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Ein Job, der unter die Haut geht: Für kreativen Körperschmuck legen sich die Kunden unter die Nadel von Selina Dutzler

Susanne Winter, MA, 09.01.2024 19:01

KIRCHDORF AN DER KREMS. In der „Stecharei“, dem Studio von Jan Resch, in Kirchdorf werden ab 12. Jänner nicht mehr nur Tattoos, sondern auch Piercings gestochen, verantwortlich dafür ist Selina Dutzler. Die 29-jährige Kirchdorferin hat sich als Tätowiererin und Piercerin selbständig gemacht. Im Tips-Interview erzählt sie, warum sie sich nach acht Jahren im Sozialbereich für den Berufswechsel entschied und wie es sich anfühlt, andere Menschen zu stechen.

Selina Dutzler hat sich als Tätowiererin und Piercerin selbständig gemacht. (Foto: Olga Vinakur)
  1 / 4   Selina Dutzler hat sich als Tätowiererin und Piercerin selbständig gemacht. (Foto: Olga Vinakur)

Tips: Was begeistert Sie an Tattoos und Piercings?

Selina Dutzler: Die Körperkunst an sich fasziniert mich schon seit meinem 14. Lebensjahr. Da habe ich mein erstes Piercing bekommen. Mein erstes Tattoo bekam ich mit 16 Jahren und seither bin ich Feuer und Flamme. Was ich besonders an dieser Tätigkeit schätze ist, dass ich etwas Schönes mit meinen eigenen Händen erschaffe und sofortige Ergebnisse meiner Arbeit sehe. Außerdem kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen. Ich kann anderen Menschen dabei helfen, ihre Persönlichkeit und ihre individuellen Geschichten durch Körperschmuck auszudrücken. Es berührt mich immer sehr, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin und dann in die strahlenden Gesichter meiner Kunden sehe. Der Beruf des Tätowierens und Piercens ist so vielfältig, man lernt viele unterschiedliche Menschen kennen und darf sie auf ihrem Weg begleiten.

Tips: Warum wagten Sie den Schritt vom Sozialbereich in die Selbständigkeit?

Dutzler: Die Arbeit mit psychisch kranken Menschen bereitete mir viel Freude. Mit 24 Jahren bekam ich eine Leitungsposition und habe dreieinhalb Jahre alles von mir in diesen Job gesteckt. Die Rechnung kam dann im Sommer 2022: Burnout mit 28 Jahren. Da zeigte mir mein Körper sehr deutlich, dass ich etwas ändern musste. Ich begann zu zeichnen und mich mit dem Beruf meines Partners [Anmerkung: Tätowierer Jan Resch“ genauer auseinanderzusetzen. Als ich das erste Mal auf Kunsthaut tätowierte, war ich mir sicher, dass das mein neuer Weg ist und ich meldete mich für den Lehrgang zum Tätowieren und Piercen am BFI in Wels an.

Tips: Wie war das Gefühl, als Sie zum ersten Mal jemanden tätowiert beziehungsweise gepierct haben?

Dutzler: Das erste Mal auf menschlicher Haut habe ich mich selbst tätowiert, ein kleiner Glückskäfer über dem Knie. Ich war natürlich wahnsinnig nervös und zittrig, aber das legte sich nach den ersten Minuten schnell. Das liegt vermutlich daran, dass ich es selbst steuern konnte. Wenn man tätowiert wird, kann man ja nicht absetzen, wenn es schmerzt. Das war aber auch das einzige Tattoo, das ich mir selbst gestochen habe. Danach durfte ich gleich mal Jan und meine beste Freundin tätowieren. Die ersten Male war ich immer sehr nervös. Ich hatte Angst, etwas falsch zu machen, immerhin bleibt das Tattoo ja ein Leben lang auf der Haut. Das erste Mal gepierct habe ich im Praktikum vom BFI-Lehrgang. Auch da war ich nervös, weil ich nicht wusste, wie einfach oder schwer eine Nadel durch den Ohrknorpel oder die Haut zu stechen ist. Überraschenderweise geht das relativ einfach und kraftlos.

Tips: Wie beruhigen Sie Ihre Kunden, wenn diese nervös sind?

Dutzler: Mit beruhigenden Worten und genügend Zeit. Ich bespreche vorab alles ganz genau und beantworte alle offenen Fragen. Beim Tätowieren mache ich Pausen, wenn diese benötigt werden. Im Studio gibt es zudem Snacks und Getränke, falls der Kreislauf mal schlapp machen sollte. Wer wirklich sehr ängstlich ist, darf eine Begleitperson mitnehmen. Diese sollte jedoch einen stabilen Kreislauf haben, da es mir bereits passiert ist, dass beim Piercen die Begleitperson umkippte.

Tips: Gibt es Gründe, bestimmte Kunden nicht zu stechen? Wenn ja, welche?

Dutzler: Ja, beispielsweise dürfen die Kunden 24 Stunden vor dem Termin keinen Alkohol, Drogen oder Medikamente zu sich nehmen. Sie sollten ausgeschlafen sein und bereits etwas gegessen und getrunken haben. Schwangere oder stillende Mütter dürfen aufgrund des Infektionsrisikos ebenfalls nicht gepierct oder tätowiert werden. Und bei bestimmten Erkrankungen darf ich den Eingriff nur mit ärztlicher Bestätigung durchführen. Außerdem spielt das Alter der Kunden eine Rolle. Piercen ist in Österreich ab 14 Jahren und Tätowieren ab 16 Jahren erlaubt, jeweils in Begleitung eines Erziehungsberechtigten.

Tips: Gibt es Piercings, die Sie gar nicht stechen?

Dutzler: Ja, ich biete derzeit keine Intimpiercings und Surface-Piercings [Anmerkung: an der glatten Hautoberfläche“ an. Das liegt daran, dass diese Piercings oft vom Körper abgestoßen werden und auch hohe Risiken beinhalten.

Tips: Haben Sie ein Spezialgebiet?

Dutzler: Ich tätowiere hauptsächlich in den Stilen Linework, Dotwork und Blackwork. Traditional Tattoos mache ich auch, aber mein Fokus liegt auf den ersten drei Stilen.

Tips: Sie sind auch selbst tätowiert, was gefällt Ihnen daran?

Dutzler: Wenn ich gefragt werde, wie viele Tattoos ich habe, antworte ich immer: ein Großes. Ich bin beinahe am ganzen Körper, mit Ausnahme des Kopfes, tätowiert. Ein paar freie Stellen gibt es zwar noch, aber sogar diese sind schon verplant. Fast alle meine Tattoos haben eine persönliche Bedeutung oder Erinnerung. Ich mache das ausschließlich für mich, weil es mir gefällt und weil ich so bestimmte Ereignisse, Emotionen und Überzeugungen bei mir habe. Und nicht, um aufzufallen oder herauszustechen, wie viele vielleicht vermuten. Ich finde auch den Prozess an sich, also tätowiert oder gepierct zu werden, spannend. Man setzt sich wissentlich Schmerzen aus, um etwas an sich zu verändern, manchmal auch um einen Lebensabschnitt zu verarbeiten.

Tips: Was war Ihr erstes Piercing und wie war das Stechen?

Dutzler: Ein seitliches Lippenpiercing mit 14 Jahren. Das war damals total im Trend. Ich war nervös, aber es schmerzt nur kurz beim Durchstechen mit der Nadel und dann nochmal, wenn der Schmuck eingesetzt wird. Problematisch waren dann eher die ersten Stunden. Ich wusste anfangs nicht wie ich essen sollte, ohne mir auf das neue Piercing zu beißen. Aber man gewöhnt sich zum Glück sehr schnell daran und hat dann auch keine Probleme mehr.

Tips: Was sind Ihre Lieblingstattoos und -piercings?

Dutzler: Florale Designs, Tiere, Ornamente und schwarze Flächen gefallen mir als Tattoo. Ich finde es sehr ästhetisch, wenn man im Ohr mehrere Piercings hat, welche vom Schmuck aufeinander abgestimmt sind.


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