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AMSTETTEN. Die Corona-Pandemie setzt jungen Menschen besonders zu. Viele von ihnen kommen mit der sozialen Isolation schwer zurecht. Die Zahl der dadurch psychisch leidenden jungen Erwachsenen wird immer größer. Tips sprach mit Vertretern zweier regionaler Jugendeinrichtungen über ihre Erfahrungen.

  1 / 5   Die Erlebnispädagogin und Mediatorin Claudia Bruckner erhält als Leiterin des Amstettner Jugendzentrums A-Toll zahlreiche Einblicke in die Lebenswelten junger Menschen aus der Region. Foto: Kilian Ramharter

„Für Jugendliche ist das Treffen von Freunden ihres Alters in informeller Atmosphäre neben Sport die wichtigste Freizeitaktivität“, erklärt Claudia Bruckner, Leiterin des Amstettner Jugendzentrums A-Toll. Da auch die Schulen geschlossen hatten und gemeinsame Freizeitaktivitäten in diversen Einrichtungen unmöglich waren, habe sie mit ihrem Team „in vielen und oftmals langen Telefongesprächen“ sowie auch via digitaler Medien mit Jugendlichen über deren Sorgen und Ängste gesprochen.

Prekäre Verhältnisse

„Häufig vorkommende Themen waren, dass die jungen Menschen ihre Freunde vermissen. Weiters gab es Probleme mit dem Homeschooling, da vielen die Tagesstruktur gefehlt hat. Vor allem für Jugendliche, die in schwierigen sozialen, familiären Verhältnissen leben, war die Situation herausfordernd – um nicht zu sagen: Sie waren überfordert, da die Unterstützung zu Hause nicht gegeben war“, erklärt Bruckner.

„Heranwachsen ist wesentlich schwieriger“

Ähnliches berichtet Heimo Schaupp von der Streetwork-Jugendeinrichtung „Westrand“ gemeinsam mit seinem Team: „Für viele Jugendliche ist momentan ein Heranwachsen wie vor Corona wesentlich schwieriger. Wichtige Faktoren wie das „Sich-Ausprobieren“ und sich mit Freunden ungezwungen zu treffen sowie persönlich auszutauschen sind nur sehr bedingt möglich. Diese Einschränkungen führen aus unserer Sicht vermehrt zu psychischen Auffälligkeiten und einer erhöhten Vulnerabilität junger Menschen.“

Psychische Belastungen

Jobverlust und die damit verbundenen Zukunftsängste sowie Probleme in Beziehungen und Fragen zu Sexualität seien in der Vergangenheit sehr häufige Themen bei Jugendlichen gewesen. Das habe sich im Jugendzentrum auch durch Corona nicht geändert. „Mädchen sprechen aber häufiger emotionale Themen wie Beziehungen an und sagen, dass sie unter der aktuellen Corona-Situation stark leiden und es ihnen psychisch nicht gut geht. Unsere Beratung ging in einigen Fällen bis hin zu einer gemeinsamen Psychotherapiesuche“, verdeutlicht Bruckner die manchmal sehr schwierige Lage von Jugendlichen.

Verständnis für Corona-Schutzmaßnahmen fehlt manchmal

Zudem sind junge Menschen laut Bruckner in diesem Alter sehr risikobereit. Daher fehle doch manchmal das Verständnis für die coronabedingten Maßnahmen. Dies könne wiederum zu Konflikten mit der Polizei führen. „Allgemein gesagt haben sich die Themen von Jugendlichen durch Corona nicht verändert, sehr wohl jedoch die Intensität. Statt kürzeren Informationsgesprächen sind oftmals lange und intensive Beratungen nötig“, so Bruckner.

Auch bei „Westrand“ hätten sich übliche Themen wie Partnerschaft/Sexualität, Ausbildung/Beruf und Wohnen bis hin zu Krisenintervention nicht besonders verändert. „Auffällig in unserer Wahrnehmung ist jedoch, dass psychische Belastungen in unserer Zielgruppe zum einen mehr zum Vorschein kommen und zum anderen verstärkt auftreten“, so Schaupp.

Große Herausforderungen

Die Corona-Krise sei sowohl für das Team des Jugendzentrums als auch im Besonderen für die jugendlichen Besucher eine große Herausforderung, da das A-Toll bis vor kurzem noch geschlossen war. „Um den Kontakt zu den Jugendlichen nicht zu verlieren, gab es seit Monaten nur Jugendarbeit in digitaler Form. Interessante Aktionen und Interaktionen im digitalen Raum mit und für unsere Jugendlichen zu gestalten, war herausfordernd und seit Beginn der Corona-Situation in diesem Ausmaß auch für das gesamte Team Neuland. Unsere Angebote mussten in kurzer Zeit digitalisiert werden. Viele der bereits geplanten Projekte wurden allerdings verschoben oder ganz abgesagt“, erklärt Bruckner.

Aktuelles Angebot des Jugendzentrums

Das aktuelle Angebot des Jugendzentrums beinhalte Gespräche sowie Beratungs- und Informationsarbeit im Einzelsetting unter Einhaltung der aktuellen Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung und nach Vorliegen eines negativen Tests.

Mobile Jugendarbeit

Auch das Team von „Westrand“ stand coronabedingt vor einigen Herausforderungen. „Nachdem wir nun lange Zeit keine Projekte anbieten durften, liegt unser Fokus verstärkt auf der mobilen Jugendarbeit in Amstetten und den umliegenden Ortsteilen. Unter Einhaltung der jeweils aktuellen Maßnahmen sind wir außerdem für Beratungen in unserer Anlaufstelle da. Sobald es die gesetzlichen Rahmenbedingungen zulassen, werden wir wieder Projekte durchführen“, blickt Schaupp in die Zukunft.

„Bewegen uns in Lebenswelten Jugendlicher“

Streetworker von „Westrand“ sind bei jeder Witterung überall dort unterwegs, wo sich junge Menschen aufhalten: von den Fun Courts in Amstetten, Hausmening und Mauer über die Parks, Bäder und den Ybbsstrand bis hin zum Bahnhof und zur Innenstadt. „Wir bewegen uns in den Lebenswelten Jugendlicher“, erklärt Schaupp die Arbeit der Jugendeinrichtung.

Eine verlorene Generation?

Von einer „verlorenen Generation“ möchte Claudia Bruckner nicht sprechen. Aber: „Viele unserer Besucher, die noch in die Schule gehen oder gerade mit einer Lehre oder einer Berufsausbildung begonnen haben, beschreiben die Situation oftmals wie folgt: „Uns wurde das ganze Jahr gestohlen. Wir können nicht fortgehen, keine Partys feiern und kaum Freunde treffen.“ Die daraus entstandene Frustration und der Ärger sind in den Gesprächen stark spürbar“, so Bruckner.

Lösungsorientierter Diskurs nötig

Auch Heimo Schaupp hält nichts davon, von einer „verlorenen Generation“ zu sprechen: „Unserer Meinung nach wäre es sinnvoller, die Kräfte, die in diese Diskussion fließen, in einen lösungsorientierten Diskurs zu leiten. Junge Menschen können aus der derzeitigen Situation individuell Problemlösungskompetenzen entwickeln. Auf diese können sie in Zukunft als Ressource zurückgreifen.“


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