Erinnerungen an eine Kindheit im Reichraminger Hintergebirge
KLEINREIFLING/REICHRAMING. Die Erzählung seiner Kindheit legt Förster-Legende Walter Stecher im Buchformat vor. Beginnend mit dem Fußmarsch der Hebamme durchs verwunschen anmutende Ennstal anno 1945, schildert sein sehr persönliches Porträt „Von Tal zu Tal“ das harte ländliche Leben nicht allzu ferner Tage.
Wenn Walter Stecher seine Jugendjahre in Kurzgeschichten gießt, werden vergangene Landschafts- und Alltagspanoramen vor dem inneren Auge lebendig. Im Jahr des Kriegsendes kommt Stecher als Sohn eines Berufsjägers in Kleinreifling auf die Welt und wächst als Halbwaise im urtümlichen Mayerhoftal auf. Er erlebt eine Kindheit in vollkommener Bescheidenheit, zugleich von einer heute undenkbaren kindlichen Freiheit geprägt.
Zeitreise in Wort und Bild
In liebevollen Anekdoten und mit kuriosen Details gespickt, zeichnet er im 165-seitigen Buch „Von Tal zu Tal“ ihm in Erinnerung gebliebene Schicksale und Szenerien nach. Wunderschöne Fotografien aus dem Familienfundus begleiten die Zeitreise, alte Dialekt-Worte liefern zusätzliches Lokalkolorit. Wobei auch der Humor nicht fehlen darf. So berichtet Stecher etwa einmal von der unglaublichen Zugreise mit seiner Mutter nach Waidhofen, wo sie sich ein gekauftes Ferkel auf den Rücken schnallt. An anderer Stelle erwähnt er, dass an seinem späteren Heimatort Reichraming der Waldbahnchef via Telefon immer wieder „einen fahren“ ließ.
Der leidenschaftliche Jäger und Fischer Walter Stecher ist dem naturverbundenen Leben immer treu geblieben. Mehr als 30 Jahre lang war er Revierförster im Bodinggraben bei Molln. Tips sprach mit ihm über sein Buch.
Tips: Herr Stecher, Ihre Beschreibungen der Vergangenheit lesen sich, als hätten Sie sie erst gestern erlebt.
Walter Stecher: Da ich sehr viel Zeit alleine in der Natur verbringe – sei es bei der Jagd, beim Fischen oder als Nationalpark-Ranger – habe ich mir einmal gedacht, mein Aufwachsen in Gegenden, wo heute kein Haus mehr steht, für meine Nachkommen nieder zu schreiben.
Tips: Die vielen von Ihnen eingeflochtenen Details geben ein sehr anschauliches Bild von früher ab. Haben Sie Tagebuch geführt?
Stecher: Wir lebten unter sehr bescheidenen Umständen, ohne elektrisches Licht und ohne Fahrzeug. Meine Mutter, sie wäre heuer 117 Jahre alt, hat mir als Kind ab und zu am Abend beim Licht der Petroleumlampe alte Bilder gezeigt, mir die Leute darauf beschrieben und einige Geschichten aus ihrem harten Leben erzählt. Sie hatte sonst niemanden, dem sie sich so intim mitteilen konnte. Mein Kindsein in diesen fast ärmlichen Verhältnissen, mit Unterhaltung nur in der Natur, hat mich ein Leben lang begleitet und geprägt. Ich habe nie ein Tagebuch verwendet. Das Buch schrieb ich aus freien Stücken – wenn mir gerade der Sinn danach stand – in einem Jahr.
Tips: Woher rührt Ihr Talent für das Schreiben?
Stecher: Wenn man immer draußen ist, bei jedem Wetter, entwickelt sich eine gewisse Fantasie und an der möchte man auch andere Menschen teilhaben lassen.
Tips: Sie schildern eine Zeit, die noch nicht lange her und doch gravierend anders ist als der Alltag heute. Wie erleben Sie diesen Wandel?
Stecher: Die Zeit hat sich verändert, die „Moderne“ hat auch mich fest im Griff. Trotzdem sehne ich mich oft nach mehr Einfachheit.
Tips: Was könnte sich die junge Generation von einem Buch wie Ihrem mitnehmen?
Stecher: Ich wünsche der Jugend viel in der Natur – mit offenen Augen – unterwegs zu sein und auch die unscheinbaren Dinge zu genießen und zu erleben. Das prägt einem im Leben.
INFO: Konsulent Oberförster Walter Stecher wurde in Kleinreifling als viertes Kind von Otto und Agnes Stecher geboren. Nach dem frühen Unfalltod des Vaters übersiedelte er mit der Mutter nach Weißenbach bei Reichraming. Das Buch „Von Tal zu Tal“, erschienen im Verlag Franz Steinmaßl, schildert seine ersten 17 Lebensjahre. Bei den Bundesforsten war Stecher 31 Jahre lang als Revierförster tätig, 1998–2005 als Nationalparkförster und -ranger. Das Buch ist erhältlich im Fachhandel und unter www.geschichte-heimat@aon.at
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