Steyrer Travestie-Künstler: "Jeder Mensch darf und soll lachen"
STEYR. Seit 2009 managt der Steyrer Christian Vazansky die erfolgreichen „Herr...lichen Damen“, seit 2014 zeichnet der 37-Jährige auch für das Showprogramm der Travestie-Gruppe verantwortlich. Mit Tips sprach er über die Entstehung einer Show, die aufwendige Verwandlung in eine Lady und über das Recht, man selbst sein zu dürfen.
Tips: Wie kam es, dass Sie Travestiekünstler wurden?
Christian Vazansky: Das war ein lustiger Zufall. Nach der Musical-Uni „Performing Arts“ war ich auf Jobsuche und las eine Anzeige, wo eine Backstage-Kraft für einen Travestieball gesucht wurde. Um Kontakte zu sammeln, bewarb ich mich. Die Stelle war schon weg, aber es wurden noch Künstler gesucht. Im April 2006 habe ich dann zu den Herr...lichen Damen gewechselt und seit November 2009 bin ich Firmeninhaber und sehr glücklich darüber.
Hatten Sie schon immer ein Faible für Frauenkleider?
Nein – Travestie hat auch nichts mit dem Fetisch Frauenkleider zu tun, es ist die Kunst der Verwandlung. Für mich ist interessant, in einer Show in unterschiedlichste Rollen zu schlüpfen und mich motiviert, die Menschen aus dem Alltag zu holen. Das Leben ist nicht immer leicht, aber jeder Mensch darf und soll lachen. Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag, sagte schon Charlie Chaplin.
Wie entsteht ein Showprogramm?
Das ist ein interessanter Prozess. Das ganze Team wird zusammengeholt, dann lege ich einen möglichen Titel auf den Tisch und es werden Ideen gesammelt. Daraus versuche ich ein rundes, unterhaltsames Programm zu kreieren. Gemeinsam werden dann Kostüme entworfen, Perücken gesucht, Kopfaufbauten gestaltet. Einer der Künstler ist auch Choreograph und kümmert sich um die Tanzschritte. Es wird geprobt, geklebt, geshoppt. In unzähligen Stunden arbeiten wir jedes Detail genauestens aus.
Was bedeutet es an Arbeit am Körper, eine „Dame“ zu werden?
Das Wichtigste ist natürlich das Make-up. Wir benötigen ein bis zwei Stunden, um unsere Gesichtszüge feminin zu schminken. Aber auch die ganze Körperspannung und das Bewegungsmuster müssen stimmen. Ich habe da einen gewissen Anspruch. Immerhin gibt es die Herrlichen Damen seit 33 Jahren und wir dürfen mit Stolz sagen, dass wir die österreichische Travestiegruppe sind, die im ganzen Land von einem Theater zum nächsten fährt (Anmerkung: über 100 Auftritte pro Jahr).
Was passiert vor einer Show?
Es geht um ca. 14.30 Uhr am Veranstaltungsort los. Wir laden zwei Tonnen aus dem Tourbus und räumen die Garderobe ein. Es ist wichtig, dass alles am richtigen Platz liegt, die Geschwindigkeit der Verwandlungen bei der Show erfordert eine gewisse Logistik. In die Maske geht es so zwei Stunden vor Beginn. Jeder Künstler hat Rituale. Ich bin gerne ruhig und konzentriere mich auf den Auftritt, damit ich 100 % Leistung geben kann.
Sie sind als Bühnenlady in Ihrer ganzen Erscheinung glaubhaft: Gibt“s dafür besondere Tricks?
Puh, eine schwere Frage – ich glaube, es ist der Anspruch an Perfektion. Ich sehe mir regelmäßig Aufzeichnungen von der Show an und arbeite viel an mir. Nur Übung macht den Meister.
Wieviele Kostüme besitzt das Ensemble mittlerweile?
Ich glaube, es sind über 3000 Kostüme im Fundus.
Welche Herausforderungen sieht das Publikum nicht?
Es passiert bei uns sehr viel im Hintergrund – die Zeit auf der Bühne macht den geringsten Teil der Arbeitsstunden aus. In manchen Wochen haben wir bis zu vier Shows an unterschiedlichen Orten. Trotz vieler Stunden im Auto soll man beim Auftritt ganz frisch wirken. (Zwinkernd:) Unsere Kaffeemaschine nehmen wir überall hin mit.
Was denken Sie macht die Faszination für Männer, die wie Frauen aussehen, aus?
Es ist schön anzusehen, eine Illusion und vor allem unterhaltsam.
Travestie als Persiflage gängiger Klischees von männlich und weiblich – spielen Sie darauf in der neuen Show „ARTgerecht“ an?
In der neuen Produktion möchten wir nicht nur Klischees bedienen, sondern auch zeigen, was Travestie wirklich ist. Wir lassen unser Publikum an Situationen in der Garderobe teilhaben und präsentieren auch die Verwandlung von der Frau zum Mann. Mit Schwung und guter Laune geht es auf eine Reise quer durch die Welt der Travestie. Damit wollen wir auch aussagen, dass jeder Mensch, egal an was er glaubt und was er möchte, das Recht hat, so zu sein wie er ist.
Wo finden Sie Ausgleich?
In der Natur, in den Bergen. Eine meiner Leidenschaften ist das Schwammerlsuchen und -verarbeiten. Ich koche für mein Leben gern.
Sind Sie auch privat mal Diva?
Privat bin ich sehr bescheiden und zufrieden. Zwischenmenschlicher Respekt ist mir das Wichtigste. Ich darf aber schon verraten, dass ich weiß, wie ich meinen Kopf durchsetze, da kann schon mal kurz die Diva durchkommen (lacht).
Hat man eine Chance, Sie hinter Ihrer Figur „Bobby Blue“ z.B. im Kaffeehaus wiederzuerkennen?
Wenn man genau hinsieht schon. Es gibt immer wieder Leute, die meine Augen erkennen. Wenn man dann noch genau hinhört, erkennt man mich auch an der Stimme. In der Show bin ich ja doch schon seit vielen Jahren die Plaudertasche und ich rede auch privat sehr viel und sehr gerne.
Travestie-Revue im Stadttheater
Die Herr...lichen Damen gastieren am Samstag, 10. Februar, mit „ARTgerecht“ im Stadttheater Steyr. VVK: Ö-Ticket, Stadtservice Steyr, Tel. 07252/575-800
Tips verlost Karten!
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