Pröll zieht sich Groll von Behindertensprecher zu
„Wir haben ein Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“, poltert Josef Schoisengeyer, Obmann des Club 81 - St.Pölten - Club für Behinderte und Nichtbehinderte, im Gespräch mit Tips St. Pölten bereits am 3. März 2015 (siehe Bericht unten) nach einer Aussage von LH Erwin Pröll in der vorangegangenen ORF-Pressestunde. Nachdem sich die Erde ein paar Tage weitergedreht hat, gibt es bei Tips eine neue Wendung zur Causa. HIER LESEN Den Rollstuhlfahrer erregt, wie NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll in der sonntägigen ORF-Pressestunde (1. März 2015) „die per Gesetz verordneten barrierefreien Zugänge“ in der Gastronomie kritisiert hätte. Pröll in der TV-Sendung: „Barrierefreier Zugang muss in Zukunft in jedem Gasthaus, in jedem Landwirtshaus investiert werden. Ja meine Damen und Herren, liebe Frau Chefredakteurin (Schmid-Föderl vom Standard, Anm.): Wo sind wir denn?“. Pröll setzt fort: „Ich habe den Auftrag gegeben - jetzt gerade im Zusammenhang mit den Wirten, weil“s die wirklich nicht leicht haben, einmal zu überprüfen, wo wir diesen Unfug abstellen können bzw. wo wir diesen Normen, die vorgegeben werden, nicht folgen müssen.“ Schoisengeyer: „Will Pröll gehbehinderte aussperren?“ Schoisengeyer ist „entsetzt und betroffen“: „Will uns der Landeshauptmann vom öffentlichen Leben aussperren?“ Überall dort, wo es keine barrierefreien Zugänge zu einer Gaststätte gebe, seien alle gehbehinderten Menschen ausgeschlossen, „das heißt auch alte Menschen“. Abgesehen davon habe „es jetzt eine zehnjährige Frist gegeben, damit etwa Gastronomiebetriebe die nötigen Umbauten durchführen könnten, und vielerorts ist der Auftrag des Gesetzgebers ohne Probleme umgesetzt“, so Schoisengeyer. „Dabei gibt es sogar Kulanz für jene Wirte und Betriebe, die das nicht finanzieren können“. Das hieße, so der St. Pöltner Behindertensprecher, „es gibt doch gar nicht den von Pröll genannten Zwang für alle.“ Blick zu den Steirern Prölls steirischer Parteifreund, Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer, sei „da schon etwas weiter“, erklärt Schoisengeyer. Schützenhöfer meinte in einem Interview in der „Kleinen Zeitung“: „Die Steiermark setzt alles daran, damit auch wirklich alle barrierefrei den Aufenthalt in der Steiermark genießen können“. Zwei Millionen Euro Fördergeld gebe es für kleine und mittlere Betriebe, die in Barrierefreiheit investierten. „Davon profitieren doch alle“, meint der Obmann des St. Pöltner „Club 81“, „Senioren ebenso wie Behinderte, aber vor allem Betriebe, die dadurch mehr Besucher erwarten könnten“. Man dürfe die Umstellungen „doch nicht so negativ sehen“. Daher habe er dem Landeshauptmann nun einen Protestbrief geschrieben, der folgend ungekürzt wiedergegeben wird: >> Protestbrief an Pröll << „Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ihre Aussagen zum Thema Barrierefreiheit in der gestrigen ORF-Pressestunde machen uns betroffen und erschüttern uns zutiefst. Der erst kürzlich verstorbene, geschätzte deutsche Alt-Bundespräsident, Dr. Richard von Weizsäcker prägte in seiner Weihnachtsansprache (1987!) den Satz „Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann“. Das möchte ich Ihnen zur Ihrer gestrigen Aussage in der Pressestunde zum Thema Barrierefreiheit mit auf den Weg geben. Wir verstehen die Welt nicht mehr, wo bleiben die christlichen Grundwerte, die Sie immer wieder hervorheben und betonen? Wir hoffen, dass Sie niemals selbst einmal die Erfahrung machen müssen, wie diskriminierend es ist vom einfachsten gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen zu sein! Wir laden Sie sehr gerne ein, die Welt aus der Sicht eines Menschen mit Behinderung zu erkunden. Rollstuhl, Krücken und Augenbinde stellen wir gerne zur Verfügung! Die gesetzlichen Vorgaben bezüglich Barrierefreiheit so abzuqualifizieren, ist beschämend und verletzen die Menschen mit Behinderung in einem besonders hohen Maß. 2006 trat das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Es gab der Wirtschaft dadurch 10 Jahre Zeit, um Gasthäuser, Restaurants, Hotels und Geschäftsräume barrierefrei zu gestalten. Die im Gesetz verankerte Zumutbarkeitsklausel sieht zudem bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit auch Ausnahmen vor. Kein einziges Gasthaus oder kein einziger Greißler wird daher schließen müssen. Die vielgepriesene Wirtshauskultur ist daher keinesfalls gefährdet. Österreich hat sich mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen zur Umsetzung von Barrierefreiheit verpflichtet. 10 % der Bevölkerung sind auf die Barrierefreiheit unbedingt angewiesen. Für 30-40% der Bevölkerung notwendig und für 100% der Bevölkerung ein Vorteil! Von Barrierefreiheit, dem erleichterten Zugang zu Dienstleistungen und Produkten profitiert daher auch die Wirtschaft in Niederösterreich! Mit freundlichen Grüßen Ihr Josef Schoisengeyer Obmann des Club 81 - St.Pölten - Club für Behinderte und Nichtbehinderte Wirkungsbereich NÖ Clubabende jeden Donnerstag ab 18.00 Uhr und jeden 1. Samstag im Monat ab 15.00 Uhr im Hippolythaus St.Pölten, Eybnerstr. 5 In den Sommermonaten Juli und August entfallen die Clubabende.“ Weitere Artikel:St. Pölten St. Pölten Land ----------------------------------------------------------------------------------- Kontakt: REDAKTION TIPS ST. PÖLTEN Werner Pelz (Postfach 39, 3101 St. Pölten)Mobil: 0676/700 11 75Mail: w.pelz@tips.at (oder alternativ we_pe@gmx.at)
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