Ibrahim Alnajar kam 2016 als Flüchtling nach Melk, heute frisiert er Paul Scharner
MELK. Ibrahim Alnajar ist angekommen – 2015 in Österreich und nun als Unternehmer in der Melker Altstadt. Hinter ihm liegt Unbeschreibliches. Tips hat den einstigen Flüchtling und jetzigen Geschäftsmann in seinem frisch eröffneten Friseur-Salon in der Linzer Straße besucht – dort wurden übrigens auch schon Ex-Nationalteamspieler Paul Scharner die Haare gestutzt.
Ibrahim Alnajar wurde nicht in Österreich, einem der friedlichsten und sichersten Länder der Welt geboren. Er kam in einem kriegsgebeutelten Land zur Welt, dem Irak. Seit 2003, dem Jahr des zweiten Irakkrieges – damals stürzten US-Truppen und Verbündete Diktator Saddam Hussein, es kam zu einer Besetzung bis 2011 – kamen im Irak laut Statista mehr als 200.000 Zivilisten ums Leben. So wurden etwa im Jahr 2015 mehr als 17.000 zivile Todesopfer verzeichnet, 2017 waren es 13.000.
Sprung aus dem zweiten Stock
Ibrahim und seine Familie gerieten in die Wirren der machtpolitischen Auseinandersetzungen. „Ich hatte gerade meine letzte Prüfung geschrieben, war am Weg nach Hause, als mich Milizsoldaten aufgriffen und mitnahmen“, erzählt der 26-Jährige, der im Irak eine Marketing- und Frisör-Ausbildung absolviert hat. Was dann passiert, ist unvorstellbar. Ibrahim wird geschlagen, gefoltert. Als sich die Chance bietet, zu entkommen, nutzt er sie. Ibrahim springt aus dem zweiten Stock. Trotz gebrochenem Bein gelingt ihm die Flucht. Am rechten Ohr ist er seit jenem Tag taub.
„Du musst weg“
„Mein Vater hat dann gesagt: 'Du musst weg.'“ Wenige Tage später sitzt er mit seinem Bruder in einem Schlepper-Lkw Richtung Österreich. „Welchen Weg wir genommen haben, weiß ich nicht. Wir hatten kein Handy, keine Papiere – die Schlepper haben uns alles abgenommen. Wir mussten auch viel Geld bezahlen“, erzählt der junge Frisör und merkt an: „Aber wir hatten Glück, wir waren nur vier oder fünf Tage unterwegs. Meine Eltern und meine Schwestern, die sich einige Wochen später auf den Weg machten, haben einen Monat gebraucht.“
In einer Zelle
In Österreich angekommen, geht er zur Polizei, verbringt einen Tag in einer Zelle in Wien. Dann kommt Ibrahim ins Erstaufnahmezentrum Traiskirchen (das Zentrum wurde kürzlich von FP-Innenminister Herbert Kickl in 'Ausreisezentrum' umbenannt; Anm.). „Und wieder hatte ich Glück, ich musste nur einen Tag in Traiskirchen bleiben.“ Von dort geht es weiter in eine Flüchtlingsunterkunft nach Kärnten – all das geschah im Jahr 2015.
Ein Melker Löwe
Heute schneidet der Iraker Männern und Kindern die Haare im eigenen Frisör-Studio, das er Anfang April in Melk eröffnet hat. „Ibo“ hat er seinen Salon getauft – denn so nennen ihn auch seine Vereinskollegen vom SC Melk, die ihn 2016 als neuen Löwen begrüßen durften. Seit Anfang des Jahres kickt er nun auch an der Seite von Ex-Nationalteamspieler Paul Scharner. „Der hat sich bei mir auch schon die Haare schneiden lassen“, erzählt Ibo lächelnd und betont: „Der SC Melk hat mich nach meinem Ankommen sehr unterstützt.“
Ohne Kurs
Deutschkurs hat Ibrahim übrigens bis heute noch keinen absolviert. „Ich habe mir das selbst beigebracht. Einen Kurs darf man erst machen, wenn man einen positiven Asylbescheid bekommt. Als ich den 2017 bekam, konnte ich es schon“, erklärt Ibrahim – in perfektem Deutsch.
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