Tag der pflegenden Angehörigen: Kritik an Pflegereform, Appelle zur Entlastung
OÖ. Am Montag, 13. September 2021, ist nationaler Aktionstag für pflegende Angehörige. In Oberösterreich werden acht von zehn pflegebedürftigen Menschen von ihren Angehörigen Zuhause betreut. Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer informiert über die Details. Das OÖ Hilfswerk kritisiert anlässlich des Tages die Pflegereform sowie die Anstellung pflegender Angehöriger und fordert mehr bedarfsgerechte Unterstützung.
„In der Regel sind es die Töchter und Schwiegertöchter, die zum Teil auch ihren Beruf aufgeben, um sich der Pflege ihrer Angehörigen widmen zu können. Pflegende Angehörige übernehmen große Verantwortung und haben oft wenig Zeit für sich. Viele sind sieben Tage die Woche für ihre Angehörigen da. Das bedeutet eine große psychische und physische Belastung. Die Covid-19 Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft“, sagt Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) anlässlich des Aktionstags für pflegende Angehörige am heutigen 13. September.
Hohe zeitliche und finanzielle Belastung
Laut einer Befragung des Sozialministeriums (2018) leidet bei 30 Prozent der pflegenden Angehörigen die eigene Gesundheit. Etwa jede zweite Person empfindet die zeitliche Belastung sehr groß oder groß, wobei das vor allem auf teilzeitbeschäftigte Angehörige zutrifft. Fast jede dritte Person fühlt sich auch finanziell stark belastet. Hier soll die neue Möglichkeit, sich als pflegende Angehörige anstellen zu lassen, laut Gerstorfer Abhilfe schaffen. Kritik daran äußert nach der OÖVP, die sich stattdessen zum Beispiel einen Pflege-Daheim-Bonus (Aufzahlung auf das Pflegegeld, Anm.) vorstellen kann, nun auch das OÖ Hilfswerk. Die Anstellung könne höchstens einem Drittel der pflegenden Angehörigen zugutekommen. Andere seien beispielsweise bereits im Pensionsalter. Hinzu komme, dass sich Betreuungszeit und miteinander verbrachte Freizeit oft abwechseln würden. Auch bezüglich Pflichten, Qualifikation und Haftung würden sich komplexe Fragen ergeben.
Stattdessen würden pflegende Angehörige mehr Versorgungsangebote und eine faire Pflegegeld-Einstufung brauchen. Die Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich Elisabeth Anselm führt aus: „Mehr finanziellen Spielraum durch einen fairen Einstufungsprozess beim Pflegegeld, großzügige und leistbare Unterstützung und Entlastung durch Dienste von außen wie zum Beispiel durch Hauskrankenpflege und Heimhilfe, aber auch durch mehrstündige Tagesbetreuung und qualitätsgesicherte 24-Stunden-Betreuung. Niederschwellige, wohnortnahe Information, Beratung, Anleitung und Unterstützung sowie eine bedarfsgerechtere Ausgestaltung von Pflegekarenz und Sozialversicherungsmöglichkeiten“. Derzeit würden pflegende Angehörige bestehende Angebote wie Pflegekarenz und Pflegeteilzeit kaum nutzen oder hätten gar keinen Anspruch darauf. Darüber hinaus müsse der Einstufungsprozess des Pflegegeldes überprüft werden. Aktuell führt mehr als jede zweite Pflegegeldklage zu einer höheren Einstufung.
Kritik an Pflegereform
Das OÖ Hilfswerk sowie der OÖ Seniorenbund fordern außerdem, dass die vom Bund angekündigte Pflegereform rasch umgesetzt werden soll. „Die Hochbetagten nehmen in den nächsten zwei Jahrzehnten am stärksten aller Altersgruppen zu. Daher ist das entscheidende Element einer dringend notwendigen Pflegereform eine Personaloffensive, denn Pflegerinnen und Pfleger kann man nicht 'herbeizaubern'. Da muss sofort bei der Ausbildungsoffensive begonnen werden, um in drei bis fünf Jahren etwas zu erreichen. Für uns ist nach wie vor die Einführung der Pflegelehre ein wesentliches Element einer zielführenden Personaloffensive“, sagt etwa OÖ Seniorenbund Geschäftsführer Franz Ebner in einer Aussendung. „Die Leistung der pflegenden Angehörigen – 365 Tage je 24 Stunden – steht am heutigen Tag der pflegenden Angehörigen im Vordergrund, denn ohne deren Beitrag würde das Pflegesystem zusammenbrechen. Es ist aber zu wenig, den pflegenden Angehörigen einmal im Jahr Dank und Anerkennung zu zollen. Wir fordern Seiten des OÖ Seniorenbundes eine rasche Umsetzung des mehrmals angekündigten Pflege-Daheim-Bonus und den Ausbau der mobilen Pflegeangebote zur Entlastung der pflegenden Angehörigen“, ergänzt Landesobmann Josef Pühringer. Für Othmar Karas, Präsident des Hilfswerk Österreich, ist der Reformwind „kaum mehr als ein laues Lüftchen“. Es gebe unter anderem immer noch zu wenige Ausbildungsmöglichkeiten.
Angebote für pflegende Angehörige in OÖ
Um pflegende Angehörige zu entlasten, setze das Land hingegen bereits eine Vielzahl von Angeboten, meint Sozial-Landesrätin Gerstorfer. Sie verweist unter anderem auf 68 Sozialberatungsstellen in allen Bezirken, die Pflegehotline 051/775 775 und mehr als 700 Tagesbetreuungsplätze. Letztere sollen pflegenden Angehörigen freie Zeit für Erledigungen oder sich selbst ermöglichen. Darüber hinaus werden ein Urlaubszuschuss und finanzielle Unterstützung für die Kurzzeitpflege in Alten- und Pflegeheimen angeboten. Ein Überblick zu den Pflegeangeboten im Land findet sich online.
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