Die Zukunft der Arbeit: Toilette als Denkfabrik
KREMS. Der Wiener Trendforscher Franz Kühmayer hielt in Krems einen fesselnden Vortrag über die Zukunft der Arbeitswelt. Er erklärte, dass flexiblere Arbeitszeitmodelle dabei eine wesentliche Rolle spielen werden, denn unsere besten Ideen hätten wir längst nicht mehr im Büro, sondern viel eher auf der Toilette oder unter der Dusche. Außerdem würden Roboter keine Arbeitsplätze vernichten, vielmehr entstünden durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung auch zahlreiche neue Jobs.
Gestern hielt der Zukunftsforscher Franz Kühmayer einen Vortrag an der IMC Fachhochschule Krems zum Thema „Work-Design: Die Zukunft der Arbeit gestalten“. Kühmayer forscht am Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main und ist außerdem Unternehmensberater. In der Vergangenheit hat er unter anderem in Boston und Paris gearbeitet. Was wir laut ihm über die Zukunft wissen können, ist, dass sie sich anders entwickeln wird, als wir uns das heute vorstellen. Zur Veranschaulichung zeigt er eine Audiokassette und einen Bleistift mit dem Hinweis: „Unsere Kinder werden den Zusammenhang nie verstehen“. Ältere Semester wissen noch, dass man die Kassette mit dem Stift vor- und zurückspulen konnte. Für junge Menschen ist so etwas heute undenkbar. Im Zeitalter der Digitalisierung lasse sich nicht einmal mehr sagen, wie ein Smartphone in einigen Jahren aussehen wird.
Wie die Zukunft entsteht
Aber was können wir über die Zukunft wissen? Laut Kühmayer lässt sich lediglich sagen, wie die Zukunft entstehen wird. Dabei spielen Ereignisse, wie zum Beispiel der 11. September eine große Rolle, aber auch Verträge, man denke zum Beispiel an den „BREXIT“. Am wichtigsten seien jedoch Denkweisen und deren Veränderung. „Ein Range Rover war vor einigen Jahren noch ein Statussymbol, heute muss man sich dafür schon ein bisschen genieren“, so der Zukunftsexperte über den geistigen Wandel unserer Gesellschaft. Wenn wir versuchen die Zukunft vorherzusagen, machen wir laut Kühmayer oft den Fehler nur an den technologischen Fortschritt zu denken, dabei sei der gesellschaftliche Wandel viel wichtiger. Wurden beispielsweise im Jahr 1971 nur 18 Prozent der Ehen geschieden, waren es 2009 bereits 46 Prozent. Die Menschen heirateten mittlerweile viel später und blieben weniger lange zusammen. Großfamilien waren früher die Regel und sind heute die Ausnahme.
Wie wir die Dinge sehen
Dabei bestimmt unser aktueller Standpunkt, wie wir uns den Fortschritt ausmalen. „In Zeiten von Terror, sozialer Ungewissheit, Migration und Donald Trump machen sich viele Menschen Angst um die Zukunft“, so Kühmayer. Die Medien würden hier ein verzerrtes Bild der Realität wiedergeben. Wann immer der Trendforscher von Journalisten zur Zukunft der Arbeit interviewt wird, kommt jedes Mal zu Beginn die gleiche Frage: „Wie viele Arbeitsplätze gehen in Zukunft verloren?“. Wirft man allerdings einen Blick auf den Human Development Index (HDI), sieht man, dass die Menschen heute insgesamt mehr Wohlstand haben als vor wenigen Jahrzehnten. So seien beispielsweise zwei Milliarden Menschen in China und Indien aus bitterster Armut zu bescheidenem Wohlstand gekommen. Die Welt verändere sich insgesamt in eine positive Richtung und sei voller Chancen und Potenziale. „Die Probleme lassen sich nicht durch Mauerbau und Grenzziehung, sondern nur im globalen Kontext lösen“, sagt Kühmayer. Außerdem stellt er folgendes klar: „Die Arbeit geht uns nicht aus, weil uns die Probleme nicht ausgehen“. Noch immer hätten zum Beispiel viele Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Neue Jobs würden auf der Grundlage entstehen, wie man die Welt in eine positive Richtung weiterentwickeln könne.
Die Digitalisierung verändert alles
Wie sehr sich unsere Umgebung aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung verändert, zeigt Kühmayer anhand von drei Beispielen. In Australien errichtet der Roboter „Hadrian„ innerhalb von 72 Stunden den Rohbau eines Einfamilienhauses. In Amsterdam baut ein mobiler 3D-Drucker Brücken und folgt dabei bionischen Mustern, er lernt also von der Natur. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich fertigen Drohnen eine Seilbrücke und werden dabei nicht etwa ferngesteuert, sondern fliegen völlig autonom. Der Pfad der Digitalisierung ersetzt menschliche durch maschinelle Arbeit. Aber das wissen wir bereits seit der Industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts. So titelte der Spiegel bereits im Jahr 1978 „Der Fortschritt macht arbeitslos“, nur um im Vorjahr ein ganz ähnliches Sujet mit der Überschrift „Sie sind entlassen“ zu veröffentlichen.
Roboter stehlen keine Arbeitsplätze
Die Digitalisierung ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Zukunft der Arbeit. Sie hilft uns im besten Fall bei der Erhöhung der Effizienz. Viel wichtiger ist laut Kühmayer aber die Transformation in der Jobwelt. Früher hatte man beispielsweise durch den Besuch von Reisebüros den Zusatznutzen, wertvolle Informationen über gute Hotels und Restaurants in Urlaubsregionen zu bekommen. Dieses Service decken Internet-Plattformen wie „Trip Advisor“ oder „Holiday Check“ mittlerweile allerdings vollständig ab. Der wichtigste Schritt sei jedoch die so genannte Disruption, also die Verdrängung von bestehenden Technologien durch eine Innovation. Ein perfektes Beispiel dafür ist der Messenger-Dienst „WhatsApp“. Dieser hat es mit aktuell 56 Mitarbeitern geschafft, Branchengiganten der Telekommunikationsindustrie auszustechen. „Diese Erfolgsgeschichte hat nichts mit Technologie zu tun, sondern mit Innovationskraft“, so Kühmayer. Bei den „Dinosauriern“ der Branche gebe es eine Ideenflaute. Aufgrund der veralteten Führungsstrukturen kämen gute Ideen von kreativen Köpfen gar nicht bis ganz nach oben. Die Jobbörsen von heute seien voll mit der Suche nach innovativen Querdenkern. „Wenn ein frischer Geist in ein Unternehmen kommt, wird er bald von der „Heiligen Dreifaltigkeit“ des Ideentods eingeholt: Das haben wir schon immer so gemacht. Das war noch nie so. Da kann ja jeder kommen“, so der Trendforscher.
Toilette als Denkfabrik
Laut Kühmayer geben nur sechs Prozent der Erwerbstätigen an, ihre besten Ideen am Arbeitsplatz zu haben, aber ganze 14 Prozent sagen, sie hätten diese in der Dusche oder am WC. Deswegen sei es die Aufgabe der Führungskräfte von morgen, die Arbeitsabläufe besser zu koordinieren. „Wir dürfen die Arbeitsleistung nicht mehr nach zeitlichem Aufwand bewerten“, so Kühmayer. Damit ein Angestellter bei seinem Chef als fleißiger Mitarbeiter gelte, müsse dieser lediglich vor seinem Vorgesetzten ins Büro kommen und später nach Hause gehen. Dabei spielt das Büro für unsere individuelle Leistungsfähigkeit eine weit geringere Rolle als das früher der Fall war. Lediglich für die Teamarbeit sei das Büro noch ein gefragter Ort. Um bei persönlichen Projekten besser voranzukommen, würden viele Angestellte bereits die „Büroflucht“ ergreifen.
„Monza-Effekt“ überholt uns
„Was wir heute an Fachhochschulen und Universitäten lernen, wird innerhalb kurzer Zeit wieder überholt sein. Das Ergebnis der Bildung muss sein, die Welt zu verstehen“, sagt Kühmayer. Gemeinsames Lösen von Problemen durch Innovation und Kreativität, seien die Aufgaben von morgen. Lebenslanges Lernen stehe dabei im Mittelpunkt. Viele Menschen hätten heute das Gefühl, dass sie zwar in einer Demokratie leben, ihre Stimme aber nichts ändere. Dies sei vergleichbar mit der „Monza-Autobahn“ im Wiener Prater. „Die Kinder interessieren sich nur so lange für das Fahrgeschäft, bis sie alt genug sind um festzustellen, dass sich durch das Lenken nichts ändert“, sagt Kühmayer. Die Richtung der Autos ist vorgegeben und das Hupen bringt nichts, Kühmayer nennt dass den „Monza-Effekt“. Diesem gelte es gegenzusteuern. Die Entwicklung unserer Gesellschaft dürfe man nicht allein den Berufspolitikern überlassen, sondern jeder müsse seinen Beitrag leisten um gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
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