Insolvenz-Geschehen "normalisiert" sich wieder
OÖ/BEZIRK. Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen der aktuellen Insolvenzentwicklung in Österreich 2021 erhoben: Insgesamt gab es in Österreich 10.733 Firmen- und Privatinsolvenzen, ein Minus von 3,1 Prozent. Allerdings steigen die Insolvenzen ab dem 4. Quartal 2021 massiv an, es kommt zu einer „Normalisierung“ des Insolvenz-Geschehens.
Seit dem Eingriff der Bundesregierung mit Beginn des ersten Lockdown im März 2020 gingen die Firmeninsolvenzen in Österreich auf den niedrigsten Stand seit 40 Jahren zurück: Das viel zitierte Paradoxon von fallenden Insolvenzzahlen mitten in der größten Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. Seit dem 3. Quartal und nun massiv verstärkt im 4. Quartal kommt es zu einer „Normalisierung“ des Insolvenzgeschehens, d.h. zum Abbau der aufgestauten, durch die Hilfsmaßnahmen durchgetragenen, de facto insolventen Unternehmen. Grund seien „das Auslaufen der Stundungen durch GKK und Finanzämter und die vermehrte Antragsstellung auf Insolvenzeröffnung durch diese Institutionen. Dazu kommt, dass viele Unternehmer durch die Pandemiesituation, in der eine betriebswirtschaftliche Planbarkeit erschwert wird, die Reißleine gezogen haben“, so Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform.
In Österreich gab es 2021 gesamt 3.076 Firmeninsolvenzen, nach 3.106 m Jahr 2020, ein Minus von einem Prozent. Bei den eröffneten Verfahren aber zeigt sich, dass die Zahlen erstmals seit sechs Quartalen wieder steigen, um 12,3 Prozent auf über 2.000. Betrachtet man allein das 4. Quartal 2021, so zeigt sich, dass die Zahl der eröffneten Verfahren um 174 Prozent angestiegen ist.
Managementfehler, Wettbewerb als Gründe
Einen Rückgang bei den Insolvenzen gab es im Tourismus und in der Industrie, einen Anstieg beim Transportwesen, Handel und Bau. Die Insolvenzursachen liegen laut Creditreform generell in Managementfehlern, im Wettbewerb (Preiskampf, sinkende Margen) sowie im Mangel an Kapital und damit konkret in Problemen bei der Rückzahlung der gestundeten Abgaben und Steuern. Da es nur wenige Großinsolvenzen gab, sind sowohl die Insolvenzpassiva (ca. 1,1 Milliarden Euro) als auch die betroffenen Arbeitsplätze (ca. 8.800) stark rückläufig.
Rückgang in OÖ
In Oberösterreich wurden 2021 262 Firmeninsolvenzen verzeichnet, nach 295 im Jahr 2020 – das ist ein Rückgang von 11,2 Prozent. Damit wurden in OÖ pro 1.000 Unternehmen 3,6 insolvent. Zum Vergleich: In Vorarlberg waren es 2,5 pro 1.000, in Wien 11,7 pro 1.000 Unternehmen.
Insolvenzen pro Bezirk:
- Braunau: 8 (minus 3)
- Eferding: 5 (plus 2)
- Freistadt: 12 (plus 9)
- Gmunden 12 (minus 7)
- Grieskirchen: 10 (plus 2)
- Kirchdorf: 9 (0)
- Linz: 73 (plus 13)
- Linz-Land: 48 (plus 10)
- Perg 4 (minus 11)
- Ried: 9 (minus 7)
- Rohrbach 3 (minus 4)
- Schärding 6 (minus 3)
- Steyr: 8 (minus 1)
- Steyr-Land: 5 (minus 6)
- Urfahr-Umgebung: 8 (plus 3)
- Vöcklabruck: 14 (minus 7)
- Wels: 18 (minus 12)
- Wels-Land: 10 (minus 11)
Keine der Top Ten-Insolvenzen 2021 (nach Verbindlichkeiten oder nach Arbeitnehmern) mussten in Oberösterreich verzeichnet werden.
„Rund 2.500 Unternehmen gefährdet“
Waren in den Jahren vor Covid immer rund 5.500 Unternehmen insolvent, so ist der Rückgang um mehr als jeweils 2.000 Fälle in den vergangenen beiden Jahren 2020 und 2021 untypisch. Creditreform hat von Walter Schwaiger von der TU Wien die Ausfallsrisiken der Unternehmen durch den sogenannten Verhinderungseffekt - Insolvenzen, die durch die staatlichen Maßnahmen verhindert wurden – errechnen lassen. Schwaiger schätzt, dass rund 2.500 Unternehmen insolvenzgefährdet sind. Würde dies schlagend, würde Österreich wieder bei der Vor-Corona-Lage von 5.000 und mehr Insolvenzen landen. Verstärkt wird die Insolvenzgefährdung laut Gläubigerschutzverband durch derzeit nicht einschätzbare Entwicklungen in der Pandemiebekämpfung sowie durch weitere wirtschaftliche Unsicherheiten wie Inflation/Preisdruck, Fachkräftemangel und Mehrkosten durch die Klimapolitik. „Das werden zuerst die Kleinst- und Kleinunternehmen zu spüren bekommen. Das neue Jahr 2022 wird somit auf jeden Fall ein Mehr an Firmeninsolvenzen bringen“, so Weinhofer.
Privatinsolvenzen werden 2022 ansteigen
Bei den Privatinsolvenzen wurden ö-weit 2021 7.657 verzeichnet, nach 7.974 im Jahr 2020, ein Minus von 4 Prozent. Eröffnet wurden 7.209 Schuldenregulierungsverfahren, ein Minus von 1,7 Prozent. Aber auch hier gab es im vierten Quartal einen deutlichen Anstieg mit plus 17 Prozent. Im Österreich-Schnitt sind 10 von 10.000 Erwachsenen insolvent.
Oberösterreich steht auch hier besser da: So gab es 2021 989 Privatinsolvenzen, nach 1.041 2020 – ein Minus von 5 Prozent. In OÖ sind im Schnitt 8,1 pro 10.000 Erwachsenen betroffen.
Allgemein liegen die Insolvenzursachen bei Privatpersonen im Jobverlust, in der gescheiterten Selbständigkeit sowie generell im sorglosen Umgang mit Geld. Auslöser sind dann oftmals zusätzliche Faktoren im höchstpersönlichen Bereich wie Krankheit und Scheidung.
„Die staatlichen Hilfen und die schnelle Erholung der Wirtschaft ließen die Arbeitslosigkeit und damit die Insolvenzen weiter zurückgehen. Doch seit Herbst gibt es eine Trendumkehr, ausgelöst durch die Reform des Insolvenzrechts und der damit einhergehenden schnelleren Entschuldungsmöglichkeit“, so Weinhofer. Ebenso habe die angestiegene Sparquote die Reserven der Österreicher anwachsen lassen.
Das Blatt habe sich aber auch hier spätestens im 4. Quartal gewendet. Für 2022 sieht Weinhofer einen Anstieg auf bis zu 9.000 Insolvenzen: „Die Verteuerung vieler Lebensbereiche – vor allem beim Wohnen, bei den Treibstoffen und bei der Energie – wird auch zu einem Anstieg der Privatinsolvenzen beitragen. Davon unabhängig bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Megatrends Digitalisierung und Klimawendel auf den Arbeitsmarkt und damit auf die Insolvenzen haben werden.“ Die Jahre mit sinkenden Privatinsolvenzen seien auf jeden Fall vorbei.
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