Wirtschaftskammer-Obfrau Blauensteiner: Über Kind und Karriere, Papamonat, oder die Waldviertelautobahn
ZWETTL. Seit 1. Februar steht Anne Blauensteiner offiziell an der Spitze der Wirtschaftskammer Zwettl. Tips hat sie um berufliche als auch um ein paar private Einblicke gebeten.
Tips: Hatten Sie das Amt der Obfrau schon länger im Hinterkopf?
Anne Blauensteiner: Ja, definitiv. Ich übernahm 2011 die Funktion als Vorsitzende bei Frau in der Wirtschaft Zwettl. Davor war ich auch nie politisch tätig, für mich kam das nicht in Frage, solange meine beiden Töchter noch klein waren. Denn mein Vater war 25 Jahre Gemeinde- und Stadtrat und zuhause oft nicht präsent, das hat mir damals schon gefehlt. Als meine Kinder dann älter waren, hat sich diese Möglichkeit zufällig ergeben. Durch die Tätigkeit und die tolle Zusammenarbeit im Team der Wirtschaftskammer ist schon der Gedanke aufgekommen, dass das Amt der Obfrau erstrebenswert wäre, hat doch Dieter Holzer damals klar geäußert, dass er den Obmann nur für eine gewisse Zeit ausüben wird.
Tips: Wo liegen Ihrer Meinung nach die dringlichsten Herausforderungen im Bezirk?
Blauensteiner: Darin, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Jungen in der Region bleiben und junge Familien zurückkommen und hier ihren Wohnort und ihre Arbeit suchen. Und da gibt es noch viel zu tun: es muss die flächendeckende Breitbandanbindung gewährleistet sein, es müssen entsprechende Wohnungen und Bauplätze vorhanden sein. Wir werden auf jeden Fall den Kontakt mit den Verantwortlichen suchen, denn das pressiert wirklich. Die Arbeitswelt ist derart im Umbruch und die neuen Arbeitsformen, wie etwa Telearbeit, müssen auch am Land möglich gemacht werden - auch im privaten Wirtschaftsbereich.
Tips: Das Thema „Aufwertung der Lehre“ ist schon seit vielen Jahren präsent, oft hat man das Gefühl, dass die gesetzten Maßnahmen noch nicht wirklich fruchten…
Blauensteiner: Insgesamt steigt die Zahl der Lehrlinge wieder an, aber es ist natürlich eine immense Herausforderung, genügend Betriebe im Bezirk zu haben, die ausbilden. Und diejenigen die ausbilden, suchen händeringend Fachkräfte. Es gehen in den nächsten Jahren sehr viele in den Ruhestand, hier müssen wieder Fachkräfte nachkommen. Berufsorientierung an den Schulen ist ein wichtiges Thema, denn junge Menschen sollen sich auch ihren Talenten entsprechend verwirklichen können. Ein weiterer Aspekt, den man den Schülern mitgeben muss: dass sie mit einer Lehre großartige Karrierechancen haben, wie man etwa an vielen tollen Gründern sieht. Und gerade im technischen Bereich sind die Facharbeiter wirklich gut bezahlt. Hier wollen wir auch ansetzen und mehr Mädchen für den technischen Bereich interessieren, es muss ja nicht immer ein typischer Frauenberuf sein.
Tips: Wo sehen Sie große Chancen im Bezirk?
Blauensteiner: Meiner Meinung nach ist der Zusammenhalt sehr gut, die Menschen sind, so wie ich sie wahrnehme, sehr offen, was auch immer andere sagen mögen. Grundlegende Eigenschaften, um etwas im Leben zu erreichen, wie Fleiß, Verlässlichkeit oder das Verfolgen von Zielen sind meiner Ansicht nach hier ausgeprägt. Und unsere Handwerker sind sehr gefragt, die Qualität der Waldviertler Arbeit ist absolut hochzuhalten.
Tips: Was wäre Ihre Vision für den Bezirk Zwettl?
Blauensteiner: Meine Vision wäre, dass der Bezirk Zwettl wirklich nach außen strahlt und viele Menschen hier herkommen wollen, weil die Lebensqualität einfach die beste ist und weil es tolle Arbeitsplätze gibt. Ich möchte, dass der Bezirk als Magnet gesehen wird, wo die Leute einfach hinziehen wollen, weil das Umfeld und die Rahmenbedingungen passen. Aber da haben wir noch viel Arbeit vor uns.
Tips: Ihr Vorgänger Dieter Holzer hat sich immer klar zur Waldviertelautobahn positioniert, was ist Ihre Meinung?
Blauensteiner: Grundsätzlich ist eine Verbesserung der Verkehrswege im Waldviertel positiv zu sehen. Das heißt ich begrüße das Projekt, allerdings sollte man trotz Autobahn auf die anderen Verkehrswege nicht vergessen, auch nicht auf die Datenverkehrswege - das Breitband. Denn nur die Autobahn alleine wird uns nicht helfen, so mag es vielleicht entlang dieser eine Wirtschaftsbelebung geben, aber viele anderen Gebiete werden noch mehr ausbluten und das darf nicht sein. Es muss alles gut erschlossen und ganzheitlich mitgedacht werden.
Tips: Sie ermutigen Frauen immer wieder, sich beruflich zu entfalten: Wie sehen Sie die Diskussion rund um den Papamonat?
Blauensteiner: Ich begrüße natürlich alles, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert, vor allem bei Frauen. Aber ich teile auch die Bedenken der Wirtschaftskammer, denn der Papamonat ist gerade für unsere vielen kleinen Betriebe, mit ein, zwei Facharbeitern, schwierig umzusetzen. Das würde für die Unternehmer nicht leicht werden.
Tips: Sie sind selbstständige Unternehmensberaterin, Mutter von zwei Töchtern, Gemeinderätin, Vorsitzende von FiW Zwettl und nun auch Bezirksobfrau und Kandidatin auf der ÖVP-EU-Liste - wie bekommen Sie Ihre vielen Funktionen unter einen Hut?
Blauensteiner: Für mich war immer klar, wenn ich Obfrau der Bezirksstelle werde, gebe ich den Vorsitz bei Frau in der Wirtschaft ab. Derzeit bin ich gerade auf der Suche nach einer begeisterten Nachfolgerin. Was man nie vergessen darf: Hinter all den Ämtern steht ein tolles Team, das mich unglaublich gut unterstützt. Auch meine Nachfolgerin darf mit meiner Unterstützung rechnen.
Tips: Und wie schafft man es, Familie und Karriere zu vereinbaren?
Blauensteiner: Kinder und Karriere – auch das geht. Aber natürlich ist Zeitmanagement ein wichtiges Thema bei uns. Ich habe mein Büro zuhause und schon relativ zeitig begonnen, mich selbständig zu machen. Mein Mann und ich sind einfach daran gewöhnt, dass wir nicht ständig beisammen sind. Wir haben noch eine sehr junge Beziehung, und das obwohl wir über 30 Jahre verheiratet sind (lacht). Andreas ist beruflich ebenso sehr eingespannt und daran gewohnt, dass ich am Abend zumeist nicht greifbar bin. Er hat selbst ein paar arbeitsintensive Hobbies. Was uns beiden aber enorm wichtig ist, ist viel gemeinsame Zeit beim Frühstück zu verbringen, dafür stehen wir bewusst früher auf. Ich hole mir danach noch einen zweiten Kaffee, wir lehnen uns aneinander und unser Hund legt sich quer über uns – das ist so unser morgendliches Ritual. Und auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, ich bin eine sehr fürsorgliche Mama, das 20-Minuten-Telefonat mit meiner jüngeren Tochter in Graz ist frühmorgens zur liebgewordenen Gewohnheit geworden – auch wenn ich bestimmt einmal nicht die Oma auf Abruf sein werde.
Tips: Wie würden Sie sich selber beschreiben?
Blauensteiner: Mit dieser Frage habe ich jetzt nicht gerechnet (schmunzelnd). Als äußerst teamorientiert, ich bin keine, die alleine vor sich hinarbeitet. Als tolerant gegenüber Personen und Gruppierungen und ich bin auch ein sehr positiver Mensch, der immer das Gute im Gegenüber sieht. Gerne würde ich wieder ein bisschen konsequenter sein, was die regelmäßige Sportausübung betrifft, aber hier pusht mich jetzt glücklicherweise eine liebe Freundin.
Tips: Vielen herzlichen Dank für das Interview!
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