BEZIRK URFAHR-UMGEBUNG. Josef Eilmsteiner ist der neue Suchtberater der Alkoholberatungsstelle für den Bezirk Urfahr-Umgebung. Tips sprach mit ihm über die Beratung, Angehörige und die Definition von Abhängigkeit.
Tips: Wie läuft eine Alkoholberatung ab?
Eilmsteiner: Ein Beratungsgespräch kann auf einen körperlichen Entzug im Krankenhaus oder eine Entwöhnungsbehandlung vorbereiten oder aber als Nachsorge dienen. Das Angebot kann einmalig oder über einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen werden. Im Idealfall sind es mehrmalige Termine. Manchen genügt es aber auch eine einmalige Info einzuholen. Wir vermitteln auch weiter an Therapiestellen, je nachdem was gebraucht wird, angefangen von Entzugs- und Entwöhnungstherapien über Psychotherapien bis zu Gewaltberatung und Schuldnerberatung und so weiter.
Tips: Kommen die Klienten freiwillig oder werden sie geschickt?
Eilmsteiner: Freiwilligkeit ist immer relativ, da ist eigentlich meist etwas dahinter – entweder die Gesundheit, der Partner, der Arbeitgeber oder die Führerscheinbehörde, die sagen, dass es ein Problem gibt. Im Idealfall wird ein geschickter Klient zu einem Klienten, der selbst sieht, dass ihm die Beratung gut tut und selbst herausfinden will, welche Probleme hinter der Sucht stecken.
Tips: Sie sprachen vorher von Beratungsgesprächen mit Angehörigen. Warum ist für Angehörige eine Beratung so wichtig?
Eilmsteiner: Die Mitbetroffenen sind ein wichtiger Teil, aber nehmen die Beratung leider noch zu wenig in Anspruch. Im Umfeld von einem Betroffenen gibt es im Schnitt sieben Mitbetroffene (Familie, Freunde, Kollegen, Dienstgeber). Oft wissen sie nicht, wie sie sich verhalten sollen und sind oft selbst in großer Not. Bei den Angehörigen ist es wichtig, dass sie bei sich selbst bleiben können. Sie vergessen oft auf ihre eigene Gesundheit zu schauen, nehmen den Betroffenen alles ab und versuchen viel zu kompensieren und können dabei selbst schwer krank werden. Besser ist es Hilfe zu vermitteln und nicht alles abzunehmen, dann muss ein Süchtiger auch früher selbst aktiv werden und hat früher die Chance wieder aus der Sucht herauszukommen.
Tips: Ab wann spricht man von einer Alkoholabhängigkeit?
Eilmsteiner: Abhängigkeit kann man klar nach den Kriterien nach dem ICD-10/Diagnoseschlüssel (siehe Infobox) definieren. Alkoholprobleme fangen aber meist früher an. Sind drei oder mehr Kriterien erfüllt, liegt eine Abhängigkeit vor. Es ist oft ein fließender Verlauf zwischen Genuss und Abhängigkeit. Das kann beim Entspannungsachterl losgehen, wenn man es zu oft und regelmäßig trinkt oder es zu einer Dosissteigerung führt. Oft wird gegen Einsamkeit und Schlafstörungen, bei Problemen in der Beziehung, Finanzen, am Arbeitsplatz, bei psychischen Problemen, wie Ängsten oder Depressionen oder zur Entspannung getrunken.
Tips: Gibt es in Bezug auf Alkoholismus einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Eilmsteiner: Vor zirka 15 Jahren noch gab es ein Verhältnis von 1:4. Aber die Frauen ziehen nach, heute ist es 1:2,4. Das heißt auf eine Frau kommen 2,4 Männer. Frauen sind meist leichter, daher ist dieselbe Menge Alkohol für sie meist schädlicher als für Männer. Auch der Alkoholabbau funktioniert etwas anders. Die Scham ist bei Alkoholikern oft sehr groß, bei Frauen meist noch größer. Ein Zeichen der Scham ist das heimliche Trinken.
Tips: Es gibt verschiedene Ansichten dazu, ob ein trockener Alkoholiker wieder Alkohol trinken kann. Wie ist ihre Meinung dazu?
Eilmsteiner: Da gibt es die Theorie des Suchtgedächtnisses, das stark von Medizinern vertreten wird und besagt, dass man als trockener Alkoholiker gilt und abstinent bleiben muss, um nicht rückfällig zu werden. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, das Gehirn rechnet mit, verändert sich und reagiert dann auf den Alkoholreiz. Aber Menschen sind sehr unterschiedlich, es gibt welche, die danach lernen moderat zu trinken, andere kippen nach einem Glas wieder in die Abhängigkeit.
ICD-10 Kriterien:
1. Toleranzentwicklung: Man braucht immer mehr Suchtmittel, verträgt immer mehr
2. Entzugserscheinungen: Symptome wie Zittern, Schwitzen, Kreislaufschwankungen, Unruhe, Übelkeit, Erbrechen, Krampfanfälle
3. Verlangen: starker Wunsch oder innerer Zwang nach Suchmittel
4. Kontrollverlust: nur mehr verminderte Kontrolle über Beginn, Menge und Beendigung des Konsums
5. Vernachlässigung: Job, Familie, Freizeit wird vernachlässigt
6. Konsum trotz negativer Folgen: gesundheitliche Schäden, Gedächtnisstörungen, depressive Stimmung, Arbeitsplatzverlust
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