Frauenhaus Innviertel bietet Schutz und Hilfe für bedrohte und misshandelte Frauen und deren Kinder
BEZIRK SCHÄRDING. Der Internationale Frauentag wird am 8. März begangen. Er entstand als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit um den Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation von Arbeiterinnen. Im 21. Jahrhundert werden viele Frauen nach wie vor von ihren Männern unterdrückt und körperlich sowie psychisch misshandelt. Das Frauenhaus Innviertel bietet Schutz und Hilfe für bedrohte oder misshandelte Frauen und deren Kinder. Tips bat die Leiterin Ursula Walli zum Interview.
Tips: Was leistet das Frauenhaus Innviertel?
Ursula Walli: Das Frauenhaus Innviertel bietet Frauen und ihren Kindern, die von Gewalt in der Familie betroffen sind, Schutz durch sofortige Wohnmöglichkeit. Eine Aufnahme ist rund um die Uhr möglich. Frauen, die im Frauenhaus wohnen, erhalten Beratung und Begleitung bei der Sicherung des Lebensunterhalts, Erziehungsfragen, Wohnungs- und Arbeitssuche sowie bei Fragen bezüglich Unterhalt, Obsorge, Trennung und Scheidung. Außerdem werden sie zu Gerichtsterminen, zur Polizei und zu Behördenterminen begleitet und sie erhalten juristische und psychosoziale Beratung. Weitere Leistungen von uns sind die Organisation und Weitervermittlung an andere Einrichtungen sowie Prozessbegleitung. Frauen, die nicht im Frauenhaus wohnen, beraten wir gerne ambulant, telefonisch beziehungsweise per Internet. Großen Wert legen wir auf die Anonymität der Frauen bei uns im Haus. Die Daten werden vertraulich behandelt, unsere Adresse ist geheim (Postfachadresse) und wir geben keinerlei telefonische Auskünfte an Dritte.
Tips: Mussten Sie schutzsuchende Frauen auch schon abweisen? Was passiert mit diesen Frauen?
Walli: Wenn wir Frauen aus Platzmangel abweisen müssen, vermitteln wir sie in ein anderes Frauenhaus in OÖ (Linz, Wels, Steyr, Vöcklabruck). Sobald bei uns wieder ein Platz frei wird, hat die Frau die Möglichkeit bei uns einzuziehen, wenn sie das will. In manchen Fällen, wenn zum Beispiel der Täter als besonders gefährlich einzuschätzen ist beziehungsweise der Täter zum Frauenhaus Kontakt aufgenommen hat, suchen wir einen anderen, sicheren Ort für die Frau. Frauen, die aus anderen Gründen (Wohnungslosigkeit, akute, psychische Erkrankungen, Alkohol- oder Drogensucht) nicht bei uns aufgenommen werden können, vermitteln wir nach der Beratung an andere, für sie geeignete Stellen.
Tips: Wie lange bleiben Frauen durchschnittlich im Frauenhaus?
Walli: Die maximale Aufenthaltsdauer beträgt zwölf Monate. Die tatsächliche Aufenthaltsdauer variiert von Frau zu Frau: manche bleiben in Krisensituationen nur kurz im Frauenhaus, andere bleiben länger und nutzen die Zeit im Frauenhaus, um sich ein neues Leben aufzubauen.
Tips: Warum suchen Frauen Schutz?
Walli: Frauen, die sich an das Frauenhaus wenden, erleben in ihrem familiären Umfeld eine oder eine Kombination der folgenden Gewaltarten: physische Gewalt, psychische Gewalt (Drohungen, Beschimpfungen, Demütigungen, Erpressungen), sexualisierte Gewalt (Vergewaltigung, sexuelle Handlungen unter Zwang), ökonomische Gewalt (Kontrolle der Finanzen, Missbrauch der finanziellen Abhängigkeit) und soziale Gewalt (Freiheitsentzug durch Einsperren oder Ausgehverbot, Kontaktverbot nach außen, Telefonkontrolle, der Frau wird verboten eine Arbeitsstelle anzunehmen). Sie suchen Schutz vor ihren Ehemännern, (Ex-)Lebensgefährten oder auch vor ihren Eltern, Schwiegereltern, Geschwistern.
Tips: Wie sieht das Leben im Frauenhaus aus?
Walli: Das Frauenhaus bietet den Frauen die Möglichkeit in Ruhe und ohne Druck überlegen zu können, was weiter geschehen soll. Bei der Umsetzung ihrer Ziele werden sie von den Mitarbeiterinnen begleitet und unterstützt. Die Frauen bewohnen gemeinsam mit ihren Kindern ein Zimmer, die Küchen, Bäder und WCs teilen sie sich mit anderen Frauen. Für die Kinder und den Haushalt ist jede Frau selbst verantwortlich; für die Reinigung des gemeinsamen Wohnbereichs gibt es einen wechselnden Putzplan. Die Bewohnerinnen können das Frauenhaus jederzeit verlassen. Feste wie Geburtstage, Weihnachten, Fasching oder Ostern werden mit den Bewohnerinnen und Kindern gemeinsam gefeiert. Für die Kinder gibt es einen Spielraum und einen großen Garten mit Spielgeräten. Auch die Dachterrasse wird gerne genutzt. Die Kinderbetreuerin bietet Einzel- und Gruppenstunden an. Die Bewohnerin führt je nach Bedarf wöchentliche Gespräche mit der Bezugsbetreuerin, dabei geht es um psychosoziale Beratung bzw. um die Umsetzung der vereinbarten Ziele. Während der regelmäßig stattfindenden Hausversammlungen werden gemeinsame Aktivitäten geplant, Organisatorisches besprochen, der Putzplan für den gemeinsamen Wohnbereich erstellt, aber auch Probleme im Haus besprochen und Lösungswege dafür erarbeitet. Einmal in der Woche findet das Projekt „Frauen stärken Frauen“ statt. Eine externe Fachfrau begleitet und unterstützt die Frauen, um ihren Selbstwert zu stärken. Männer dürfen nicht ins Frauenhaus. Die Bewohnerinnen dürfen aber (nach Absprache) weiblichen Besuch empfangen. In regelmäßigen Abständen arbeitet ein männlicher Erlebnispädagoge mit den Kindern, um ihnen ein positives Männerbild zu vermitteln.
Tips: Wer kann das Angebot „Frauenhaus Innviertel“ nutzen?
Walli: Alle Frauen über 18 Jahre, die ihren letzten Wohnsitz in den Bezirken Ried, Braunau oder Schärding haben und die von den verschiedensten Formen von Gewalt betroffen oder bedroht sind. Das Angebot steht allen Frauen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Konfession oder wirtschaftlicher Situation offen.
Tips: Seit 1999 gibt es das Frauenhaus Innviertel: was hat sich seither verändert, bzw. was ist gleich geblieben?
Walli: Es kommen immer mehr Frauen, die keine Kinder haben bzw. haben die Frauen weniger Kinder. Der Anteil der Migrantinnen hat sich erhöht. Die Abgrenzung zum Täter ist aufgrund von Handy und Internet für die Frauen schwieriger geworden. Dadurch gibt es neue Wege für Übergriffe und weitere Ausübung von Gewalt.
Tips: Sind Frauen, die Gewalt erfahren, heute eher bereit sich Hilfe zu suchen als früher?
Walli: Das Bewusstsein, dass Gewalt nicht o.k. ist, hat sich gesteigert. Trotzdem werden noch immer nicht alle Formen von Gewalt als solche wahrgenommen und frühzeitig Hilfe in Anspruch genommen. Es ist nach wie vor ein wichtiger Teil unserer Arbeit, das Bewusstsein zum Thema Gewalt in der Gesellschaft zu erhöhen und Aufklärungsarbeit zu leisten.
Tips: Wie viele Frauen haben im vergangenen Jahr Schutz im Frauenhaus Innviertel gesucht?
Walli: Im Jahr 2016 haben 29 Frauen (und 28 Kinder) im Frauenhaus Innviertel Schutz gesucht. In allen Fällen war eine oder mehrere Formen der Gewalt Grund für die Aufnahme.
Kontakt Frauenhaus Innviertel:
Postfach 43, 4910 Ried im Innkreis
office@frauenhaus-innviertel.at
NOTRUF rund um die Uhr: 07752/71733
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