Thomas Bernhard und die Ohlsdorfer: Eine schwierige Beziehung wird verfilmt
OHLSDORF. Wie geht es den Ohlsdorfern heute – über 25 Jahre nach seinem Tod – mit dem Vermächtnis ihres berühmtesten Mitbürgers? Gehörte der Literat, der sich einen Bauernhof kaufte und in seinen Pass „Landwirt“ eintragen ließ, je wirklich dazu? Zwei Filmemacher wollen sich dem Phänomen Thomas Bernhard auf ungewöhnliche Weise nähern.
Ö1-Journalist David Baldinger stammt selbst aus Ohlsdorf wuchs im Nachbarhaus des berühmten Schriftstellers auf. Gemeinsam mit Matthias Greuling (“Wiener Zeitung“) möchte er im Kinofilm „Der Bauer zu Nathal“ der Frage auf den Grund gehen, wie man mit Bernhards Erbe in dessen einstiger Heimatgemeinde Ohlsdorf umgeht: Gehörte er hier wirklich dazu – ob als gefeierter Schriftsteller oder als einfacher „Bauer zu Nathal“? Oder blieb er trotz reger Teilnahme am Gemeindeleben nicht doch immer ein Sonderling? Und wie wird der berühmte Bewohner heute gesehen?
„Der gehört auf den Misthaufen!“
Dieser Thematik nähern sich die beiden Regisseure vor allem über zwei Protagonisten: Einerseits Josef Fürtbauer, ein glühender Bernhard-Verehrer und als ehemaliger Kirchenwirt auch im vielfachen persönlichen Kontakt mit dem Literaten. Und andererseits Josef Windischbauer: Er ist jener Ohlsdorfer, von dem der prägnante Satz: „Der gehört auf den Misthaufen!“ stammt, der anlässlich Bernhards Tod in einer ORF-Dokumentation zu hören war. „Die beiden sind Freunde, und wir folgen ihnen im Film auch dabei, wie sie Thomas Bernhard besser kennen lernen“, erzählt Matthias Greuling. So begleiten die beiden Journalisten Fürtbauer und Windischbauer auch zu einer Burgtheater-Vorstellung von „Der Ignorant und der Wahnsinnige“.
Bernhard-Kenner am Wort
Zu Wort kommen in „Der Bauer zu Nathal“ aber auch Schauspieler, die im Rahmen der Gmundner Festwochen interviewt wurden und Bernhards Halbbruder Peter Fabjan, der über das Bernhard-Haus spricht, ebenso wie die Ohlsdorfer Bürgermeisterin Christine Eisner. Einblicke in sein umfangreiches Bernhard-Archiv erlaubte Ignatz Hennetmair: Der Immobilienhändler vermittelte Bernhard sein Ohlsdorfer Domizil in Obernathal und war mit ihm ein Jahr lang eng befreundet, ehe man sich rettungslos zerstritt. „Wir haben in hohem Alter noch mit ihm sprechen können“, so Greuling.
Nicholas Ofczarek liest Bernhard-Texte
Insgesamt gibt der Film Einblick in die Lebensumgebung des Dichters, der sein Schaffen zu einem Großteil auch aus diesem generiert hat: „Der Bauer zu Nathal“ ist „kein Film über Thomas Bernhard, sondern über uns und unsere Lebensumgebung, die entscheidend dazu beiträgt, wie wir leben und was wir schaffen“, so die Regisseure.
Mittlerweile ist „Der Bauer zu Nathal“ zu 80 Prozent abgedreht, die Fertigstellung ist für kommendes Jahr geplant: „Wir freuen uns sehr, dass Nicholas Ofczarek für uns einige Bernhard-Texte lesen wird. Die Drehtage dafür finden wahrscheinlich im April statt“, kündigt Matthias Greuling an.
Crowdfunding soll den Filmschnitt finanzieren
Was allerdings noch vor den beiden Regisseuren liegt, ist der teure Filmschnitt. Unterstützung erhoffen sie dabei nicht von Förderstellen, sondern vom künftigen Publikum: Mittels Crowdfunding wollen sie das fehlende Budget von 12.000 Euro auftreiben. Ein Filmtrailer ist bereits online (siehe unten).
Premiere in Ohlsdorf geplant
Die Regisseure hoffen, den Film bis zum Sommer fertigstellen zu können. Einer der Premierenorte steht bereits fest: das Ohlsdorfer Mezzo, das auch im Film eine Rolle spielt.
Infos zur Crowdfundingkampagne
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