Klima Aktivismus weltweit - Von Sekundenkleber und Todesangst

Johanna  Pauls Gastautor Johanna Pauls, 19.04.2023 08:36 Uhr

Die „Letzte Generation“ hat mit ihren Klebeaktionen in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit erregt. Diese radikale Form des Protests ist in anderen Ländern undenkbar.

In den letzten Jahren haben sich immer mehr Menschen weltweit dem Kampf gegen den Klimawandel angeschlossen. Spätestens seit Greta Thunbergs Fridays for Future Bewegung hat sich das Thema Umweltschutz vom uncoolen Thema aus der Mottenkiste zu einem der polarisierendsten Themen unserer Gesellschaft entwickelt - und das weltweit. 

Knapp die Hälfte der EU-Bürgerinnen, 49 Prozent, sind laut Eurobarometer unzufrieden, mit den Maßnahmen, die ihre Regierung bisher in Sachen Umweltschutz ergriffen hat. Sie finden, dass der Staat nicht genug für den „grünen Wandel“ tue. Das ist besonders interessant, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass die Auswirkungen des Klimawandels bisher vor allem im globalen Süden, und nur sehr begrenzt in der EU, spürbar sind. Der im Rahmen der Weltklimakonferenz veröffentlichte Bericht „Finance for Climate Action“ schätzt, dass die Schwellenländer im globalen Süden bis ins Jahr 2030 Gelder in Höhe von rund 2,4 Billionen Euro benötigen, um Auswirkungen des Klimawandels aufzuhalten. 

Sekundenkleber als Protestform 

Hierzulande haben die Aktionen von Fridays for Future, Extinction Rebellion und der „Letzten Generation“, im Volksmund gerne auch als „Klimakleber“ bezeichnet, bisher für die meiste Aufmerksamkeit gesorgt. Das bevorzugte Mittel der Protestform: Superglue, also Sekundenkleber. Es wurde sich auf der Linzer Waldeggstraße, vor der Grazer Oper und auf diversen Straßen der Hauptstadt festgeklebt. 

Während der Begriff Klimakleber in Österreich bereits jetzt als heißer Kandidat für das Unwort des Jahres gelten dürfte, ist an eine solche Art des Protests in anderen Ländern kaum zu denken. Globaler politischer Aktivismus findet heute nicht mehr ausschließlich auf der Straße statt. Während Demonstrationen und Sitzblockaden weiterhin einen Kernteil aktivistischer Arbeit ausmachen, kommt der Verbreitung von Inhalten im Internet mittlerweile ebenso ein hoher Stellenwert zu. Botschaften werden in Form von Online-Petitionen oder Postings auf Social Media geteilt und die User so niederschwellig erreicht. Die mit Abstand am meisten polarisierende Aktivismus-Methode ist jedoch das Festkleben mit Sekundenkleber an öffentlichen Orten. Erst im Februar klebte sich der deutsche Klima-Aktivist Hennig Jeschke, Mitgründer von „Letzte Generation“, während seiner Anhörung im Gerichtssaal fest - und wird schlussendlich inklusive Tisch aus dem Saal gebeten.

Diese Methode des Aktivismus hat in der Gesellschaft massive Kritik hervorgerufen. Oft werden die Aktionen mit dem Argument der Fremd- und Selbstgefährdung bei den Blockaden verurteilt. Die Aktivisten verteidigen die radikale Form des Protests mit der Begründung, dass ungewöhnliche Taktiken wichtig seien, um die Bevölkerung auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen und politische Veränderungen zu bewirken. Wichtig ist jedoch, zu beachten, dass die, umgangssprachlich als „Klimakleber“ bezeichneten Aktionen nicht die einzige Methode des Umwelt- und Klimaaktivismus sind. Besonders außerhalb Europas ist an eine solche Art des Protests aufgrund von staatlicher Repression kaum zu denken. 

So funktioniert Klima Aktivismus außerhalb Europas 

Ähnlich wie mit jeglichen anderen Arten des Aktivismus wie beispielsweise dem Kampf um Frauenrechte im Iran oder jene in Hongkong müssen Aktivisten in autoritären Staaten stets eine andere Art des Gegenwinds befürchten als hierzulande. Dabei gehen sie nicht selten persönliche Risiken ein, die ihr Leben gefährden. Doch betrachtet man die mediale Berichterstattung zur Klimabewegung, wird dem nur selten Augenmerk geschenkt. 

In einem Bericht der „Zeit“ aus dem Jahr 2021 werden vier Aktivisten aus Mali, Chile, Pakistan und den USA porträtiert. Sie erklären unter anderem, dass sie wegen ihres Aktivismus um ihr eigenes und das Leben ihrer Familie fürchten. Fousseny Traoré, Aktivist aus Mali, erklärt, dass sich in Westafrika aktivistisch mit deutlich anderen Problemen beschäftigt würde, als in Europa. Als er begonnen habe, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, sei er aus dem Freundeskreis zunächst skeptisch beäugt worden, weil Klima Aktivismus ein europäisch-westliches Problem sei und in Mali nicht existent. 

Tatsächlich ist es jedoch der globale Süden, der bereits seit Jahren unter Jahrhundertfluten, Dürren und sterbenden Gewässern zu leiden hat. Doch in einem Land wie Mali, das bis Ende letzten Jahres als gefährlichstes Einsatzgebiet der deutschen Bundeswehr galt, muss auf andere Protestformen umgestiegen werden. Statt Sekundenkleber werden Plakate verwendet, Demonstrationen seien gänzlich verboten, Einschüchterungen seitens der Polizei an der Tagesordnung.

Was Traoré beschreibt, ist ein sehr anders Bild von Klima Aktivismus, als jener, wie wir ihn in Österreich und den Nachbarländern mitbekommen. Doch selbst wenn man über die Verwendung von Sekundenkleber als Aktionsform denken mag, was man möchte, stellt sich die Frage, welche Protestform nun die radikalere ist und ob diese nicht letztendlich zu Gesprächen und Diskussionen führen, die einen ebenso einen wichtigen Bestandteil der Bemühungen um Klima- und Umweltschutz bilden.

 

 

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