Studentenverbindung Melk: Cervisius und Hammerschmied über das Leben im Turm
MELK. Im nächsten Jahr feiert die zum Mittelschüler-Kartellverband zählende Melker Schülerverbindung „Nibelungia“ ihr 100-jähriges Bestehen. Deutschnationale Burschenschaften bringen sie und andere Schüler- und Studentenverbindungen immer wieder in Verruf. Die Mitglieder der Melker Nibelungiae lehnen rechtsextremes Gedankengut ab. Tips traf die zwei „Alten Herrn“ Dominik Myczkowski und Bastian Donabauer zum Gespräch.
„Bei uns hätte und hat so etwas nichts verloren“, versichert Dominik Myczkowski auf die antisemitischen Texte im Liederbuch der Wiener Neustädter Burschenschaft „Germania“ angesprochen. Dem prominenten Germania-Mitglied Udo Landbauer, FPÖ-Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen 2018, kostete das Liederbuch die politische Karriere. Immer wieder sorgen Burschenschaften mit deutschnationaler Gesinnung für Schlagzeilen. In ein schiefes Licht geraten mit ihnen meist auch andere studentische Verbindungen. „Wir sind regelmäßig Vorurteilen ausgesetzt“, bedauert Bastian Donabauer. Der 18-Jährige ist derzeit „Senior“, so bezeichnen die Mitglieder ihren Obmann, der Nibelungiae. „An die unschönen Zurufe auf der Straße, vor allem in Wien, habe ich mich mittlerweile gewöhnt“, erzählt Donabauer über Anfeindungen, wenn er sich etwa mit einem Band, das am Oberkörper getragen wird, und einer Mütze, dem sogenannten „Deckel“, offen als Verbindungsmitglied zu erkennen gibt. In Österreich können grob zwei Verbindungstypen unterschieden werden: deutschnationale schlagende und christlich/katholische nicht-schlagende Verbindungen. Der Melker Myczkowski ist seit seinen frühen Teenagerjahren Mitglied der Nibelungiae. Sie ist eine katholische, nicht-schlagende, aber Farbe tragende Schülerverbindung. „Unsere Farben sind Rot, Weiß und Gold“, lässt Myczkowski wissen. Die traditionellen Farben deutschnationaler Burschenschaften sind Schwarz-Rot-Gold. „Das führt leicht zu Verwechslungen“, macht der 29-Jährige aufmerksam. Rot stehe für die Liebe, Weiß für den reinen Sinn und Gold für die Treue, klärt ein Liedtext der Nibelungiae, die sogenannte „Burschenstrophe“, auf. Anfeindungen hat auch Myczkowski schon viele erlebt. Im vergangenen Sommer wurden er und seine Freunde einer Wiener Verbindung in der Hauptstadt tätlich angegriffen. „Wir sind nicht deutschnational, wir sind katholisch. Aber es wird oft nicht unterschieden“, so der Melker. Mediale Aufmerksamkeit haben er und seine Freunde nach dem Übergriff vermieden. „Das schürt nur noch mehr Hass“, so der Unternehmer, der auch Kritik an Journalisten übt: „Manchmal werden wir bewusst mit Burschenschaften in einen Topf geworfen. Das sorgt für bessere Schlagzeilen.“ Die Anfänge studentischer Vereinigungen liegen im 19. Jahrhundert. Auseinandersetzungen zwischen deutschnationalen und katholischen Studenten gab es in der Geschichte immer wieder. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die 1919 von einem Stiftspater gegründete Nibelungia verboten. Heute gibt es rund 250 Nibelungen, die sich den vier Prinzipien Religio (Bekenntnis zum katholischen Christentum), Patria (Bekenntnis zum souveränen und demokratischen Rechtsstaat Österreich), Scientia (Eintreten für Bildung und Wissenschaft) und Amicitia (Bekenntnis zur lebenslanger Freundschaft) verschrieben haben. Die für Außenstehende unter Umständen befremdlich anmutenden Bräuche und Traditionen der Verbindung haben ihre Ursprünge zum Teil im Mittelalter. Gelebt werden diese unter anderem hinter den alten Gemäuern des sogenannten Melker Nibelungenturms, der seit 1990 das Vereinslokal – vornehmlich „Bude“ genannt – beherbergt. Die Bauarbeiten am neuen Zubau beim Turm neigen sich dem Ende zu. In Bälde können dort „Kneipen“ gefeiert und Vorträgen gelauscht werden.
„Nicht wie ein Fußballverein“
„Ich wurde von Schulkollegen gefragt, ob ich nicht einmal mit in den Turm schauen möchte“, erzählt der Präsenzdiener Donabauer über seinen ersten Kontakt zur Nibelungiae. Aus dem Schauen wurde ein Bleiben. Ähnlich erging es Myczkowski, den die „Gespräche auf Augenhöhe zwischen Jung und Alt“ zum „Fuchs“ (Probemitglied) und dann zum „Bursch“ (vollberechtigtes Mitglied) werden ließen. Auch ein Eid musste abgelegt werden. Mitglied ist man aus Sicht der Nibelungen im besten Fall bis zum Tod. Ein Wiedereintritt nach einem Austritt ist nur sehr schwer möglich. „Das ist nicht wie bei einem Fußballverein“, so der 19-Jährige. Donabauer und Myczkowski haben die Matura abgelegt und dürfen sich mittlerweile „Philister“ beziehungsweise „Alte Herren“ nennen. „Alte Damen“ sucht man in der Nibelungia allerdings vergebens. Nur junge Männer, die eine Ausbildung mit Maturaabschluss absolvieren und ihren Lebensmittelpunkt in Melk haben, können eine Verbindungslaufbahn in der Nibelungiae einschlagen. Myczkowski verweist auf die Tatsache, dass Frauen früher nicht studieren durften und erklärt deren Ausschluss historisch bedingt. Immer wieder sei die Aufnahme von Frauen intern diskutiert worden, eine Mehrheit für einen derartigen Beschluss gab es bisher jedoch nicht. „Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich eine Frauenverbindung gründet“, halten die beiden fest und betonen, dass bei vielen ihrer Veranstaltungen Frauen zugegen sind. Die bei Feierlichkeiten von Verbindungsmitgliedern getragenen Säbel sind stumpf. Anders als bei schlagenden Burschenschaften, wird mit ihnen nicht gekämpft. „Diese Tradition entstammt einer Zeit, in der sich Studenten zu Verteidigungszwecken bewaffnen durften“, erklärt Myczkowski, der unter den Nibelungen auch als Cervisius (“Herr des Bieres“) bekannt ist. Bei der Vereidigung bekommen die Verbindungsmitglieder Coleurnamen. „Die Decknamen dienten früher dem Schutz der Mitglieder, etwa auch in der Zeit des Nationalsozialismus“, weiß Donabauer – alias Hammerschmied.
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