Arbeitsklima-Index Handel: Zwei Drittel der Beschäftigten können sich das Leben kaum leisten
OÖ. Die Verhandlungen über den Kollektivvertrag für den Handel gehen am Donnerstag, 7.12 in die fünfte Runde. Wird keine Einigung erzielt, könnte am verlängerten Einkaufswochenende gestreikt werden. Der Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigt indes, dass sich zwei Drittel der Beschäftigten im Handel das Leben kaum leisten können.
Bei den Verhandlungen um den Handel-Kollektivvertrag geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und Lehrlingen. Die Gewerkschaft fordert ein Gehaltsplus in Höhe der rollierenden Inflation als Minimum (also mindestens 9,2 Prozent Plus), die Arbeitgeber boten zuletzt sechs Prozent und eine Einmalzahlung in Höhe von 1.000 Euro.
Sollte es heute keine Einigung geben, will die Gewerkschaft die Warnstreiks am 8. und 9. Dezember fortsetzen. Damit blieben die Geschäfte am verkaufsoffenen Feiertag und am Samstag stundenweise geschlossen.
Einkommen unter dem Durchschnitt und hohe Teilzeitquote
Die Arbeiterkammer Oberösterreich veröffentlichte indes eine Sonderauswertung des Arbeitsklima-Index für den Handel. Dieser sei in den vergangenen zehn Jahren stärkeren Schwankungen ausgesetzt gewesen als in den restlichen Branchen, aktuell liegt er bei 104 Punkten und damit um einen Punkt niedriger als in anderen Branchen.
Die mittleren Bruttojahreseinkommen der Beschäftigten im Einzelhandel lagen 2021 mit rund 24.000 Euro um mehr als 12.200 Euro geringer als die durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen aller Beschäftigten. Männer verdienen im Einzelhandel durchschnittlich rund 30.400 Euro, Frauen 21.500 Euro. Typisch für den Handel ist der hohe Frauenanteil und die hohe Teilzeitquote, insbesondere bei Frauen. Jede fünfte Teilzeitkraft möchte mehr Stunden arbeiten.
Nur 34 Prozent können sehr gut oder ausreichend vom Einkommen leben
Gerade einmal 6 Prozent der Handelsbeschäftigten können laut AK-Arbeitsklima-Index sehr gut vom Einkommen leben, 28 Prozent haben ein ausreichendes Einkommen. Für 56 Prozent reicht das Einkommen gerade aus und 10 Prozent sind in einer finanziell prekären Lage. Rund ein Drittel der weiblichen Beschäftigten im Einzelhandel ist auf finanzielle Unterstützung durch ein Partnereinkommen angewiesen. Von den über 45-jährigen befürchtet ein Viertel eine prekäre finanzielle Lage in der Pension.
Hinzu kommt in der Adventszeit eine höhere Belastung durch Lärm (Dauerbeschallung mit Weihnachtsmusik, Werbung und Durchsagen) und mehr Stress durch höhere Einkaufsfrequenz. Viele der Beschäftigten im Handel sind laut Arbeitsklima-Index unzufrieden, körperlich und psychisch belastet und wollen den Job wechseln.
AK OÖ-Präsident fordert verbesserte Arbeitsbedingungen
Basierend auf den Ergebnissen der Sonderauswertung fordert AK OÖ-Präsident Andreas Stangl einen Rechtsanspruch auf Vollzeit für Teilzeitbeschäftigte, aber auch einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung. Zudem fordert er die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die Abgeltung von Mehrstunden mit dem Faktor 1:1,25, einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem zweiten Lebensjahr und den Ausbau und die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs. Mit letzterer Maßnahme soll die Wahlmöglichkeit der Arbeitnehmer erhöht werden.
Der Arbeitsklima Index beruht auf Befragungen von Stichproben unselbständig erwerbstätiger Personen in ganz Österreich. Zur Erhebung der Daten werden vierteljährlich jeweils 900 Arbeitnehmer in ganz Österreich von Mitarbeitern des Sozialforschungsinstituts IFES befragt.
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