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Täglich schließt ein Hof seine Türen

Omer Tarabic, 18.04.2023 13:34

ANDORF. Martina Mittermayr, eine engagierte Bäuerin aus Andorf, ist Mitglied der Agrar Gemeinschaft Österreich (AGÖ). Im Interview mit Tips spricht Mittermayr unter anderem über die Arbeit der AGÖ.

Martina Mittermayr ist Landwirtin mit Leib und Seele. (Foto: Privat)
Martina Mittermayr ist Landwirtin mit Leib und Seele. (Foto: Privat)

Tips: Frau Mittermayr, welche Ziele verfolgt die AGÖ?

Mittermayr: Primär geht es darum, Landwirten die Möglichkeit zu bieten, ihre Betriebsmittel so kostengünstig wie möglich einkaufen zu können. Beim letzten Verkaufstag der AGÖ Mitte März am Rieder Messegelände waren rund 5.700 Bauern vertreten.

Tips: Landwirte machen seit Jahren immer wieder mit Protest-Aktionen auf sich aufmerksam. Man hat jedoch das Gefühl, dass sich wenig an den Arbeitsbedingungen von Bauern ändert? Würden Sie sich mehr Unterstützung für die Bauern durch die Kammer beziehungsweise die Bundesregierung wünschen?

Mittermayr: Ja, genau das wünschen wir uns. Das ist auch der Grund, warum wir am 22. März vor der Landwirtschaftskammer unserem Landwirtschaftskammerpräsidenten ein Forderungspapier seitens der AGÖ übergeben haben. Auch wenn es für die Landwirtschaftskammer nicht immer einfach ist, Ziele zu erreichen. Wir wünschen uns eine ordentliche Vertretung, die für die Landwirtschaft entscheidet und nicht, wie so oft, im Sinne der Wirtschaft. Mit sehr vielen abgetragenen Gummistiefeln haben wir auf das große Höfesterben in der Landwirtschaft aufmerksam gemacht. In den letzten zehn Jahren schlossen 45.000 Betriebe für immer ihre Türen. Diese Wertschöpfung aus den Betrieben kehrt nie wieder zurück. Momentan gibt es noch 110.000 landwirtschaftliche Betriebe in ganz Österreich und noch immer schließt jeden Tag ein Hof seine Stalltüren.

Tips:Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung wird seit Jahren gefordert. Wer will diese Ihrer Meinung nach unbedingt verhindern?

Mittermayr:Seitens der AGÖ wurde mit sehr vielen Funktionären, Politikern und Gastronomen Gespräche geführt. In diesen wurde klar, dass die Wirtschaft die Herkunftskennzeichnung mit allen Mitteln verhindert. Jene Herkunftskennzeichnung, die den Konsumenten momentan verkauft wird, ist für mich ein Affront – vor allem den Konsumenten gegenüber. In der Gemeinschaftsverpflegung nachweisen zu müssen, ob EU oder Nicht-EU, hat mit einer ordentlichen Herkunftskennzeichnung nichts zu tun und ist abermals ein Zeichen für unsere viel zu wirtschaftsdominierte Politik, die anscheinend ihre Aufgabe nicht mehr darin sieht, unsere Landwirtschaft zu stärken und somit auch unser so wunderschönes Österreich in der Form zu erhalten. Florierender Tourismus wird zukünftig nur mit florierender Landwirtschaft Hand in Hand gehen können.

Tips: Welche Vorteile würde eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bringen?

Mittermayr:Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bringt nicht nur hochwertigste Qualität auf unsere Teller, sondern auch die nötige Wertschöpfung wieder auf unsere Höfe, um auch für unsere zukünftige Bauerngeneration den Grundstein für ein Fortbestehen zu schaffen.

Tips:Alles wird teurer. Viele Menschen müssen sparen. Könnte es jetzt zu noch mehr Billigfleisch-/Obst-/Gemüse-Importen kommen?

Mittermayr: Das ist schon der Fall. Viele Konsumenten jammern, das alles teurer wird und ehrlich gesagt – ich kann das verstehen. Aber wir müssen schon gut hinschauen, woher diese enormen Teuerungen kommen und die kommen eindeutig aus der Energie (Strom, Diesel usw.) Große Aktionen mit essenziellen Grundnahrungsmitteln zu machen, spart im Geldbörserl der Konsumenten wenig und schadet der Landwirtschaft enorm. Man müsste schon an den großen Schrauben drehen, aber da sind wir wieder bei der viel zu wirtschaftsdominierenden Politik.

Tips:AMA-Gütesiegel-Betriebe kommen immer wieder negativ in den Medien vor.

Mittermayr: Es ist ein klares Ziel der NGOs, das AMA-Gütesiegel im wahrsten Sinne des Wortes abzuschießen. Non-Profit-Organisationen wie Greenpeace oder der VGT wollen eine Zukunft, die fleischlos ist. Dementsprechend gesetzlos ist auch das oft illegale Vorgehen derer, die in Stallungen einbrechen, um Filmkameras aufzuhängen.

Tips:Auch wenn wir hier von Ausnahmen sprechen: Wie schädlich sind solche Vorfälle für den Beruf des Landwirtes?

Mittermayr: Natürlich ist dies ein schwerer Schlag für uns Landwirte und für das sehr gut aufgebaute AMA-Gütesiegel. Es gibt leider auch in der Landwirtschaft schwarze Schafe, deren schlimme Bilder wir dann in den Medien zu sehen bekommen, und wofür dann Tausende ordentlich wirtschaftende Landwirte ihren Kopf hinhalten müssen.

Tips: Würden strengere Kontrollen helfen?

Mittermayr:Strengere Kontrollen halte ich für unangebracht. Man muss immer gut hinschauen, warum Missstände passieren. Oft sind es auch Arbeitsüberlastung, Familienprobleme, psychische Krankheiten. Meine Botschaft: Wer unser wunderschönes Österreich, wie wir es aktuell haben (mit florierendem Tourismus, wunderschönen Naherholungsgebieten gepflegt von unseren Landwirten und hochwertigst produzierten Lebensmitteln) weiterhin genießen will, der sollte sich dafür einsetzten, dass wir die Landwirtschaft zukünftig nicht mehr sanktionieren und zu Tode kontrollieren.


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