Bodenverbrauch: Oberösterreich laut WWF negativer Spitzenreiter (Update 14.45 Uhr)
OÖ. Laut einer neuen Analyse der Natur- und Artenschutz-Organisation WWF sind die Bundesländer beim Bodenschutz weiter säumig, das Nachhaltigkeitsziel in weiter Ferne. Negativer Spitzenreiter ist demnach Oberösterreich, mit einem Flächenverbrauch von 4,25 Hektar täglich im Jahr 2022. Die Fläche von knapp sechs Fußballfeldern. Update: Wirtschafts- und Raumordnungs-Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) widerspricht den WWF-Berechnungen.
Laut WWF-Berechnung sind alle Bundesländer von einer nachhaltigen Bodennutzung weit entfernt. In vier von neun Ländern ist der Bodenverbrauch 2022 im Vergleich zum Jahr davor sogar deutlich angestiegen. „Mit einem Bodenverbrauch von durchschnittlich 12 Hektar pro Tag hat Österreich 2022 fast das Fünffache des Nachhaltigkeitsziels des Bundes verbaut“, kritisiert WWF-Bodenschutz-Sprecher Simon Pories. Österreichs Nachhaltigkeitsziel liegt bei einem maximalen Bodenverbrauch von 2,5 Hektar pro Tag.
Oberösterreich negativer Spitzenreiter
Negativer Spitzenreiter im Bundesländer-Vergleich ist laut WWF-Berechnungen Oberösterreich. Hier ist der Bodenverbrauch demnach um mehr als zwei Drittel gestiegen – von 2,48 Hektar im Jahr 2021 auf 4,25 Hektar im Jahr 2022 pro Tag.
Der Grund dafür liege unter anderem an großflächigen Umwidmungen von Grün- in Bauland in den letzten Jahren und an mangelnder Regionalplanung.
„Auch pro Kopf gerechnet, hat sich Oberösterreich damit zum Bundesland mit dem stärksten Flächenfraß katapultiert. Allein die Betriebsflächen sind 2022 in Oberösterreich um sechs Quadratkilometer gewachsen“, so Simon Pories.
Dahinter folgt die Steiermark mit 2,54 Hektar Bodenverbrauch pro Tag, vor Niederösterreich, wo der Verbrauch im Jahr 2022 auf 2,3 Hektar gestiegen sei. „Niederösterreich ist außerdem das Bundesland mit der größten Zunahme der Verkehrsflächen. Allein 2,2 Quadratkilometer wurden für Straßen und Parkplätze verbaut, während Schienenflächen weiter rückläufig sind.“ In Salzburg sank der Bodenverbrauch nach einem besonders hohen Wert 2021 im Jahr 2022 wieder auf 0,39 Hektar pro Tag und damit auf den Schnitt der vergangenen Jahre.
Kritik: Grüne Wiese statt Leerstand
Die große Kritik der WWF: Die Bundesländer würden weiter Einkaufs- und Gewerbeparks auf der grünen Wiese zulassen – „und das, obwohl tausende Hektar Leerstand ungenutzt bleiben und in vielen Gemeinden die Ortskerne veröden“, so Pories. Die WWF fordert, dass die Landesregierungen die jeweiligen Raumordnungsgesetze massiv nachbessern und stärkeren Naturschutz verankern müssen.
Zur Berechnung
Definiert wird der Bodenverbrauch – anders als Versiegelung (wasserundurchlässigen Schicht) – mit dem Verlust biologisch produktiver Böden durch Verbauung für Siedlungs- und Verkehrszwecke, aber auch für intensive Erholungsnutzungen, Deponien, Abbauflächen, Kraftwerksanlagen und ähnliche Intensivnutzungen. Für die Bundesländer-Zahlen zum Bodenverbrauch hat der WWF nach der Methodik des Umweltbundesamtes Daten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen ausgewertet.
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Update: Landesrat Achleitner widerspricht
Wirtschafts- und Raumordnungs-Landesrat Markus Achleitner kontert dem WWF-Bodenreport 2023 anhand fachlicher Informationen der Abteilung Raumordnung des Landes OÖ.
Zur Aussage, dass sich die Bundesländer weitgehend tatenlos seien, verweist er auf das ÖREK 2030-Umsetzungspakt „Bodenstrategie für Österreich“, bei dem Oberösterreich gemeinsam mit den anderen Bundesländern aktiv an einer Strategie zur Reduktion der weiteren Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung bis 2030 arbeite. Zudem lege die aktuelle OÖ. Raumordnungsstrategie „#upperRegion2030“ klar den Entwicklungsschwerpunkt auf die Innenentwicklung und auf eine verstärkt am Umwelt- und Klimaschutz orientierte Raumentwicklung. „Auch im OÖ. Raumordnungsgesetz ist als klare Zielsetzung festgeschrieben: Entwicklung nach innen in den Ortskernen anstatt nach außen an den Ortsrändern und damit auf der grünen Wiese.“
Auch sei in ganz Oberösterreich im Berichtsjahr 2022 für keinen einzigen neuen Standort für ein Geschäftsgebiet mit mehr als 1.500 Quadratmetern Gesamtverkaufsfläche ein Raumordnungsprogramm erlassen worden. „Lediglich an zwei bereits bestehenden Einkaufszentren-Standorten wurden geringfügige Erweiterungen von Gesamtverkaufsflächen im Ausmaß von 0,17 Hektar genehmigt.“
Darüber hinaus habe das Land Oberösterreich ein eigenes OÖ. Aktionsprogramm zur Orts- und Stadtkernbelebung gestartet. „Hier stehen 32 Millionen Euro bis 2027 für Fördermaßnahmen in Oberösterreich zur Verfügung.“
„Oberösterreich mit erheblich geringerer Flächeninanspruchnahme“
Zur Aussage, dass Oberösterreich negativer Spitzenreiter beim Bodenverbreich sei, meint Achleitner: „Vorweg ist anzumerken, dass der WWF-Bodenreport 2023 die Antwort schuldig bleibt, aus welchen Datenquellen und mit welcher Analysemethodik der Bodenverbrauch ermittelt worden ist. Damit lässt sich kein seriöser und unmittelbarer Vergleich mit den Raumbeobachtungsdaten des Landes Oberösterreich ziehen. Festzustellen ist jedoch, dass Oberösterreich pro Einwohner (660 Quadratmeter) eine erheblich geringere Flächeninanspruchnahme aufweist, als andere Bundesländer.“ (Burgenland: 1.166 Quadratmeter, Niederösterreich, 886 Quadratmeter, Kärnten: 831 Quadratmeter, Steiermark: 750 Quadratmeter, Datenquelle: ÖROK-Baseline zur Flächeninanspruchnahme in Österreich, 2022).
Auch die Entwicklung aller Baulandentwicklungen in Oberösterreich zeige einen signifikanten Rückgang des jährlichen Wachstums. „Der vom WWF angesprochene Anstieg des Bodenverbrauches kann jedenfalls nicht aus einer dynamisierten Baulandentwicklung erklärt werden, sondern fußt vielmehr auf einer sehr positiven wirtschaftlichen Entwicklung unseres Bundeslandes. Hier werden aber die überwiegend bereits bestehende Widmungsreserven genutzt, was sich auch in einem stetigen Rückgang der Baulandreserven widerspiegelt.“
Zudem würden regional bedeutsame Grünlandflächen durch die laufende Ausweitung regionaler Grünzonen in Raumordnungsprogrammen vor weiterer Baulandentwicklung dauerhaft geschützt.
Grüne und Neos üben Kritik
Der Grüne Raumordnungssprecher Rudi Hemetsberger fordert angesichts des WWF-Reports „endlich ein starkes Raumordnungsgesetz, kein zahmes, mit Löchern gespicktes Regelwerk, das noch dazu lahm umgesetzt wird. Dieses Gesetz muss dazu verpflichten, gewidmetes Bauland zu mobilisieren und dazu braucht es verbindliche Vorgaben bei der Leerstandsnutzung. In rund 130.000 Wohneinheiten im Land ist niemand gemeldet. 11.200 Hektar gewidmetes Bauland liegen brach. Das ist gewaltiges Potenzial, das endlich zu nutzen ist. Dazu brauchen die Gemeinden aber endlich die nötige, landesgesetzliche Grundlage.“
Für die NEOS brauche es „gemeinsam mit Experten endlich ein Raumordnungsgesetz, das den Raum tatsächlich ordnet, und Willkür und Korruption endlich den Riegel vorschiebt. Dazu bedarf es auch einer verlässlichen Aufsichtsbehörde, die Gemeinden auch wirklich berät, gerade was die Ortsentwicklung angeht“, so Klubobmann Felix Eypeltauer.
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