Was die Lebenshilfe Oberösterreich in 55 Jahren erreicht hat und noch erreichen will
OÖ/VÖCKLABRUCK/ANSFELDEN. Die Lebenshilfe Oberösterreich wurde 1969 gegründet und ist seither ein Sprachrohr für Menschen mit Beeinträchtigung. Anlässlich ihres 55. Geburtstages betonen die Vertreter der Lebenshilfe erneut ihre wichtigste Forderung: Gehalt statt Taschengeld.
Die Lebenshilfe wurde vor 55 Jahren aus einer Elterninitiative als Verein gegründet. Heute ist es eine landesweite soziale Organisation, die als Stimme für Menschen mit Beeinträchtigung dient und für diese Personen Wohnräume und Arbeitsplätze bietet. Dabei arbeitet die Lebenshilfe OÖ mit Firmen verschiedener Branchen zusammen.
Über 100 Standorte werden mittlerweile von der Lebenshilfe OÖ betreut - anfangs herrschte in den Wohnhäusern und Werkstätten noch ein erzieherischer Ansatz, heute wird bei der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigung versucht, größtmögliche Selbstbestimmung zu ermöglichen. Einen weiteren Erfolg verzeichnet Lebenshilfe-Präsident Stefan Hutter in der gesellschaftlichen Akzeptanz und Inklusion: „Menschen mit Beeinträchtigung werden nicht mehr so schief angeschaut wie früher. Das ist ein Erfolg und unser Ziel, das wir weiter verfolgen.“
Wunsch, früher von zuhause auszuziehen
Die Lebenshilfe OÖ gab den Anstoß für das aktuell laufende Programm des Landes Oberösterreich von 2020 bis 2024, in dem jährlich rund 100 neue Wohnplätze geschaffen werden sollen, die von den unterschiedlichen Trägern der Behindertenarbeit betrieben werden. Wohlplätze seien in Oberösterreich nach wie vor knapp, so Hutter, ein großer Teil der Babyboomer sei noch unversorgt. Die jüngere Generation strebe zudem an, früher von zuhause auszuziehen und selbstständiger zu werden. „Ziel von uns ist es, dass jeder Mensch mit Beeinträchtigung mit 40 Jahren von zuhause ausziehen kann und einen Wohnplatz bekommt“, so Hutter. Beim Erreichen dieses Ziels sei man derzeit jedoch noch entfernt.
Ein weiteres Bestreben der Lebenshilfe ist die Errichtung eines Pflegewohnhauses, um Menschen mit Beeinträchtigung auch in höherem Alter weiter betreuen zu können. In klassischen Pflegeheimen seien Menschen mit Beeinträchtigung nicht richtig aufgehoben, erklärt Hutter. Dazu käme auch, dass bei Menschen mit Beeinträchtigung der Alterungsprozess bereits früher einsetzt, meist ab 55 Jahren.
Inklusion bei der Arbeit
Die Lebenshilfe betreibt viele eigene Shops, Cafés und Hofläden, wo Menschen mit Beeinträchtigung eine Beschäftigung finden. „Unsere wichtigste Öffnung ist aber die Zusammenarbeit mit Unternehmen in Form der Integrativen Beschäftigung, wo wir bereits mit über 100 Firmen eine Kooperation haben“, so Lebenshilfe-Geschäftsführer Gerhard Scheinast. Eine bereits langjährige Kooperation läuft etwa mit dem Möbelhändler Ikea.
„Die Beschäftigten der Lebenshilfe werden von den IKEA Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als Teil des IKEA Teams gesehen und haben gute Kontakte im Store geknüpft. Wir können die Zusammenarbeit sehr empfehlen, weil sie unglaublich positive Auswirkungen auf die Mitarbeiter*innen und das Teamgefüge hat - sie sehen Inklusion als etwas ganz Selbstverständliches und nicht als etwas Mühsames, das mich bei der Arbeit aufhält“, so Annecatrien Niemeijer-Berenst, Market Managerin Ikea Linz-Haid.
Auch wenn sich im Bereich der Arbeit in den vergangenen Jahren viel getan hat, steht für die Lebenshilfe eine immer noch nicht umgesetzte Forderung an erster Stelle: „Gehalt statt Taschengeld“.
„Finde ich nicht in Ordnung“
„Ich arbeite Vollzeit bei der Firma Kellner und Kunz und mache meine Arbeit sehr gerne. Ich bekomme für meine Arbeit aber nur ein Taschengeld und das finde ich nicht in Ordnung. Taschengeld bekommen Kinder − ich bin aber ein erwachsener Mann. Das hat auch etwas mit Wertschätzung für unsere Arbeit zu tun. Die Umsetzung liegt jetzt beim Bund. Wir hoffen, dass unsere Forderung bald umgesetzt wird“, erzählt Roland Öhlinger, der seit 1990 in der Lebenshilfe-Werkstätte Wels 2 beschäftigt ist und seit neun Jahren im Rahmen der Integrativen Beschäftigung arbeitet.
Öhlinger ist zudem gemeinsam mit Karin Riegler Gesamtsprecher der Lebenshilfe Oberösterreich. Karin Riegler: „Ich arbeite seit 2014 bei der Lebenshilfe in der Küche und bin seit 2018 Gesamtsprecherin. Haus-, Regional- und Gesamtsprecher unterstützen bei Anliegen, Wünschen und Beschwerden der Bewohner.“ Als Gesamtsprecher vernetzten Riegler und Öhlinger außerdem österreichweit regionale Sprecher aus den verschiedenen Bundesländern.
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