Kremser Synagoge: ein Denkmal fiel dem „schnöden Mammon“ zum Opfer
KREMS. Der Abriss der einzigen Kremser Synagoge im Jahr 1978 ist eines der schwärzesten Kapitel der städtischen Denkmalpflege. Der Kremser Stadthistoriker Ernst Kalt untersuchte wie es dazu kommen konnte und präsentierte seine Ergebnisse in einem packenden Vortrag.
Bei den Novemberpogromen vom 9. auf den 10. November 1938 ermordeten die Nationalsozialisten 400 Juden. 400 weitere jüdische Mitbürger kamen in den folgenden Tagen ums Leben. Die Nazis bezeichneten das Massaker verharmlosend als „Reichskristallnacht“. Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume fielen dem Hass und der Zerstörungswut der NS-Schergen im gesamten Deutschen Reich zum Opfer.
Die Synagoge überstand die Reichspogromnacht und die darauffolgende Herrschaft der Nazis nahezu unbeschadet. Auch ein Bombenangriff der Alliierten im Jahr 1945 konnte der Synagoge nichts anhaben. Abgerissen wurde der Tempel erst im Jahr 1978. Er musste einem Büro- und Geschäftsgebäude weichen.
Zur Erinnerung: Wahl des Datums kein Zufall
Für den pensionierten Architekten und Kremser Stadthistoriker Ernst Kalt ist Abriss der Kremser Synagoge ein „dunkles Kapitel der Denkmalpflege“. Wie es dazu kommen konnte, erzählte Kalt am 8. November in einem Vortrag im Ferdinand-Dinstl-Saal der Kremser Bank. Die Wahl des Datums war kein Zufall. Am Tag darauf jährten sich die Novemberpogrome der Nationalsozialisten gegen die jüdische Bevölkerung zum 80. Mal.
Der Wiener Max Fleischer war der Architekt
Architekt der Kremser Synagoge war der Wiener Max Fleischer, ein Spezialist für Synagogen im gesamten Donauraum. Da es damals keinen typischen Stil für Tempelbauten gab, ließ Fleischer 1894 in Krems eine Synagoge bauen, die in ihrem Stil einer neugotischen Kirche ähnelte. Für die Straßenfassade wählte er die Form eines Bürgerhauses in deutscher Renaissance.
Ein Dorn im Auge der Nationalsozialisten
Spätestens im Jahr 1938, als Adolf Hitler nach dem „Anschluss“ Krems zur Gauhauptstadt machte, war die Synagoge den Nationalsozialisten zunehmend ein Dorn im Auge. Die Sturmabteilung (SA) hätte die Synagoge gerne nieder- gebrannt, letztendlich musste die Schutzstaffel (SS) gegen die SA einschreiten, um die Zerstörung zu verhindern. Der Grund für das Einschreiten war, dass die Nazis die Synagoge brauchten, um Flüchtlinge aus den Sudetengebieten darin unterzubringen.
Das verhängnisvolle Jahr 1978 und seine Folgen
1971 verkaufte die Israelitische Kultusgemeinde die Synagoge schließlich an die St. Pöltner Dampfbäckerei. Im Jahr 1974 stellte das Denkmalamt den be- nachbarten Wehrturm unter Denkmalschutz. Die Synagoge blieb in diesem Bescheid des Denkmalamts unerwähnt.
Der Abriss der Synagoge begann im März 1978
Am 10. März 1978 haben Bauarbeiter mit dem Abriss des Tempels begonnen. Ernst Kalt hielt die Abbrucharbeiten fotografisch fest. Die wissenschaftliche Aufarbeitung inklusive einer virtuellen Rekonstruktion der Synagoge verfasste Hubert Jagsch 2011 im Rahmen seiner Diplomarbeit. Das Fazit von Ernst Kalt fiel recht eindeutig aus: „Die Kremser Synagoge fiel letztendlich dem schnöden Mammon zum Opfer“. Am ehemaligen Standort der Synagoge in der Dinstlstraße befindet sich heute ein Glücksspielbetrieb. Eine Schautafel in der Mühlbachgasse erinnert an die einzige Kremser Synagoge.
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