
OÖ/TEL AVIV. Die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Gesundheitsversorgung sind drängende Aufgaben, nicht nur in Oberösterreich. Wie Israel als Digitalisierungsvorreiter mit den Herausforderungen umgeht, hat sich eine Delegation rund um LH-Stellvertreterin Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP) in Tel Aviv angesehen.
Die demografische Entwicklung, eine immer älter werdende Gesellschaft, Personalmangel: Auch Israel kämpft mit diesen Herausforderungen. Führende Vertreter der OÖ Spitalsträger, der Ärztekammer, des Roten Kreuzes, der Apothekerkammer und des Landes OÖ machten sich in Tel Aviv ein Bild über die dortigen Lösungswege. „Wir müssen auch außerhalb unserer Grenzen schauen, was andere Länder anders, vielleicht besser machen. Die Digitalisierung muss als Chance und einer der Lösungswege gesehen werden, um Patienten gewohnt gute Qualität und für Mitarbeiter die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen“, so Haberlander.
Geringere Ärztedichte
Israel hat mit 9,7 Millionen Einwohnern eine Ärztedichte von 3,3 pro Tausend Einwohnern, damit weniger als Oberösterreich mit 4,4. In Israel sind zwölf Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt, in Oberösterreich sind es 19,3 Prozent. Haberlander: „Aktuell sind 54 Prozent der Patienten in unseren Krankenhäusern über 65 Jahre alt. Wir müssen uns dieser Bedeutung vergegenwärtigen.“
Während Israel knapp sieben Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Gesundheit ausgibt, sind es in Österreich 11,4 Prozent im Jahr 2022. Die Start-up-Nation (allein im Gesundheitssektor gibt es 1.600 Start-ups) setzt stark auf digitale Unterstützung und künstliche Intelligenz.
Vom Selbst-Check-in bis zur Stau-Info
Eine konkrete Möglichkeit, die für LH-Stellvertreterin Haberlander auch in Oberösterreich umsetzbar sei, zeigt das Sourasky Medical Center mit einer der größten Notaufnahmen weltweit. Dort können sich Patienten alternativ über ein Terminal digital selbst anmelden. Der Weg führt weiter zu Stationen, wo der Patient selbst Blutdruck, Puls und Temperatur misst. Ab dann folgt die Anweisung, in welchem Bereich der Arzt auf den Patienten wartet. Nicht nur die Patienten sparen sich dadurch Zeit, auch das Personal wird entlastet. Zehn Prozent der ankommenden Patienten nutzen die Möglichkeit mittlerweile. „Die Leitlinie ist: Technik muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt“, so Haberlander, die mit dem Sourasky Medical Center eine Kooperation plant.
Ein Roboter navigiert Patienten durch das Spital, zudem schafft es das Spital mit einem ausgeklügelten digitalen System, das Daten etwa auch von den Rettungskräften erfasst, vorherzusehen, wann es etwa in einer Abteilung zu Überlastung und Stau kommen wird, die Mitarbeiter werden vorsorglich informiert und können handeln. „Alle Daten werden kombiniert, das Spital simuliert und erstellt eine Prognose“, wird erklärt.
Virtuelles Krankenhaus
Das Sheba Medical Center, das größte Krankenhaus Israels, bietet als eines der ersten weltweit auch ein virtuelles Krankenhaus, das „Sheba Beyond“, entstanden aus der Corona-Not. Modernste Telemedizin wird hier eingesetzt, um Patienten etwa zur Reha früher nach Hause entlassen zu können. Etwa bei Herzproblemen, wo mit einer App und einer Uhr überwacht wird. Rund 60.000 virtuelle Arztgespräche wurden im Jahr 2022 durchgeführt. Man wolle Mensch-zu-Mensch nicht ersetzen, suche aber nach neuen Möglichkeiten. Das Krankenhaus ist gleichzeitig auch ein Inkubator für Forschung, allein 700 Forscher in 56 Forschungslaboren sind dort beschäftigt.
Roboter im Training
Ein Projekt, das gerade im Shamir Medical Center in Ramat Gan getestet wird, ist ein Roboter, der unter anderem trainiert wird, das Essen an die Patienten auszuteilen oder die Betten neu zu beziehen. Generell wird der Ansatz verfolgt, dass Ideen von Spitalsmitarbeitern aufgegriffen und an Partner der Start-up-Szene weitergegeben werden, die sich an die Entwicklung machen. Ein Vorgehen, das auch den Kaufmännischen Direktor des KUK in Linz, Günter Dorfinger, fasziniert: „Wir machen in Oberösterreich auch sehr viel in Richtung Digital Health, aber man muss auch den Mut haben, auch mal zu scheitern. Weiterentwicklung funktioniert nur durch Ausprobieren, hier können wir sicher Dynamik mitnehmen.“
Haberlander: „Was ich auch mitnehmen werde: Es ist wichtig, unsere Krankenhäuser rechtlich dazu ermächtigen, Partner sein zu können für junge Entwickler, und gerade von den Mitarbeitern kommen super Ideen, die man durchaus gut nutzen und umsetzen kann.“
Daten dienen der Vorsorge
Anders als in Österreich werden in Israel rund die Hälfte der Spitäler von Sozialversicherungsträgern selbst betrieben. Und es herrscht ein anderes Verständnis für den Umgang mit Gesundheitsdaten. Diese werden schon lange erfasst – und damit wird auch gearbeitet. So können mittels KI Prognosen zur Vorsorge erstellt werden, wie es bei Clalit, der größten Krankenversicherung Israels, gemacht wird. Zu Beginn der Corona-Pandemie konnten Hochrisiko-Gruppen gezielt direkt informiert und gewarnt werden. Auch habe man es geschafft, durch gezielte und persönliche Ansprache, die „No-Show-Quote“, das Nicht-Erscheinen bei Terminen, stark zu senken, wie Jacob Waxman von Clalit erläutert.
Hier hakt Haberlander ein: „Es wäre bei uns notwendig, ELGA weiterzuentwickeln, es sind zum Beispiel erst sieben Prozent der Alten- und Pflegeheime dabei. In Israel wird personalisierte mit präventiver Medizin verbunden.“ Wichtig sei es, den Patienten wie auch den Mitarbeitern die Benefits von Digitalisierung zu erklären.
„Braucht Systemwandel“
Für sie braucht es neben einer besseren Patientenlenkung auch hierzulande einen „Systemwandel, die Gesundheit muss im Mittelpunkt stehen, nicht die Krankheit“. Ein Bonussystem, wenn man etwa Vorsorgetermine nutzt, hält sie dabei für tauglich. Haberlander nimmt hier auch die Österreichische Gesundheitskasse in die Pflicht, diese müsse innovativer werden.
Besuch beim israelischen Roten Kreuz
Auf dem Terminplan stand auch ein Besuch bei einer Zentrale von Magen David Amon, Mitglied des Internationalen Roten Kreuzes. Auch hier wird auf Künstliche Intelligenz gesetzt, so kann mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden, wo in den nächsten Minuten ein Notfall eintreten werde.
Oö. Gesundheitsportal geplant, Vorzeigebeispiel aus Oberösterreich
Ein geplantes Projekt in Oberösterreich, das Haberlander ankündigt, ist ein Oö. Gesundheitsportal aller oberösterreichischen Spitäler für die Patienten, das künftig etwa auch für Terminvereinbarungen genutzt werden soll.
Auch in Oberösterreich gibt es einige Vorzeigeprojekte beim Thema Digital Health, ein kleiner Auszug: So rollt die OÖ Gesundheitsholding aktuell den Radiologieverbund mit einer Gleichschaltung der Systeme aus, die Rufbereitschaften in der Nacht auch von anderen Standorten aus ermöglicht. Bei den Barmherzigen Brüdern wurde als erstes österreichisches Krankenhaus unter anderem eine automatisierte Medikamentenverblisterung auf Bettenstationen umgesetzt.
Mit dem Projekt LIQUIBOT wird die Menge an Flüssigkeit in den Beuteln am Krankenbett automatisch gemessen, die Pflegekraft informiert, sobald diese zu wechseln sind, das Personal spart sich die ständige Kontrolle. Ein Vorreiterprojekt, „das auch in Israel begeistern würde, ist das Cinematic Virtual Anatomy im MedSpace der Medizinischen Fakultät, das ist revolutionär, was hier in Linz zur Verfügung steht“, so Günter Dorfinger. „Es gibt viele, viele Projekte, die im Entstehen und Wachsen sind in Oberösterreich“.