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Lang verschollene Scherben erzählen von den Kelten im Bezirk Rohrbach

Petra Hanner, 14.10.2025 18:45

ARNREIT. Nach intensiver Suche konnte ein einzigartiges Stück Bezirksgeschichte wieder ans Licht gebracht werden: der bislang einzige dokumentierte Nachweis keltischer Besiedelung im Bezirk Rohrbach. Zwei Bruchstücke sogenannter Kammstrichkeramik wurden nach Jahrzehnten der Ungewissheit wieder aufgefunden.

Die zwei "verschollenen" Keramikscherben, die in Stierberg gefunden wurden. (Foto: OÖ Landesmuseum)
  1 / 2   Die zwei "verschollenen" Keramikscherben, die in Stierberg gefunden wurden. (Foto: OÖ Landesmuseum)

Die beiden Keramikfragmente, um die sich das archäologische Rätsel drehte, stammen aus der späten Latènezeit, etwa um 200 vor Christus, und belegen, dass der fruchtbare Talboden der Kleinen Mühl bereits von keltischen Bauern und Viehzüchtern genutzt wurde. Der Fund war jedoch über Jahrzehnte verschollen, seine Geschichte eng verwoben mit den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs.

Zufallsfund in Kriegszeiten

Entdeckt wurden die Scherben im Frühjahr 1945 bei Erdarbeiten im Nahbereich von Hühnergeschrei, als dort Wehrmachtsstellungen errichtet wurden. Durch die Sprengung der Brücke über die Kleine Mühl bei der Ortseinfahrt Hühnergeschrei mussten sich die amerikanischen Truppen damals über Mairhof, Humenberg und Stierberg am Ortszentrum von Hühnergeschrei vorbeiarbeiten. In diesem Umfeld befanden sich die Abwehrstellungen, in denen die Soldaten eingesetzt wurden. Unter ihnen war auch der renommierte Wiener Prähistoriker, Archäologe und Universitätsprofessor Herbert Mitscha-Märheim. Während Panzer rollten und Stellungen gegraben wurden, erkannte Mitscha-Märheim zwar die Bedeutung der Scherben, konnte sie aber nicht wissenschaftlich erfassen.

Nach dem Krieg blieb der Fund jahrzehntelang in seinem Privatbesitz, bevor er schließlich in das Oberösterreichische Landesmuseum gelangte und dort sachgerecht aufbewahrt wurde. Die genauen Fundumstände gerieten jedoch in Vergessenheit. Beim Bundesdenkmalamt existierten nur unklare Hinweise, die wegen des abgelegenen Fundorts lange als zweifelhaft galten. So blieb der einzige Nachweis keltischer Kultur im Bezirk nicht zerstört, sondern vergessen, weil seine Geschichte verloren gegangen war.

Archäologisches Rätsel gelöst

Erst jetzt gelang es, diese Lücke zu schließen. Hinweise des Bundesdenkmalamts, Erinnerungen des 91-jährigen Zeitzeugen Ewald Gahleitner und die akribische Nachforschung des gebürtigen Rohrbachers Norbert Fischer, Vermessungsingenieur und Hobbyarchäologe aus Wien, ermöglichten eine Rekonstruktion der Ereignisse.

Mit Hilfe dieser Zeitzeugenberichte und der biografischen Daten von Mitscha-Märheim konnte Norbert Fischer die Geschichte des Fundes schlüssig nachvollziehen. Damit wurde auch die Glaubwürdigkeit der ursprünglichen Dokumentation bestätigt, die das Bundesdenkmalamt einst angezweifelt hatte.

Einzigartiger Nachweis keltischer Besiedelung

Die beiden Randscherben eines Gefäßes mit charakteristischer Kammstrichverzierung gelten als einziger direkter Nachweis keltischer Kultur im Bezirk Rohrbach. Vermutlich stammen sie aus einer Abfallgrube nahe einer kleinen Siedlung oder eines Gehöfts westlich von Stierberg.

In unmittelbarer Nähe befindet sich zudem eine mittelalterliche Motte – ein künstlich aufgeschütteter Erdhügel –, die bereits 1907 archäologisch untersucht wurde. Eine große Steinplatte, die damals als Fundament eines Holzwachturms interpretiert wurde, könnte mit dem keltischen Fund in Zusammenhang stehen.

„Doris“ macht die Vergangenheit sichtbar

„Der Fund ist ein Geschenk der Geschichte“, sagt Norbert Fischer. „Er zeigt, wie eng unsere lokale Vergangenheit mit den großen Linien der europäischen Geschichte verbunden ist.“

Das Wissen um Bodendenkmäler und archäologische Fundstätten ist für kommende Generationen von großer Bedeutung. Im Auftrag des Bundesdenkmalamts werden diese im öffentlichen Geoinformationssystem „Doris“ dokumentiert. Zeitzeugenberichte wie jener von Ewald Gahleitner helfen dabei, Lücken zu schließen, bevor auch diese Quellen der Erinnerung verloren gehen.


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