Christine Haberlander: „Gleichstellung wird nicht durch Zauberhand erreicht“
OÖ/LINZ. Die Büroräumlichkeiten von Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) im Landesdienstleistungszentrum (LDZ) in Linz tragen seit Kurzem weibliche Handschrift: 20 Kunstwerke – ausschließlich von Frauen aus oder mit Bezug zu Oberösterreich zieren die Gänge: „Um Sichtbarkeit zu schaffen“ wie sie im Tips-Interview anlässlich des Weltfrauentags am 8. März erzählt.
Tips: Sie haben ihre Büroräumlichkeiten im LDZ mit neuen Kunstwerken ausgestattet – 20 Kunstwerke ausschließlich von Frauen.
Haberlander: Frauen auch mit Bezug zu Oberösterreich – aus Oberösterreich oder in Oberösterreich wirkend. Um Sichtbarkeit zu erzeugen. In meinem Büro gehen ja viele Menschen ein und aus. Da kann man Bewusstsein schaffen – und ich wollte das ganz bewusst für Künstlerinnen.
Tips: Braucht es auch in der Kunst und Kultur mehr Förderung bzw. Plattformen? Sie unterstützen ja auch das Konzert zum Weltfrauentag #weare im Brucknerhaus Linz am 9. März.
Haberlander: Es braucht auch hier Sensibilisierung, ein Ansprechen des Themas und Unterstützung, damit Frauen die Chancen und auch die große Bühne haben. Darum auch meine Unterstützung von #weare. Und ich finde es auch cool, dass sich die Poxrucker Sisters da drüber trauen.
Tips: Werden sie beim Konzert auch selbst mit dabei sein?
Haberlander: Selbstverständlich! Ich habe letztes Jahr mitgeshaked, auch heuer wird mitgeshaked (lacht). Die Stimmung dort ist wirklich ein Wahnsinn, ein eigener Spirit.
Tips: Würden Sie für sich selbst als Feministin bezeichnen?
Haberlander: Absolut, definitiv.
Tips: Das Thema wird oft an der Sprache festgemacht. Wie gehen Sie damit um?
Haberlander: Es ist wesentlich. Es macht einen Unterschied, ob ich sage: ‚Die Polizistin‘ oder 'Der Polizist'. Das schafft Bilder. Wenn alle immer nur von ‚Dem Bürgermeister‘ sprechen, denken sie wahrscheinlich an einen älteren Mann. Und wenn ich von ‚Der Bürgermeisterin‘ spreche, ist das vielleicht eine vitale, junge Frau. Wenn ich sage ‚Die Astronautin‘, ‚Die Bundeskanzlerin‘ – das sind Bilder. Es ist wesentlich und wichtig, dass immer wieder zu tun.
Tips: Seit 2018 gibt es die Frauenstrategie „Frauen.Leben“. Was hat sich seit Beschluss 2018 getan?
Haberlander: Gleichstellung ist nichts, das eine Person durch Zauberhand erreicht. Es muss wirklich jeder und jede mitarbeiten. Es gibt in der Frauenstrategie unterschiedliche Handlungsfelder – für manches ist das Land mit allen Ressorts zuständig, für manches Unternehmen, Organisationen und Institutionen. In meinen Ressorts: Wir haben mehr Mädchen in technischen Ausbildungen, von HTLs bis hin zu Mädchen-Förderprogrammen. Wir haben einen großen Schwerpunkt auf Gendermedizin gelegt – sei es beim Medizinstudium oder beim Pflegestudium. Ein großes Projekt ist die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wo wir Meilensteine gesetzt haben mit der Gratis-Krabbelstube, die jetzt kommt, oder den Öffnungszeiten von 47 Wochen und der verpflichtenden Nachmittagsbetreuung. Die Vereinbarkeit – wenn man sie denn in Anspruch nehmen will – ist vereinfacht.
Tips: Dennoch gibt es beim Thema Kinderbetreuung immer wieder die Kritik: zu langsam, zu wenig weitreichend.
Haberlander: Ich teile die Kritik! Zu wenig, zu langsam! Darum gibt es das Paket – wir kommen voran. Ganz wesentlich und wichtig war mir, dass die Familien nicht mehr mit den Gemeinden diskutieren müssen, ob es Nachmittagsbetreuung gibt oder ob in den Ferien offen ist, sondern dass wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Das ist jetzt so, darauf können sie sich verlassen. Dass ich in der Statistik nicht vom letzten auf den ersten Platz binnen drei Jahren kommen kann, ist aber auch klar. Wir haben die Aufholjagd gestartet – aber nicht, damit wir die Statistik anführen, sondern damit wir die Rahmenbedingungen für Familien schaffen, die sie brauchen.
Tips: Sind sich Frauen vielleicht auch zu wenig bewusst, was es macht, wenn sie Teilzeit arbeiten?
Haberlander: Absolut. Wichtig ist, dass ich diese Entscheidung wissentlich und willentlich treffe. Was heißt das für meine Pension? Ich verstehe es ja: für eine 27-Jährige ist der Pensionsantritt weit weg. Hier braucht es aber mehr Bewusstseinsbildung, vielleicht wieder regelmäßige automatische Information, wie es ausschaut: Wie ist mein Pensionsguthaben, wenn ich so weitermache?
Tips: Sie treten für das automatische Pensionssplitting ein – das wäre im aktuellen Bundes-Regierungsprogramm vorgesehen. Geht zu wenig weiter?
Haberlander: Aus meiner Sicht ist das einer der klügsten Beiträge im Regierungsübereinkommen, leider noch nicht umgesetzt. Ich hoffe stark, dass das in den kommenden Monaten noch passiert.
Tips: Der 14. Februar war Equal Pay Day in Österreich. Der Gender Pay Gap beträgt in Oberösterreich laut Statistik Austria aktuell 17,8 Prozent, ist damit an zweitletzter Steller im Bundesländervergleich. Wieso kommt Oberösterreich hier nicht hinterher bzw. wo muss angesetzt werden?
Haberlander: Traurige Position. Ich glaube, es sind mehrere Gründe. Wir haben viele Frauen, die nicht mehr Vollzeit zurückkommen oder nicht mehr in der Führungsfunktion sind. Wir haben immer noch viele Frauen in klassischen Frauenberufen, wir haben zwar immer mehr Projekte und sehen die Steigerung – Mädchen in Technik – aber das ist auch ein langer Weg, da wird man das Ergebnis auch erst in einigen Jahren in den Statistiken sehen. Ich glaube aber, dass jedes Unternehmen hinschauen muss: Wie schaut es aus bei uns, funktioniert das mit der Gleichstellung, sind unsere Einkommen transparent, weiß jeder um die Regelungen und Rahmenbedingungen.
Tips: Im Frauenbudget liegt 2024 ein Schwerpunkt auf Gewaltschutz, mit Ausbauplänen bei Frauenhäusern und Übergangswohnungen. Wie sind die Pläne?
Haberlander: Das Ziel ist, dass es in jedem Bezirk entweder eine Übergangslösung oder ein Frauenhaus gibt, dem nähern wir uns an. Hier sind wir auf die Kooperation mit den Gemeinden angewiesen. Einige, die gut passen würden, sind im Findungsprozess. Die finanziellen Mittel sind vorhanden. Ich glaube, es ist im Jahr 2024 wichtig, dass es überall eine Anlaufstelle gibt – und natürlich würden wir uns wünschen, wir würden das nicht brauchen, und natürlich würden wir uns wüschen, es stünde leer, aber leider Gottes ist es nicht so.
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