
LINZ. Die erste Erinnerungsstele für jüdische Opfer des Nationalsozialismus in Linz wurde im Mai 2022 aufgestellt, mittlerweile sind es im Stadtgebiet 22 Stelen. Dazu zählen auch die fünf neu errichteten Erinnerungszeichen. Eine weitere Neuerung ist die Veröffentlichung von Kurzbiographien der Opfer auf www.stadtgeschichte.linz
Fast unübersehbar steht die Stele aus Messing am Linzer Hauptplatz 27, nahe dem Durchgang zur Domgasse. Auf ihr sind Namen eingraviert, neben jedem der Namen lädt eine Klingel dazu ein, sie zu betätigen. Unterschiedliche Töne erklingen - aber niemand öffnet die Türe, denn die Namen gehören geflüchteten oder ermordeten Opfern des Nationalsozialismus.
Aufwendig recherchierte Kurzbiographien
Mit dieser Idee ist dem Künstler Andreas Strauss eine berührende Art des Erinnerns gelungen. Damit auch die Geschichten hinter den Namen sichtbar werden, hat die wissenschaftliche Kuratorin des Projekts Verena Wagner die Biographien der jüdischen Flucht- und Shoa-Opfern unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen recherchiert. Für ihre Recherchen reiste sie für Interviews mit Überlebenden in die USA und nach Israel und forschte für die Biographien in zahlreichen Archiven, etwa in Tschechien. Die ersten 33 Kurzbiographien wurden bereits veröffentlicht.
Die Online-Biographien seien ein wichtiger Projekt-Baustein, der nun hinzugekommen ist, meint Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz. „Wir haben zu dem Projekt auch von anderen jüdischen Organisationen positive Rückmeldungen bekommen“, sagt Herman, auch „Zweifler“ seien mittlerweile überzeugt worden.
Fünf neue Stelen in Linz
Die fünf neuen Stelen mit den Namen von insgesamt 50 NS-Opfern befinden sich bei der Rudolfstraße 27, der Bismarckstraße 3, der Landstraße 44, im Hessenpark Ecke Volksfeststraße und wie bereits erwähnt am Hauptplatz 27. Die neu errichteten Stelen erinnern an dreißig ermordete Juden, davon 17 Frauen und 13 Männer, die meisten starben in Vernichtungs- und Konzentrationslagern.
Familienauslöschung und Flucht-Opfer
Ganze Familien wurden ausgelöscht, wie etwa das Ehepaar Emil und Martha Fränkel mit ihren zwei Töchtern oder Leo und Eugenie Borger mit Sohn und Tochter. Auch ältere Ehepaare oder verwitwete Elternteile sind unter den Opfern. Deren Kindern war noch die Flucht gelungen - der verzweifelte Versuch, die Eltern nachzuholen wurde mit dem Ausbruch des Krieges zur Unmöglichkeit. Manchen Familien gelang die Flucht: zwanzig geflohenen Personen wird auf den fünf neuen Stelen gedacht. Manchen, wie Basch und Rubinstein gelang die Flucht gemeinsam, anderen wie Mautner und Kren getrennt.
BFI OÖ-Gedenktafel: zwei Namen kommen ebenfalls auf Stelen
Die nächsten 20 Stelen seien bereits sicher, verrät Herman, zwei Namen dafür stehen auch bereits fest: Hekler und Zimmermann. Bereits gestern wurde eine Gedenkinschrift an der Fassade des BFI OÖ-Gebäudes enthüllt, die an die zwei Familien und ein großes Unrecht erinnert: das Warenhaus von Hekler und Zimmermann wurde 1938 enteignet und ein Jahr später liquidiert. Dorothea Zimmermann und Heinrich Hekler wurden in Konzentrationslagern ermordet, Emil Chaim Zimmermann verstarb auf der Flucht.
Klingeln gemeinsam mit voest-Lehrlingen gefertigt
Am Projekt waren und sind eine Vielzahl an Personen und Organisationen beteiligt. Der Start fiel 2019 mit einem Auftrag des Linzer Gemeinderats an die Direktion Kultur und Bildung sowie die Abteilung Linz Kultur für Linzer Erinnerungszeichen. Der Künstler Andreas Strauss entwickelte und fertigte gemeinsam mit Lehrlingen des Ausbildungszentrums der voestalpine die Klingeln.
Die als Ersatz produzierten Klingeln wurden teilweise an die Nachkommen der Familien auf den Stelen geschenkt, so Strauss zu Tips. Eingebunden war auch das Zeitgeschichtemuseum der voestalpine, das den NS-Zwangsarbeitern der damaligen Hermann Göring-Werke gewidmet ist. Das Stadtarchiv Linz war bereits in die Vorbereitungsarbeiten involviert, enger Austausch erfolgte auch mit der Israelitischen Kultusgemeinde Linz.