Schilfdachdecker: Der Anachronismus auf dem Dach
SANDL. „Das mache ich euch!“ waren die erlösenden Worte für Irmgard Quass und ihren Partner. Die lange vergebliche Suche nach einem Dachdecker für ihr strohgedecktes Haus am Viehberg hatte mit dem niederländischen Schilfdachdecker Henk Menkveld ein Ende gefunden. Das Ergebnis seiner wochenlangen Handarbeit ist eine Augenweide.
Als der Dirigent Kurt Wöss, Vater von Prof. Wolfgang Wöss, das Häuschen Anfang der 1960-er Jahre bauen ließ, war das Strohdach eigentlich schon ein Anachronismus, über den sich die Sandler wunderten. Und doch war es nicht nur schön anzuschauen, sondern mit einigen Ausbesserungsarbeiten auch haltbar. „Die größte Schwachstelle war der First, der schon einen halben Meter weit freigelegen ist, denn das Stroh rutscht durch die Schwerkraft ab. Beim Kamin ist es schon nass durchgegangen“, berichtet Hausbewohnerin Irmgard Quass.
Naturnahes Wohnen
Ihr und ihrem Partner war es allerdings ein Anliegen, das Haus möglichst originalgetreu zu erhalten und auf naturnahes Wohnen zu setzen.Die lange Suche nach einem Strohdachdecker führte per Facebook schließlich zu Henk Menkveld aus den Niederlanden. „Ein Glücksfall für uns!“, strahlt die Pädagogin. Henk hatte bereits Dächer in Schenkenfelden und Lasberg gedeckt und war längere Zeit im Burgenland als Schilfdachdecker im Einsatz gewesen.
Dachdecken im Alleingang
Am 28. Mai begann Henk, nach Österreich begleitet von seiner Frau Monika, die Arbeiten am neuen Dach. Irmgard Quass: „Das Abtragen des alten Strohdachs und des verfaulten Holzes war viel Arbeit.“ „Entsorgt“ wurden Stroh und Holz beim Petersfeuer in Sandl. Die Entscheidung, das neue Dach mit Schilf zu decken, fiel aus Gründen der Haltbarkeit. Mehr als fünf Wochen lang war Henk Menkveld täglich im Einsatz, schleppte Bündel um Bündel Schilf auf das Dach und verpasste dem alten Häuschen mit seinem handwerklichen Geschick einen neuen „Hut“.
Schilfdach hält 40 bis 50 Jahre
„Ich bin seit 45 Jahren Schilfdachdecker, mir gefällt es einfach, etwas mit meinen Händen zu machen, was bleibt, und was jeder sehen kann“, sagt der Holländer in ausgezeichnetem Deutsch. Für jeden der 160 bis 170 Quadratmeter Dachfläche musste er 13 bis 14 Schilfbündel mit rund 60 Zentimetern Umfang auf das Dach tragen. „Man braucht viel Erfahrung dafür, aber wenn man es beherrscht, hält ein Schilfdach 40 bis 50 Jahre. Strenge Winter machen einem Schilfdach gar nichts aus“, spielt er auf das Sandler Klima an. Sandl haben er und seine Frau Monika so lieb gewonnen, dass sie mit dem Gedanken spielen, sich hier niederzulassen. Arbeit gäbe es für Henk offensichtlich zur Genüge – es gab bereits zahlreiche Anfragen von anderen Hausbesitzern, die ihr Dach mit dem Naturmaterial decken lassen möchten.
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