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Pfarrer als Brückenbauer zwischen den Kulturen

Michaela Aichinger, 11.01.2017 10:30

OBER-GRAFENDORF/WEINBURG. Emeka Emeakaroha ist Pfarrer in Ober-Grafendorf und Weinburg. 1995 kam er von seiner Heimat Nigeria nach Österreich. Mit Tips sprach er über seine Erfahrungen und sein Leben „zwischen“ zwei unterschiedlichen Kulturen.

  1 / 3   Pfarrer Emeka Emeakaroha unterstützt Kinder in Nigeria im Rahmen eines Patenschafts-Programmes. Foto: Emeakaroha

„Nach meiner Kindheit und Jugend in einem nigerianischen Dorf bin ich nach Österreich gekommen, um an der Philosophisch Theologischen Hochschule in Sankt Pölten zu studieren. Der Unterschied war gewaltig. Es war jedoch kein Schockerlebnis, sondern ein spannendes Erlebnis, so als ob ein vierjähriges Kind auf einmal die große Stiftskirche von Melk betritt“, erinnert sich Emeakaroha.

Ankunft in einer Großstadt

Von einem kleinen Dorf sei er 1995 in eine moderne Stadt gekommen. „In Wien hat mich niemand abgeholt. Ich bin mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Sankt Pölten gefahren. Begonnen hat das Staunen gleich im Autobus, der mit zehn Personen besetzt war und losgefahren ist. In Afrika muss ein Bus voll sein, damit er abfahren darf. In Österreich arbeitet man eher nach der Uhrzeit. Es wäre für uns unsinnig, mit halb vollem Bus zu fahren“, so der Pfarrer, der noch von zahlreichen kulturellen Unterschieden berichten kann.

Sparsam mit Worten

So saß der Geistliche etwa einmal mit sechs Menschen in einem Zugabteil. „Ich habe mit meinem Kollegen geplaudert, die restlichen vier Leute haben nichts miteinander geredet. Das war für mich verunsichernd und ich habe auch zu reden aufgehört. Ich dachte, es sei verboten, im Zug zu sprechen. Ich habe nicht verstanden, dass es möglich ist, dass vier Leute auf engstem Raum zusammen sind, ohne einander etwas zu fragen. In Österreich ist man sparsam mit Worten.“

„Schwarze Partei“

Einmal habe Emeakaroha auch von einer Veranstaltung gelesen, die von der“Schwarzen Partei“ – also von der ÖVP – organisiert wurde. „Ich habe mich zuerst gefreut, dass es in Österreich eine Partei gibt, die sich aus „Schwarzen“ zusammensetzt, musste mir dann aber erklären lassen, dass diese nichts mit Afrikanern zu tun hat“, schmunzelt der Pfarrer. Und es habe noch viele kleine Missverständnisse gegeben, die nach und nach aufgeklärt worden seien.Auf Einladung der Pastoralen Dienste begann Emeakaroha, über die „Erfahrungen eines Afrikaners in Österreich“ zu sprechen. Bald wurde der Geistliche gebeten, seine Vorträge als Buch zu veröffentlichen. Dies sollte eine Integrationshilfe darstellen – für Afrikaner und für Österreicher.

„Handbuch der Begegnung“

„Heute hat sich mein Buch fast zu einem Handbuch für die Begegnung zweier unterschiedlicher Kulturen entwickelt“, freut sich Emeakaroha. Der Erlös aus dem Buchverkauf geht an soziale Projekte. So hat der Pfarrer ein Patenschafts-Programm entwickelt, mit dem Kindern aus armen Familien in Nigeria der Schulbesuch ermöglicht werden soll. „Die materielle Not macht es noch heute in Nigeria für viele Familien unmöglich, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Bildung ist jedoch der Schlüssel im Kampf gegen Armut und Elend. Pateneltern können mit einer Summe von 100 Euro pro Jahr einem Kind den Schulbesuch für ein Jahr ermöglichen“, erklärt Emeakaroha. Über ihn können die österreichischen Pateneltern mit ihren Patenkindern auch in Kontakt treten. „Die Pateneltern erhalten ein Foto vom Kind, den Namen, die Adresse. Ich reise auch mehrmals im Jahr nach Nigeria und kann dem Kind Geschenke mitbringen. Im Gegenzug erhalten die Pateneltern auch eine Kopie der Zeugnisse des Kindes. Im Rahmen einer Kulturreise im Sommer – einer Begegnungsreise – besteht auch die Möglichkeit, die Kinder vor Ort zu besuchen und kennen zu lernen“, erklärt der Pfarrer, der derzeit gemeinsam mit Pateneltern und anderen engagierten Menschen eine Vereinsschule errichtet. Ziel sei es, dass möglichst viele Kinder ein Grundwissen erhalten.

Kultureller Brückenbau

Durch die Patenschaften entstehen Emeakaroha zufolge auch meist Freundschaften. „Das ist eine unglaubliche Brückenbau-Arbeit. Beiderseits fällt die Hemmung und man kann einander ohne Vorbehalte begegnen“, so der Pfarrer. Wichtig sei es auch, die Menschen vor Ort zu unterstützen. „Wenn sie zu Hause eine Chance sehen, dann steigen die Leute nicht in ein Boot und überqueren unter Lebensgefahr den Ozean. Die Lebensbedingungen in Afrika sollten so gut sein, dass die Menschen zumindest zweimal überlegen müssen, ob sie wirklich in eine ungewisse Zukunft aufbrechen wollen“, unterstreicht Emeakaroha.In den Energieferien und im August reist der Pfarrer nach Nigeria. „Heimat bleibt Heimat. Der Abschied von Nigeria fällt mir immer schwer. Aber Österreich ist für mich wirklich eine zweite Heimat geworden“, so Emeakaroha. Negative Erfahrungen würden sich auch sehr in Grenzen halten. „So mancher Polizist konnte es nicht glauben, dass auf meinem Ausweis vor meinem Namen einige Titel stehen, und hat das extra kontrolliert, aber mir ist nichts Boshaftes passiert“, betont er. Als Pfarrer in Ober-Grafendorf und Weinburg sei er sehr gut eingebunden.

Integrationsbotschafter

Seit fünf Jahren ist Emeakaroha auch als Integrationsbotschafter im Einsatz und hält Vorträge oder Podiumsdiskussionen. Dabei hebt er auch die Bedeutung der Sprachkenntnisse hervor: „Der erste Schlüssel, der Tore in Österreich aufsperren kann, ist die Sprache, auch die Mundart. Außerdem muss man in Österreich aktiv auf die Menschen zugehen und den Kontakt zu ihnen suchen“, so Emeakaroha. Und er kann hier auch ein klares Vorbild abgeben, ist er doch Österreichs erster ausgebildeter Feuerwehrmann afrikanischer Herkunft.

Vertrauensvorschuss

Wie soll das Gastgeberland auf Menschen, die nach Österreich kommen, reagieren? „Wichtig ist es, den Menschen einen kleinen Vertrauensvorschuss zu geben. Niemand ist perfekt, es lohnt sich für alle Seiten, aufgeschlossen zu sein“, meint Pfarrer Emeakaroha abschließend.

Weitere Infos:

www.emeka.at


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