Unter der Erde Micheldorfs zu graben, bringt einige geschichtliche Erkenntnisse ans Tageslicht
MICHELDORF IN OÖ. Nicht nur die Burg Altpernstein, der Georgenberg und das Sensenschmiede-Ensemble zeugen von der Geschichte Micheldorfs, auch unter der Erde schlummern noch spannende historische Schätze. Drei Wochen lang holten Studierende aus Innsbruck einige davon ans Tageslicht.
Wie es in Micheldorf im frühen Mittelalter ausgesehen haben könnte und wie die Menschen hier gelebt haben, untersuchen die Universität Innsbruck und die OÖ Landeskultur anhand eines Gräberfeldes. Unter der Projektleitung von Barbara Hausmair vom Institut für Archäologien der Universität Innsbruck wurden drei Wochen lang archäologische Ausgrabungen am sogenannten „Gräberfeld Mittermicheldorf - Am Stein“ durchgeführt. Neben der Projektleiterin waren 13 weitere Personen vor Ort, Martina Reitberger vom Landesmuseum, eine Anthropologin sowie Studierende aus Innsbruck und Leipzig, die Interesse an den Ausgrabungen zeigten.
200 Quadratmeter frei gelegt
Als 2016 an der Pyhrnbahn Bauarbeiten durchgeführt wurden, kamen Gräber des frühen Mittelalters (8. oder 9. Jahrhundert nach Christus) auf einer Wiese in der Nähe der Firma MABA in Micheldorf ans Tageslicht. Diese Fundstelle ist neben den Gräberfeldern in Kremsdorf und auf dem Georgenberg der dritte Bestattungsplatz des Frühmittelalters in Micheldorf. Im Rahmen des Forschungsprojektes der Universität Innsbruck in Kooperation mit der OÖ Landeskultur wurden nun rund 200 Quadratmeter in diesem Bereich frei gelegt.
Wenig aus dieser Zeit in diesem Gebiet bekannt
„Wir fotografieren, vermessen und erstellen 3D Modelle von den Gräbern“, berichtet Barbara Hausmair, die erklärt, warum das Gebiet für die Forschung so interessant ist: „Es ist ein spannendes Forschungsprojekt, weil es in Oberösterreich wenige Orte gibt, wo so viele Gräberfelder aus dieser Zeit zu finden sind. Ich gehe davon aus, dass es Hofgemeinschaften waren, mit eigenen Gräbern. Zudem ist hier ein kultureller Pufferraum zwischen verschiedenen Herrschaftsgebieten im östlichen Mitteleuropa. Es gibt wenige Schriftquellen dazu, deshalb wissen wir wenig über die Menschen, die hier gelebt haben.“
Das Kremstal war im Frühmittelalter der Grenzraum zwischen fränkischen, karantanischen und awarischen Herrschaftsgebieten und eine bedeutende Verbindung zwischen Voralpenland und inneralpinem Raum. Obwohl aus Schriftquellen die wichtige Mittlerfunktion des südöstlichen Oberösterreichs hervorgeht, ist bis heute unklar, ob erst im 8. Jahrhundert von Osten her Menschen hier herzogen, ob es in der Region noch Bevölkerung gab, die schon seit der Römerzeit hier lebte, oder ob Zuwanderer aus dem bayrischen Herzogtum auch schon vor der Gründung von Kremsmünster hier einwanderten.
„Direkt an den Menschen dran“
„Mit unseren Ausgrabungen wollen wir ein Bild von der Gesellschaft und deren Lebensbedingungen in dieser Zeit bekommen. Mit der Archäologie sind wir direkt an den Menschen dran. Eine Anthropologin untersuchte die Skelette, um Hinweise auf Krankheiten und Mangelernährung zu erhalten. Weiters werden wir biochemische Analysen durchführen, um etwas zur Mobilität und zu den Verwandtschaftsverhältnissen sagen zu können“, erzählt Hausmair.
Erste Ergebnisse: viele Kinder, wenige Beigaben
Das „Gräberfeld Mittermicheldorf - Am Stein“ besteht aus mindestens 30 Gräbern. Bisher wurden nur Einzelgräber gefunden. Auffallend ist, dass sehr viele davon Kinder beinhalten. Das Jüngste war eine Frühgeburt im achten Monat, das älteste Individuum war zwischen 55 und 60 Jahre alt. „Das ist schon sehr alt für diese Zeit, die Lebenserwartung war damals nicht sehr hoch. Viele starben im mittleren Erwachsenenalter“, erklärt Barbara Hausmair. Weiters wurden sehr wenige Beigaben gefunden. „Das ist aber für diese Zeit üblich. Bei Mädchen und Frauen haben wir Fingerringe und Broschen gefunden. Auch kleine Messer waren dabei“, erzählt die Archäologin.
Nächstes Jahr geht es mit den Ausgrabungen weiter
Nachdem die Projektmitwirkenden circa die Hälfte davon untersuchten, wurde die Grube wieder zugeschüttet. Nächstes Jahr soll es weitergehen. Die Skelette kommen ins Depot der OÖ Landeskultur. Die restlichen Funde werden in Innsbruck analysiert.
„Ich bin dankbar für die gute Unterstützung von den Grundstückseigentümern und der Gemeinde“, sagt Barbara Hausmair und verrät: „Ende des Jahres ist ein Vortrag in Micheldorf geplant, um die Ergebnisse zu präsentieren. Damit die Leute sich mit der Geschichte ihres Ortes auseinandersetzen können.“
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