Pilotprojekt zur Anstellung betreuender Angehöriger startet
OÖ. Oberösterreich erprobt in einem Pilotprojekt die Anstellung pflegender Angehöriger - Tips hat berichtet. Jetzt fällt der Startschuss. Zunächst 30 Angehörige, die beeinträchtigte Kinder und Jugendliche in den Pflegestufen 5 bis 7 ab dem 3. Lebensjahr bis zum zehnten Schuljahr betreuen, werden vom Land OÖ angestellt, erläutert Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ). Die OÖVP sieht noch offene Punkte.
Vorwiegend leisten Frauen die Pflege für Familienangehörige und können aufgrund ihrer Pflegeleistung keinem Arbeitsverhältnis mit ausreichender sozialer Absicherung nachgehen, negative Auswirkungen wie Altersarmut können die Folgen sein. „Mit dem Pilotprojekt zur Anstellung betreuender Angehöriger setzen wir einen weiteren wichtigen Meilenstein in Sachen Pflege“, ist Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer überzeugt.
Pilotphase: Betreuung beeinträchtigter Kinder
Die Pilotphase ist zunächst eingeschränkt auf 30 Angehörige, die beeinträchtigte Kinder und Jugendliche in den Pflegestufen 5 bis 7 ab dem 3. Lebensjahr bis zur Beendigung des 10. Schuljahres betreuen. Personen, die primär die Betreuung durchführen und daher keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, erhalten eine Basisausbildung, eine Anstellung und die damit einhergehende sozialversicherungsrechtliche Absicherung.
Das Pilotprojekt versteht sich als Ergänzung zu bestehenden Angeboten, das sich in weiteren Schritten auch auf andere Zielgruppen ausweiten lässt.
Angestellt nach Kollektivvertrag
Im Rahmen dieses Anstellungsverhältnisses werden Betreuungsleistungen auf Basis eines individuell erstellten Betreuungsplanes erbracht. Die Betreuung wird durch Fachkräfte angeleitet und begleitet. Die betreuenden Angehörigen müssen die Ausbildung zur Alltagbegleitung absolvieren. Das entsprechende Berufsbild wurde vom Landtag in seiner Sitzung am 8. Juli 2021 beschlossen und ist auf weiterführende Pflegeausbildungen anrechenbar. Je nach Ausmaß der Pflegebedürftigkeit wird das Anstellungsverhältnis festgelegt.
- Pflegestufe 5: Anstellung im Ausmaß von 25 Wochenstunden
- Pflegestufe 6: Anstellung im Ausmaß von 27,5 Wochenstunden
- Pflegestufe 7: Anstellung im Ausmaß von 30 Wochenstunden
Die angestellten betreuenden Angehörigen werden nach dem Kollektivvertrag Sozialwirtschaft in der Verwendungsgruppe 4 entlohnt. Je nach anzurechnender Vorerfahrung bedeutet dies ein Bruttogehalt ab 1.965,70 Euro. Als finanzieller Beitrag zur Betreuung werden 50 Prozent des Pflegegeldes eingehoben.
Wissenschaftlich evaluiert
Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die Projektlaufzeit beträgt 13 Monate, beginnend ab 1. August 2021. Die ersten Anstellungsverhältnisse sollen ab 1. September 2021 eingegangen werden und sind aufgrund der Pilotphase für ein Jahr befristet. Veranschlagt sind Gesamtkosten in Höhe von rund 857.000 Euro.
OÖVP sieht noch offene Punkte
Nach Adaptierungen im Zuge der Beschlussfassung in der Landesregierung trägt die OÖVP das Modell einer Anstellung pflegender Angehöriger im Behindertenbereich mit. Die OÖVP fordert vor dem Start noch die Klärung von Aufnahmekriterien und arbeitsrechtlichen Fragen sowie die Evaluierung der Folgewirkungen.
So müsse es erstens klare Aufnahmekriterien geben, gemäß denen Angehörige in den Status der Alltagsbegleitung aufgenommen werden sollen, speziell auch mit Blick auf eine über der angepeilten Zahl von 30 liegenden Bewerbungen. Zweitens, müssten nach Ansicht der OÖVP durch ein Experten-Gutachten noch offene arbeitsrechtliche Fragen geklärt werden.
Was eine Anwendung des Modells im Bereich der Altenbetreuung anbelangt, bleibt OÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer skeptisch: „Erfahrungen im Bereich der Altenbetreuung haben im Burgenland nämlich gezeigt, dass arbeitsrechtliche Fragen sowie Fragen der Betreuung außerhalb der regulären Dienstzeiten ein Anstellungsmodell schnell an Grenzen stoßen lassen. Daher sehen wir den Weg in die Zukunft eher in der bestmöglichen Unterstützung pflegender Angehöriger innerhalb der derzeitigen Systematik.“
Die OÖVP kann sich hier mit einem möglichen Pflege-Daheim-Bonus (Aufzahlung auf das Pflegegeld) anfreunden, bei der Pflegegeld-Einstufung eine Demenz-Erkrankung höher zu bewerten und Entlastungsangebote für pflegende Angehörige bereitzustellen sind.
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