\"Bergkristall\": Keine Hinweise auf weitere NS-Stollen
ST. GEORGEN/GUSEN. Andreas Sulzer löste im vergangenen Jahr in der Öffentlichkeit immer wieder Spekulationen aus, dass die Stollenanlage „Bergkristall“ größer wäre als bisher bekannt. Eine wissenschaftliche Überprüfung einer Expertenrunde widerlegt nun diese immer wieder propagierte Vermutung des Filmemachers. In den vergangenen Monaten wurde intensiv über Größe und Verwendung der von den Nationalsozialisten errichteten Stollenanlage „Bergkristall“ diskutiert. Als „Indizien“ dafür wurden diverse Unterlagen wie Pläne, Luftbilder, Interviews mit Zeit-zeugen, Fotos, Mikrofilme, Kartenmaterial und Bauakten sowie Geo-Radar und Geo-Elektrik Untersuchungen genannt. Um Klarheit zu schaffen, wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Perg auf Basis der vorgelegten Dokumente ein mehrere Schritte umfassendes Programm, bestehend aus der Durchführung von Erkundungsbohrungen, der Erhebung relevanter Umweltdaten und der objektiven, wissenschaftlichen Beurteilung durch hochrangige Experten, umgesetzt. Die Ergebnisse wurden von dieser am vergangenen Montag in Perg der Öffentlichkeit präsentiert. Sulzers Annahmen wurden nicht bestätigt Dabei wurde festgestellt, dass kein einziger Beweis und damit keine einzige Vermutung einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten hat. Es gibt somit weiterhin keinen schlüssigen Hinweis darauf, dass einerseits die Stollenanlage größer wäre oder es andere Aktivitäten – insbesondere Atom- oder Raketenforschungszentrum – dort gegeben haben könnte als bisher bekannt.Sulzer hat Dokumente falsch zugeordnet „Der Forschungsstand, den wir jetzt haben, wurde durch vielzählige Quellen belegt. Herr Sulzer dürfte seine Dokumente, die auch uns bekannt sind, fälschlicherweise dem Langenstein bei St. Georgen an der Gusen zugeordnet haben. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Plan einer Anlage aus Langenstein in Sachsen-Anhalt, einem Außenlager des KZ Buchenwald“, erklärt Bertrand Perz, stellvertretender Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien. Ein weiterer mutmaßlicher Erweiterungsplan für Bergkristall entpuppte sich als Plan des Stol-lenprojekts der MAN Maschinenfabrik im deutschen Mainz-Weisenau. Auch diverse andere Dokumente, die laut Sulzer bisher unbeachtet geblieben sein wollen, wurden, weil nicht vorgelegt von Sulzer, noch einmal aufgearbeitet, brachten aber keine neuen Erkenntnisse zu Tage. Dass „Bergkristall“ als gigantische Stollenanlage in die Geschichte eingegangen ist, sei unbestritten, so die Expertenrunde, aber nich größer, als bekannt.Denkmalschutz ist unbedingt zu wahren Die Fundstücke, die Sulzer mit seinem Team bei den nicht bewilligten Grabungen im Dezember gefunden hat, gehören einer Schießanlage an und seien kein weiterer Stollen. „Solche Grabungsarbeiten sind zu bewilligen. Das Denkmalschutzgesetz sieht vor, dass diese nur an Personen erteilt werden, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben“, betont Paul Mahringer vom Bundesdenkmalamt. Claudia Theune-Vogt vom Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien: „Man wird in dieser Region immer wieder Relikte finden, diese passen aber in das bekannte Forschungswissen.“ „Gusen, Mauthausen und alle Orte, an denen gelitten worden ist, sind keine Plätze für Spekulationen.“BARBARA GLÜCK„Wir sind dankbar für jeden neuen Hinweis, denen wird auch immer nachgegangen, aber über diese Herangehensweise ist man unglücklich. Gusen, Mauthausen und alle Orte, an denen gelitten worden ist, sind keine Plätze für Spekulationen“, brachte Barbara Glück, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ihren Unmut zum Ausdruck. Auch das Infragestellen der Häftlings- und Totenzahlen sei nicht angebracht, wenn es nicht anders belegt sei. „Hinter diesen Zahlen stehen Menschen. Die Gedenkstätte ist den Opfern und deren Angehörigen gewidmet. Ich erbitte mir deshalb auch einen respektvollen Umgang mit diesen Daten“, ergänzt Glück. Sulzer forderte vergangene Woche nach weiteren GrabungenSulzer wird sich vermutlich auch mit diesen Ergebnissen nicht zufriedengeben. Erst vergangenen Mittwoch lud der Filmemacher zu einer Informationsveranstaltung in den Aktivpark4222, bei dem auch Tilman Kammler (Enkel des SS-Generals Hans Kammler) und Geoelektrik-Expertin Birgit Kühnast anwesend waren. Er ist von der Existenz weiterer Stollen sowie unterirdischer Raketenabschussplätze überzeugt und vermutet dort den Eingang in ein Stollensystem. Nun verwies er auf Dokumente über die Bauaktivitäten, alte Fotos und eine Auswertung von Luftaufklärungsfotos sowie die Ergebnisse geoelektrischer Messungen. Die Luftaufnahmen würden darauf hindeuten, dass es noch geheime unterirdische Bauten geben könnte. Geoelektrik-Expertin Birgit Kühnast empfahl weitere Bohrungen. Unterstützung erhielt Sulzer auch vom deutschen Soziologen Tilman Kammler, dem Enkel des SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Hans Kammler, der im Übrigen die Leitung von Bau- und Rüstungsprojekten inne hatte. Auch er sprach sich für erneute Grabungen aus: “Sulzers Sammlung von Hinweisen gehört aufgearbeitet. Die Wahrheit kennt nur der Spaten.“„Bergkristall“ soll an einzelnen Tagen geöffnet werdenIm Gedenkjahr 2015 will man die Stollenanlage „Bergkristall“ erstmals auch für die Öffentlichkeit an einzelnen Tagen öffnen, zumindest ist das das Ansinnen der Expertenrunde.
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