LINZ/OÖ. Soziallandesrat Christian Dörfel (ÖVP) spricht im Tips-Interview über Unterstützungsangebote in der Pflege und wie diese in Zukunft auf mehreren Säulen aufgebaut sein sollen.
Tips: Wie ist die aktuelle Pflegesituation in Oberösterreich?
Christian Dörfel: Die Pflegesituation ist gut. Aufgrund der alternden Gesellschaft ist es natürlich eine Herausforderung für die Zukunft, aber das Betreuungs- und Pflegeangebot in Oberösterreich passt zu den Familienstrukturen. In einzelnen Bezirken gibt es Wartelisten, die dem Fachkräftemangel oder Umbauten geschuldet sind. Grundsätzlich bekommt aber jeder die gute Pflege, die er braucht. Das Alten- und Pflegeheim ist schließlich nur ein Teil der Betreuung. Besonders wichtig sind die pflegenden Angehörigen, die einen Großteil der Pflege übernehmen.
Tips: Wie viele Menschen beziehen derzeit Pflegegeld?
Dörfel: Wir haben etwa 70.000 Bezieher von Pflegegeld der Stufen 1 bis 7, von denen 16.000 das ganze Jahr über in Alten- und Pflegeheimen betreut werden. Rund 20.000 Menschen werden zu Hause von mobilen Diensten betreut. Sie benötigen keine Rund-um-die-Uhr-Pflege. 5.500 Personen nehmen eine 24-Stunden-Pflege in Anspruch. Der Großteil der Pflegegeldbezieher nimmt jedoch keine öffentliche Hilfe in Anspruch.
Tips: Wie werden pflegende Angehörige unterstützt?
Dörfel: Unser Ziel ist es, Angehörige einerseits darauf vorzubereiten, was auf sie zukommt, und sie andererseits zu unterstützen und zu entlasten. Dies soll in Zukunft noch wesentlich verbessert werden. Es gibt Betreuungs- und Beratungsangebote, die von den Heimen oder von mobilen Diensten ausgeführt werden und eine wesentliche Unterstützung für pflegende Angehörige darstellen. Zudem versuchen wir, die Tagesbetreuung weiter auszubauen und möglichst viele Kurzzeitpflegeplätze zu schaffen.
Tips: Welche Möglichkeiten werden pflegebedürftige Menschen in Zukunft haben?
Dörfel: Die Pflege der Zukunft wird auf vier Säulen beruhen. Die erste Säule ist die häusliche Pflege, da es der Wunsch der Menschen ist, den Lebensabend in den eigenen vier Wänden oder zumindest in vertrauter Umgebung zu verbringen. Die zweite Säule wird die sorgende Gemeinschaft sein. Das bedeutet, dass wir die Gesellschaft so gestalten müssen, dass ältere Menschen eine gute Lebensqualität in den Gemeinden haben. Hier gibt es bereits viele Organisationen und Angebote, die jedoch noch besser vernetzt werden müssen. Die dritte Säule ist das Seniorenwohnen, das wir ausbauen werden. Es umfasst Pflege im Bedarfsfall, bei der zum Beispiel mehrere Personen von einer 24-Stunden-Kraft betreut werden. Das Modell „Vitales Wohnen Plus“ richtet sich an Personen mit einem höheren Betreuungsaufwand oder Pflegebedarf. Diese Einrichtungen befinden sich in der Nähe von Alten- und Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen. Die Bewohner werden hier mitversorgt, beispielsweise mit Essen. Die vierte Säule ist das Alten- und Pflegeheim. Hier werden wir die Vorteile der Digitalisierung nutzen, zum Beispiel in Form der Telemedizin. Die Bewohner müssen für Untersuchungen nicht mehr zwangsläufig ins Krankenhaus. Die Untersuchungen sollen durch Fachkräfte, die von Ärzten angeleitet werden, direkt im Heim stattfinden. Ein derartiges Modell gibt es bereits im Seniorenzentrum Liebigstraße in Linz in Zusammenarbeit mit den Elisabethinen. Vorteile sind die bessere Planbarkeit für die Ärzte und das Heim und dass die Bewohner den Stress vermeiden, ins Krankenhaus fahren zu müssen.
Tips: Sie betonen, dass Eigenverantwortung und Vorbereitung eine große Rolle spielen.
Dörfel: Älter werden heißt nicht zwangsläufig, pflegebedürftig zu werden. Und pflegebedürftig zu sein, heißt nicht zwangsläufig Alten- und Pflegeheim. Das muss aus den Köpfen herausgebracht werden. Es gibt zahlreiche Angebote, die einen Lebensabend in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Dazu gehört, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und es nicht zu verdrängen. Das meine ich mit Eigenverantwortung. Das durchschnittliche Eintrittsalter in Altersheime beträgt 85 Jahre. Wenn man mit 65 Jahren in Pension geht, hat man 20 Jahre Zeit, um die eigene Wohnung beispielsweise altersgerecht und barrierefrei zu gestalten. So kann man möglichst lange in der gewohnten Umgebung bleiben, sofern der persönliche Gesundheitszustand dies zulässt. Tagesstätten sind ein zusätzliches Instrument, um der Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken. Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass Einsamkeit Demenz fördert, während Gemeinschaft Demenz hinauszögert.
Tips: Was empfehlen Sie Personen, die plötzlich Pflegebedarf haben?
Dörfel: Die besten Informationen erhalten sie in unseren Sozialberatungsstellen. Wir haben 66 solcher Stellen quer über das ganze Land verteilt. Zusätzlich gibt es bei jedem Magistrat und jeder Bezirksverwaltungsbehörde eine Koordinatorin für Pflege und Betreuung. Sie hat eine Schlüsselfunktion und übernimmt die Rolle einer Drehscheibe. Auch die Gemeinden sind Ansprechpartner. Geplant ist ein transparentes Leitsystem im Sinne eines One-Stop-Shops, das Betroffene und deren Angehörige frühzeitig und gezielt zu passenden Angeboten führt. Zentrale Anlaufstellen und eine Betreuungs- und Pflege-Informationsplattform sollen Orientierung geben und pflegende Angehörige unterstützen. Es ist notwendig, dass die Pflege sowohl für den Einzelnen leistbar als auch für die öffentliche Hand finanzierbar ist. Der teuerste Pflege- und Betreuungsplatz ist im Alten- und Pflegeheim.
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