Experten befürchten eine "noch nie dagewesene Borkenkäfer-Invasion"
BEZIRK ZWETTL. Er ist nur 3,9 bis 5,5 Millimeter groß, aber versetzt die Waldbesitzer in Unruhe: der Borkenkäfer. Für heuer wird ein Käferjahr vorhergesagt, das es in dem Ausmaß noch nicht gegeben hat, die Schäden der letzten Jahre werden mit Sicherheit übertroffen werden, heißt es seitens Experten.
Lange, heiße und trockene Perioden sind des Borkenkäfers Nährboden. Dadurch hat sich die Situation bereits in den letzten zwei Jahren angespannt, der heuer ungewöhnlich warme und trockene April verschärft diese nur noch mehr. „In Kürze rechnen wir mit einem massiven Käferbefall“, äußert Gerhard Blabensteiner, Obmann des Vereins zur Förderung des Waldes seine Befürchtungen. „Wenn die trockene Witterung weiter anhält, müssen wir mit einer noch nie dagewesenen Käferinvasion rechnen“, spricht Blabensteiner Klartext.
Schadholz dringend aufarbeiten
Viele Behörden und Experten rufen die Waldbesitzer derzeit gleichermaßen auf, sämtliches noch nicht aufgearbeitetes Schadholz sowie sämtliches Holz, das noch im Wald oder in Waldnähe auf Lager liegt, unverzüglich aufzuarbeiteten. „Wöchentliche Kontrollgänge im eigenen Wald sind nun das Wichtigste“, appelliert Blabensteiner.
„Lagerplätze sollten wirklich 300 bis 500 Meter vom Wald entfernt sein“, betont Herbert Grulich, Obmann-Stellvertreter des Vereins zur Förderung des Waldes. Das stellt manche Forstbesitzer natürlich vor Herausforderungen. Und das Problem, das sich bereits jetzt abzeichnet: Die Sägewerke sind voll, die Transporteure fahren am Limit, und der Forstwirt weiß nicht, wohin mit dem Holz.
Ideal: Nasslagerplätze
Optimal wären große Zwischenlager, idealerweise Nasslagerplätze, wo große Mengen an Holz stetig bewässert werden. Das Wasser werde im Kreislauf gepumpt, das Holz immer feucht gehalten. „Hier wären natürlich auch die Waldviertler Sägewerke gefragt“, so Blabensteiner. Der große Vorteil: damit gäbe es keine Qualitätsverluste beim Holz
Zwischenzeitlich wurde seitens des Landes ein Maßnahmenkatalog erstellt, der unter anderem die Errichtung von Nass- und Trockenlagern, die Einrichtung von Koordinierungsstellen, das Bereitstellen von mobilen Einsatztrupps, die Intensivierung der Schadholz-Aufarbeitung, die Unterstützung der Käferabwehrmaßnahmen mit Fallen und Abdeckung von Lagerplatzen oder die Unterstützung bei Mischwald-Aufforstungen vorsieht.
„Derzeit sucht man jedenfalls flächendeckend nach Personal, das vor allem die Wälder in den kleinen Gemeinden im Auge behält“, weiß Herbert Grulich und erwähnt an dieser Stelle lobend die Tiroler, die in jeder Gemeinde über einen sogenannten Waldaufseher verfügen. „Das wäre vielleicht genau das, was wir bräuchten.“
Käferfallen
Immer wieder ist in Zusammenhang mit dem Borkenkäfer von diversen Fallen die Rede. „Käferfallen haben einen Sinn, wenn man sie an den problematischen Punkten mit Abstand von 15 bis 30 Meter zum Waldbestand aufstellt“, erklärt Grulich. Blabensteiner rät weiters zur Vorsicht und zu einem fachkundigen Umgang, denn sonst locke man den Käfer unter Umständen an und hat mehr Schaden als zuvor.
Misch- statt Monokultur
Die wichtigste langfristige Maßnahme, die ein Waldbesitzer sofort ergreifen kann: „Keine Fichte unter 700 Meter Seehöhe setzen, Monokulturen vermeiden und stattdessen auf eine nachhaltige Waldbewirtschaftung bauen.“ Zwar gebe es auch über 1000 Meter schon vereinzelt Käferbäume in exponierten Lagen, allerdings spricht Blabensteiner hier von Einzelfällen. Diese würden sich seiner Ansicht nach nie so explosionsartig vermehren, außer die Niederschläge nehmen weiterhin stark ab.
Fichte wird noch immer als „Brotbaum“ gesehen
Die Klimaveränderung ist jedenfalls Fakt, so Blabensteiner, „wir haben in den letzten Jahrzehnten viele Schadstoffe rausgeblasen und sind mit der Natur nicht sachte umgegangen, das bleibt nicht ohne Folgen“. Der Region des Weinviertels wird in rund 100 Jahren eine Steppe prophezeit, „ich hoffe, dass das Waldviertel hier nicht dabei ist.“ Um dem entgegenzuwirken, sei es umso entscheidender Mischbestände zu forcieren, so Blabensteiner der selbst auf Naturverjüngung baut und seit zehn Jahren keine Fichte mehr setzt.
Grulich fügt hinzu: „Es wird für die Fichte in gewissen Lagen eng – und trotz vielfacher Aufrufe haben viele Waldbesitzer jahrzehntelang nicht auf die Warnungen reagiert.“ Noch immer gelte die Fichte als „Brotbaum“. Es wäre Zeit für ein Umdenken - vor allem langfristige Sichtweisen, die nicht nur die wirtschaftliche Perspektive sondern auch die nächsten Generationen berücksichtigen, sind gefragt, sind sich beide Experten einig.
Vier Generationen denkbar
Der Borkenkäfer ist heuer früher aktiv als sonst. Wird es weiterhin warm und trocken bleiben, könnten heuer drei statt vier Generationen Käfer ausgebildet werden, befürchten Forstinspektoren. „Vor 25 Jahren sprach man noch von zwei Generationen“, so Blabensteiner nachdenklich.
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