Thema Landwirtschaft: "Wissensstand gering, Erwartungshaltung groß"
OÖ. Vielen Konflikten zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft liegen ethische Fragen zugrunde. Aber zwischen der Wahrnehmung beider Parteien herrsche eine große Kluft, so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger. Gemeinsam mit dem Ethik-Experten Christian Dürnberger appelliert er, die Kommunikation zu verbessern - und nimmt dabei auch die Landwirte in die Pflicht.
„Landwirtschaft hat immer mit Eingriff in die Natur zu tun“, so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger. „Wir wissen, wir stehen im permanenten Betrachtungsfeld der Gesellschaft: was Landwirtschaft bedeutet, was sie in Zukunft übernehmen sollte - Stichwort Klimawandel, Ernährung.“
Gerade Oberösterreich sei aufgrund der Kleinstrukturiertheit der Landwirtschaft – mit im Schnitt knapp 20 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, das Bundesland mit der stärksten Tierhaltung, erläutert der Landesrat, sie sei „weit weg von den oft verbreiteten Zerrbildern einer im industriellen Maßstab arbeitenden Landwirtschaft.“
Wahrnehmung klafft auseinander
Die Wahrnehmung dieser Themen unterscheide sich zwischen Landwirten und der restlichen Bevölkerung aber oft eklatant. Die immer stärker werdenden Diskussionen könnten von Landwirten oft nicht mehr begriffen werden, „es kommen Forderungen, die nicht mehr passen“, so Hiegelsberger. „Was sich Menschen etwa vorstellen unter Tierwohl geht sehr weit mit dem auseinander, was die Menschen bereit sind, dafür zu zahlen.“ Gleiches gelte beim Thema Pflanzenproduktion: „Selbstverständlich möchte ein Landwirt, wenn er etwas aussäht, dass auch gesund ernten. Es ist traurig, wenn man manche Angriffe sieht, die jeder fachlichen Grundlage entbehren.“
Diesen Graben bei der gegenseitigen Wahrnehmung gelte es zu überbrücken: „Die Bevölkerung muss erfahren, in welchem Spannungsfeld sich Landwirtschaft bewegt. Umwelt, Klima, Preise, Einkommen, überzogene Forderungen und Ernährungssouveränität gepaart mit Freude und Leidenschaft in der täglichen Arbeit“, so der Agrar-Landesrat.
„Nicht aneinander vorbeikommunizieren“
Gesellschaft und Landwirtschaft dürften künftig nicht mehr aneinander vorbeikommunizieren, es dürfe keine Forderungen von der einen Seite geben, die die andere nicht erfüllen könne. In diesem Spannungsfeld habe sich auch der abgeschlossene Strategieprozess „Zukunft Landwirtschaft 2030“ abgespielt. Bei Veranstaltungen und Diskussionsformaten sei quer über alle Branchen das Grundanliegen zu spüren gewesen: Die Kommunikation zwischen den Bauern und der Bevölkerung gehöre verbessert.
Hier nimmt Hiegelsberger auch die Landwirte selbst in die Pflicht: „Die Landwirtschaft muss selbstkritisch das eigene Tun hinterfragen und darf auf dieser Basis dann auch sehr wohl selbstbewusst in den Dialog mit der Gesellschaft treten. Dazu gehört auch die klare Kommunikation, welche Art der Produktion mit der aktuellen Zahlungsbereitschaft möglich ist.“
„Wissensstand gering, Erwartungshaltung groß“
Vielen Konflikten zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft liegen ethische Fragen zugrunde. Ein Experte dazu ist Philosoph und Autor Christian Dürnberger (Messerli Forschungsinstitut, Universität für Veterinärmedizin Wien). Sein Fachgebiet ist Ethik, auch im Zusammenhang mit Landwirtschaft.
„Es zeigt sich, dass der Wissensstand in der Bevölkerung gering ist über die Landwirtschaft, aber die Erwartungshaltung sehr groß“. Die Gesellschaft wolle gesunde, qualitätsvolle Produkte zu günstigen Preisen, dazu gehe es um zentrale Werte wie Umweltschutz, Klimaschutz und Tierschutz und Tierwohl. „Die Menschen wollen auch das ursprüngliche, beschauliche, dass es nett ausschaut – aber das kann sich nicht alles ausgehen.“
In diesem Spannungsfeld müssten Landwirte täglich arbeiten und damit mehr und mehr umgehen. Für ihn ist klar: Bauern und Bäuerinnen müssen offensiv über ihren Beruf reden, in Debatten mitmischen, selbst das Wort ergreifen, „auf Basis vernünftiger Selbstreflexion. Wenn heute jemand Geld mit Tierhaltung verdient, dann muss ich auf Fragen dazu als Bauer auch eine Antwort haben, die ich selbst gut begründen kann.“
Persönliche Begegnung wichtig
Für Dürnberger ist die persönliche Begegnung und Vertrauen ausschlaggebend. „All die Bemühungen wie die Tage der offenen Stalltür, die Gespräche mit Spaziergängern oder mit Kunden im Hofladen, die Initiativen mit Schulklassen, die Teilnahmen an Podiumsdiskussionen: all diese Dinge sind - auch wenn sie im Vergleich zu Massenmedien nur wenige Menschen erreichen - von besonderer Bedeutung“, führt Dürnberger aus. Auch wenn man dadurch nicht die Masse erreichen könnte, erreiche man damit nachhaltig und langfristig.
„Wir müssen und dürfen als Gesellschaft mehr über Landwirtschaft reden und auch mehr Bauern müssen dabei mehr und mehr das Wort ergreifen, müssen in der Ausbildung auch besser vorbereitet werden darauf. Und wir als Gesellschaft sollten dazu übergehen, den Bauern auch mehr zuzuhören“, appelliert der Philosoph.
Buchtipp für Landwirte
Dürnberger hat in seinem Buch „Ethik für die Landwirtschaft. Das philosophische Bauernjahr“ ein Buch explizit für Landwirte geschrieben, „weil die Bauern die neue Situation verstehen müssen. Bauer zu sein ist heute ein anderer Beruf als zu Zeiten der Großeltern.“
„Ethik für die Landwirtschaft. Das philosophische Bauernjahr.“
ISBN-13: 979-8637671571
erhältlich im Buchhandel
Infos zu Christian Dürnberger gibt's hier.
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