegger und verweist wieder auf den Vergleich mit dem zugelaufenen Haustier. „Wenn einem ungewollt ein Haustier zuläuft, dann wird unser Leben plötzlich stark von diesem in Beschlag genommen. Es will gefüttert werden, macht Mist und braucht Auslauf. Das bremst unser bisheriges Leben ordentlich ein. Wir müssen uns nach den neuen Gegebenheiten richten. Je besser wir die Bedürfnisse des neuen Mitbewohners verstehen lernen, umso einfacher wird es, miteinander zu leben.“ Und so gilt das auch für das Leben mit einer chronischen Erkrankung. Je mehr wir darüber informiert sind, je mehr Strategien wir zur Verfügung haben, damit umzugehen, umso besser lebt es sich damit.
Sich auf das Gute konzentrieren
Vielen Patienten hilft es, wenn sie gemeinsam mit den Psychologen auf Bereiche und Fähigkeiten aufmerksam gemacht werden, die trotz Einschränkungen durch die Erkrankung weiter gut funktionieren. Die Gespräche fokussieren immer auf die Ressourcen, die den Patienten zur Verfügung stehen. Ein Mensch mit rheumatoider Arthritis zum Beispiel kann zwar in seiner Beweglichkeit eingeschränkt sein, sich aber dennoch kompetent erleben in seinem beruflichen Alltag.
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