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Julbacherin lässt wieder Leinen wachsen – in ganz Österreich

Petra Hanner, 13.08.2024 18:45

JULBACH/OÖ. Leinen erlebt gerade einen Boom und obwohl die bekannte Faserpflanze in Europa noch im großen Stil angebaut wird, ist die händische, kleinbäuerliche Verwendung völlig verschwunden. Wie man vom Samen zum eigenen Textil kommt und ganz nebenbei noch etwas gegen den Fast-Fashion-Wahnsinn tun kann, zeigt Christiane Seufferlein mit ihrem Projekt „1 Quadratmeter Lein“.

Christiane Seufferlein beim Verarbeiten der Flachsernte (Foto: Susanne Mitterer)
  1 / 4   Christiane Seufferlein beim Verarbeiten der Flachsernte (Foto: Susanne Mitterer)

„Dass ein Hemd früher nicht aus dem Geschäft, sondern aus dem Garten kam, kann sich kaum mehr jemand vorstellen – das möchten wir ändern!“, sagt die Julbacherin, die die Idee für die Wiederbelebung der Leinenkultur von einem Aufenthalt in Schweden mitgebracht hat. Der schwedische Hemslöjden-Verband zur Förderung von Handwerk hat 2020 das Projekt 1 KVM Lin (1 m2 Lein) ins Leben gerufen, bei dem die breite Öffentlichkeit eingeladen wird, auf einem Quadratmeter Flachs anzubauen und mit Hilfe von Videotutorials, Mini-Workshops und Gemeinschaften die Pflanze bis zum Leinenfaden zu verarbeiten. Von einem regionalen Projekt mit 700 Erzeugern im Jahr 2020 hat sich 1 KVM Lin inzwischen auf 6.000 private Erzeuger aus ganz Schweden ausgeweitet. Seit 2022 beteiligen sich alle nordischen Länder an der Idee. Ab 2025 soll es nun auch in Österreich so weit sein.

Dem Leinen verfallen

Christiane Seufferlein selbst ist der blauen Blume auch schon länger verfallen – sorgt sie doch mit ihrem Verein Bertas Flachs dafür, dass das Flachshandwerk und die Geschichten jener, die früher mit den Pflanzen und Fasern gearbeitet haben, nicht in Vergessenheit geraten. „Leinen und Wolle haben unsere Vorfahren bereits in der Bronzezeit gekleidet. Bis heute hat nur die handwerkliche Verarbeitung von Wolle überlebt, der Anbau und die Verarbeitung vom Leinsamen bis zum Leinenhemd ist aber weitgehend vergessen. Mit dem Verschwinden dieses alten Wissens, das in den Bauernhöfen so normal war wie die Bestellung des Gemüsegartens, verlieren wir nicht nur ein Stück kultureller Identität, sondern auch das wunderbare Gefühl textiler Selbstversorgung“, ist die begeisterte Textilerin überzeugt.

Jetzt mitmachen

Ab sofort können sich Interessierte in ganz Österreich auf www.1qmlein.at registrieren und ihr Saatgutpaket für einen Quadratmeter bestellen. Ab Herbst werden die Saatguttütchen verschickt und im Frühjahr 2025 starten die Videotutorials auf der Webseite. „Wir produzieren Videos für jeden Arbeitsschritt vom Anbau über das Fasergewinnen bis zum Spinnen und Weben. Außerdem können sich alle Teilnehmer online vernetzen und sich im Idealfall auch im echten Leben zum Herumflachsen treffen.“

Es braucht dafür auch keine Vorkenntnisse, grüne Daumen oder einen großen Acker. Mitmachen können alle, die einen Quadratmeter Erde auftreiben können, egal ob im Blumentrog, Gartenbeet oder Feld.

Kleine Samen bewegen viel

Noch werden neben begeisterten Teilnehmenden auch Museen, Gemeinschaftsgärten oder Schulen gesucht, die sich rund um das Projekt auch inhaltlich in ihren jeweiligen Organisationen mit Faserflachs befassen möchten. „Ich bin nämlich überzeugt, dass dieser ganze Weg vom kleinen Samenkorn bis zum gewebten Band etwas in und mit uns verändert. Wer einmal spürt, wie viel Arbeit, aber auch wie viel Befriedigung in so einem Accessoire oder Kleidungsstück steckt, wird sicher den eigenen Textilkonsum reflektieren. Also kann man mit einem kleinen Leinsamen ganz schön viel bewegen.“


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