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Maine ist nicht nur die Heimat von Erfolgsautor Stephen King, der mit seinen Horrorgeschichten begeistert. In den klaren Gewässern des US-Bundesstaates tummeln sich die wohl schmackhaftesten Meeresbewohner der Welt – Hummer!

Fotos: Peter Strobel
Leuchtürme prägen das Bild von Maine.
  1 / 4   Fotos: Peter Strobel Leuchtürme prägen das Bild von Maine.

Endlich ist es so weit. Nach 6000 Flugkilometern und einer zweistündigen Autofahrt von Boston begrüßt ein kleines Schild am Straßenrand Reisende in Maine Willkommen. Noch ist nicht klar, warum man hier eigentlich Urlaub machen möchte. Die Küste ist weit entfernt, die Straße bietet das aus den restlichen USA bekannte Bild: Neonlichter machen Reklame für Mac Donalds und andere Fast-Food-Ketten, Tankstellen und Supermärkte wechseln sich ab. Doch wenige Kilometer später sieht die Welt schon anders aus: Man erblickt den ersten Leuchtturm, kleine Fischerboote ankern in windgeschützten Buchten und am Straßenrand warten Tausende Hummerreusen auf ihren Einsatz. Schon tauchen die ersten Restaurants auf, die mit kleinen Schildern für Hummer in allen Varianten Werbung machen. So viel Propaganda macht sich bezahlt und schließlich ist es schon Mittag.  

Please Wait to be Seated!  

Auch in Robinsons Wharf Restaurant geht ohne Erlaubnis der jungen Kellnerin gar nichts. Auch wenn das Lokal halb leer ist, sich selbst einen Platz suchen ist in Maine selbst in den einfachsten Lokalen nicht standesgemäß. Endlich hat Wendy den Tisch gesäubert und man darf im Freien Platz nehmen. Schnell ist die Entscheidung gefallen. Zwei Hummer, für jeden, dürfen es schon sein. Schon landen die ausgesuchten Tiere in einem kleinen Netz, wandern in das kochend heiße Wasser. Zu schnell für ein Foto. Hier ist kein Platz für Romantik, Hummerverkauf ist hartes Geschäft. Ein Glas Chardonnay verkürzt die Wartezeit. 25 Minuten später. Da liegen sie: zwei knallrote Schönheiten, heiß dampfend und die pure Versuchung.

It`s time to get cracking!

Zuerst sind die Scheren an der Reihe. Schnell erfolgt der Griff zur kleinen Zange, doch der ist umsonst. Bei Soft-Shelllobstern, die gerade ihren Panzer erneuert haben, braucht man kein Werkzeug, ein kräftiger Druck mit den Fingern reicht aus, um an das begehrte Fleisch zu gelangen. Das erste Stück Hummer wandert in den Mund, gibt es was Köstlicheres? Ja, gäbe es, ein zweites Glas Wein wäre nicht schlecht. Doch man muss noch mit dem Auto fahren, und will seine erste Nacht nicht hinter Gittern verbringen. So müssen die Pommes als geschmackliche Ergänzung reichen. Langsam kommen Zweifel auf. Wie viel muss man am Ende des Gelages zahlen? Reicht das Urlaubsbudget dafür aus? Als die blonde Wendy, Kaugummi kauend, die Rechnung bringt, fällt einem ein Stein vom Herzen: 18 Dollar kostete das Vergnügen. Exklusive Wein natürlich. Da kann man mit dem Trinkgeld auch einmal großzügig sein.  

Die Krise ist spürbar.  

Am nächsten Tag wartet Kapitän John auf seiner Lulu schon geduldig auf seine Passagiere. Seit Jahrzehnten ist der bärtige Seemann im Hummer-Business tätigt. Doch die Zeiten waren schon einmal besser. „Die Wirtschaftskrise hat die Hummerfischerei hart getroffen. Ein Fischer bekommt am freien Markt für das Kilo vielleicht sechs, sieben Dollar. Da muss man jeden Tag seinen Fang einholen und hoffen, dass keine Krabben den Fang weggefressen haben.“ Deswegen setzt John seit einigen Jahren auf den Tourismus, bringt Interessierten den harten Alltag der Fischer näher, der an Bord, der in der leichten Brise schaukelnden Lulu kaum zu spüren ist. John gibt präzise Anweisungen, hakt an der Reuse an, die sich schon nach wenigen Sekunden an Bord befindet. Hat man was gefangen? Ja, drei Hummer unterschiedlichster Größe scheinen sich zunächst wenig um das Geschehen zu kümmern. Als der bärtige Seemann sich aber ein Exemplar schnappt, ändert sich das Verhalten schlagartig. Der Hummer schlägt um sich, seine Scheren wollen den Feind schnappen. Doch keine Chance. John weiß, wie man mit dem Fang umgeht. Doch plötzlich wird Johns Gesicht ernst und er betrachtet den Schaum, der sich um den Hummer bildet. „Wir müssen sofort an Land. Dieses Tier hat Tollwut, wurde von einem Hund gebissen.“ Unsicherheit macht sich unter den Passagieren breit, doch plötzlich macht John einen Lacher. „Just a joke“, murmelt er in einem fast nicht verständlichen Englisch. Die zwei jungen Japanerinnen sind erleichtert, wollen jetzt mehr wissen und trauen sich auch das Tier vorsichtig mit dem Finger zu stupsen. „Ja, das ist ein Weibchen, die für die nachhaltige Fischerei entscheidend sind“, erklärt der Kapitän. Daher werden weibliche Exemplare, die Eier tragen, mit einem V-Schnitt am Ende des Schwanzes gezeichnet.  So sind sie drei bis vier Jahre vor gierigen Fischern geschützt. Heute wandern jedoch alle drei nicht in den Kochtopf. Das eine Männchen hätte sowieso keinen satt gemacht. Es fehlte noch ein Zentimeter auf das Mindestmaß von 8,25 Zentimetern. Ja, in Maine nimmt man es genau. Und das zweite Männchen war sogar zu groß für den Pot: Eine Schwanzlänge von etwa 14 Zentimetern, bei maximal erlaubten 12,7 hat ihm das Leben gerettet. Doch auch das Weibchen hatte Glück und landete sanft in den Wellen des Atlantiks. John verdient besser, wenn es sich in 14 Tagen wieder in einer seiner Fallen verfängt. Den Naturschützer freut es und der Gourmet weiß: An Land gibt“s genug schmackhafte Alternativen.

Wichtige Informationen

Maine  Maine ist der US-Bundesstaat mit dem höchsten Waldanteil. 90 Prozent der Landfläche sind mit Pinien bedeckt, daher trägt der östlichste Bundesstaat auch den Beinamen „Pine Tree State“ (Kiefernstaat). Von den insgesamt 91.646 Quadratkilometern sind 12,8 Prozent (11.715 Quadratkilometer) Wasserflächen. Die zahlreichen Fjorde sind auch für die über 8.800 Kilometer lange Küstenlinie verantwortlich, deren Bild von zahlreichen Leuchttürmen geprägt wird. Eine wichtige Einnahmequelle ist der Tourismus. So besuchen jährlich etwa zwei Millionen Besucher den 1929 gegründeten Acadia-Nationalpark, der besonders im Indian-Summer eine einmalige Landschaft mit in allen Farben leuchtenden Bäumen bietet. Daneben werden ungefähr 36.000 Tonnen Hummer pro Jahr aus dem Meer geholt. Tendenz steigend! Die Reduzierung natürlicher Feinde – wie Heilbutt – und unerwartete Folgen des Klimawandels führen nämlich dazu, dass sich immer mehr Hummer in den Reusen verfangen. Doch keine Medaille ohne Kehrseite. Das Überangebot drückt auf die Preise, sodass immer mehr Fischer für immer an Land bleiben. Und die steigenden Wassertemperaturen sind dafür verantwortlich, dass die Schalen nicht mehr ausreichend aushärten. Dadurch ist ein längerer Transport nicht mehr möglich und die Tiere können nicht mehr exportiert werden. Wissenschaftler nehmen zudem an, dass wärmere Temperaturen auch zu Farbveränderungen führen, welche die Hummer für den Konsumenten unattraktiv machen.

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